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Der Versorgungsausgleich in der bAV-Realität (III):

Höhere Anforderungen an externe Teilung

Die bei Versorgungsträgern beliebte externe Teilung war jüngst Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses verlangt Vergleichsberechnungen zur internen Teilung und unter Umständen eine Anhebung des Ausgleichswerts. Michael Karst und Andreas Hufer analysieren das Urteil aus Sicht der Praxis.

 

 

Michael Karst, Willis Towers Watson.

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine praktisch wichtige gesetzliche Sonderregelung, die in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse in höherem Umfang als in anderen Durchführungswegen die externe Teilung ermöglicht, allerdings nur dann verfassungsgemäß, wenn der oder die Ausgleichsberechtigte dabei höchstens zehn Prozent gegenüber der Versorgungsleistung bei einer internen Teilung einbüßt. Anderenfalls sei das betreffende Anrecht intern zu teilen oder der Ausgleichswert zulasten des Arbeitgebers bzw. der Unterstützungskasse anzuheben. Für die betriebliche Praxis wirft das Urteil einige Fragen auf.

 

Externe Teilung verfassungskonform – aber nicht in jedem Fall

 

Die Sonderregelung in § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) zur externen Teilung bei Direktzusagen und Unterstützungskassen ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Mai 2020 (1 BvL 5/18) bei verfassungskonformer Auslegung nicht verfassungswidrig.

 

Jedoch präzisiert das Gericht, unter welchen Bedingungen die externe Teilung als verfassungskonform gilt.

 

Hintergrund: Externe Teilung – leichter handhabbar für Versorgungsträger…

 

Andreas Hufer, Willis Towers Watson.

Das VersAusglG sieht vor, dass Versorgungsanrechte grundsätzlich bei dem Versorgungsträger, bei dem sie bestehen, systemintern zu teilen sind. Dabei hat der Versorgungsträger, bei dem das auszugleichende Versorgungsanrecht besteht, dem Ausgleichsberechtigten in seinem Versorgungssystem ein eigenständiges Versorgungsanrecht im Umfang der hälftigen ehezeitanteiligen Versorgungsleistung oder deren Kapitalwerts einzurichten und dieses fortan zu verwalten.

 

§ 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG erlaubt allen Versorgungsträgern, einseitig die externe Teilung vorzugeben, wenn der zu transferierende Kapitalwert des hälftigen Ehezeitanteils einen definierten Grenzwert (2020: 7.644 Euro) nicht übersteigt. § 17 VersAusglG erlaubt darüber hinaus betrieblichen Versorgungsträgern im Durchführungsweg Direktzusage und Unterstützungskasse, einseitig die externe Teilung zu verlangen, wenn der zu transferierende Kapitalwert des hälftigen Ehezeitanteils die Beitragsbemessung in der allgemeinen Rentenversicherung (2020: 82.800 Euro) nicht übersteigt.

 

Hintergrund der Sonderregelung ist, dass bei Direktzusagen und Unterstützungskassen der Arbeitgeber bei einer internen Teilung unmittelbar bzw. mittelbar die Funktion des Versorgungsträgers einnimmt. Externe Teilung bedeutet, dass der Versorgungsträger, bei dem das Versorgungsanrecht besteht, den Kapitalwert der dem Ausgleichsberechtigten zustehenden Hälfte der ehezeitanteiligen Versorgung an einen anderen Versorgungsträger, den so genannten Zielversorgungsträger, auszahlt und danach keine weiteren Pflichten gegenüber dem Ausgleichsberechtigten mehr hat.

 

Der Zielversorgungsträger richtet zugunsten des Ausgleichsberechtigten nach seinen Konditionen ein Versorgungsanrecht im Umfang des eingezahlten Kapitalbetrages ein. Er gewährt im Versorgungsfall die aus diesem Kapitalwert und den daraus generierten Erträgen nach den bei ihm maßgeblichen Konditionen resultierenden Versorgungsleistungen.

 

aber veränderte Versorgungshöhe für Ausgleichsberechtigte

 

Auch bei unterstellt gleichem Alter und gleichem Geschlecht der Ehegatten gilt Folgendes:

 

Der Ausgleichsberechtigte erhält beim Zielversorgungsträger wegen der unterschiedlichen Prämissen bei Ermittlung des zu transferierenden Kapitalbetrags beim abgebenden Versorgungsträger und Rückrechnung von Kapitalbetrag in Versorgungsleistungen beim Zielversorgungsträger Versorgungsleistungen in einer anderen Höhe, als er sie beim ursprünglichen Versorgungsträger bei interner Teilung erhalten hätte.

 

Nach Auffassung des OLG Hamm ist § 17 VersAusglG verfassungswidrig, da Ausgleichsberechtigte jedenfalls während bestimmter Zeiträume infolge einer externen Teilung wegen der unterschiedlichen Parameter bei Ermittlung des zu transferierenden Kapitalbetrages und bei Rückrechnung dieses Kapitalbetrages in Versorgungsleistungen beim Zielversorgungsträger zu hohe Einbußen auf Leistungsebene im Vergleich zu einer fiktiven internen Teilung hätten hinnehmen müssen. Das OLG hatte dem BVerfG § 17 VersAusglG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt.

 

Legitim, aber nicht um jeden Preis

 

Das BVerfG sieht die externe Teilung nach § 17 VersAusglG bei verfassungskonformer Auslegung als verfassungsgemäß an, weil die Regelung verfassungsrechtlich legitimen Zwecken dient.

 

So erkennt das BVerfG den Zweck des § 17 VersAusglG – Schutz des Arbeitgebers vor der Pflicht zur Aufnahme weiterer Personen in seine Versorgung und Förderung der betrieblichen Altersversorgung – als verfassungsrechtlich legitim an (Rn. 62, 63, 102).

 

Es akzeptiert auch, dass es ein Interesse des Arbeitgebers gibt, extern teilen zu können, zugleich aber im Rahmen der externen Teilung lediglich einen aufwandsneutralen Kapitalabfluss hinnehmen zu müssen (Rn. 70).

 

Jedoch dürfe dies nicht um jeden Preis realisiert werden. Die mit § 17 VersAusglG verfolgten Ziele seien vielmehr mit gegenläufigen Grundrechten in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen.

 

Grundgesetzlicher Eigentumsschutz

 

Sowohl beim Ausgleichspflichtigen als auch beim Ausgleichsberechtigten ist das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich geschützte Eigentum berührt. Dieses umfasst auch Versorgungsanwartschaften.

 

Die Grundrechtsberührung folgt beim Ausgleichspflichtigen aus der Anrechtskürzung. Der Ausgleichsberechtigte erwerbe ein verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum nicht erst mit der tatsächlichen Anrechtseinrichtung, sondern schon im juristischen Moment zwischen Scheidung und Begründung des Anrechts (Rn. 57).

 

Leistungsänderungen aufgrund von Biometrie akzeptabel, aber nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs

 

Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Berührung des Schutzbereichs dieser Grundrechte kommt es nicht auf die hälftige Aufteilung des nicht strukturell unterbewerteten Kapitalwerts, sondern auf die Leistungsebene an.

 

Dabei akzeptiert das BVerfG Verschiebungen auf Leistungsebene, die aus der unterschiedlichen Biometrie der Ehegatten folgen (das Wort Geschlecht verwendet das BVerfG in diesem Zusammenhang aber nicht). Diese haben nichts mit dem Versorgungsausgleich zu tun und sind Teil des Risikos von Versorgungsanrechten.

 

Im Innern des Bundesverfassungsgerichts, Foto: BVerfG bild_raum Stephan Baumann Karlsruhe.

Das BVerfG akzeptiert aber nicht darüber hinaus gehende Verschiebungen etwa infolge unterschiedlicher Rechnungszinsen bei Abzinsung und Rückrechnung. Diese sind gerade durch den Versorgungsausgleich bedingt und realisieren kein einem Versorgungsanrecht von vornherein innewohnendes Risiko (Rn. 54). Die Quintessenz hierzu fasst das BVerfG in Rn. 67 wie folgt zusammen:

 

Wenn jedoch die externe Teilung zu einer prognostischen Leistungsverminderung führt, die bei interner Teilung nicht einträte, haben die ausgleichsberechtigte wie auch die insoweit ohne entsprechenden Nutzen um einen Teil ihres Anrechts gebrachte ausgleichspflichtige Person dies nicht ohne Weiteres hinzunehmen. Beide haben ein im Grundsatz grundrechtlich geschütztes Interesse daran, dass die nach der externen Teilung auf das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person zu erwartenden Versorgungsleistungen durch den neuen Versorgungsträger bei unterstellt identischen biometrischen Faktoren nicht geringer sind, als sie bei interner Teilung zu erwarten wären und als die ausgleichspflichtige Person an Kürzung hinnehmen muss. Der vom Arbeitgeber nach § 14 Abs. 4 VersAusglG an den Zielversorgungsträger als Kapitalbetrag zu zahlende Ausgleichswert muss dafür entsprechend bemessen sein.“

 

Daneben hat das BVerfG in seiner Abwägung mitberücksichtigt, dass Nachteile der externen Teilung mehr geschiedene Frauen als Männer betreffen (mittelbare Benachteiligung von Frauen, Art 3 Abs. 2 GG).

 

Übermäßige Transferverluste (mehr als zehn Prozent) verhindern

 

Die für die Praxis zentrale Passage des Urteils sind die Rn. 89 bis 91:

 

d) Es ist demnach Aufgabe der Gerichte, bei Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 17 VersAusglG den als Kapitalbetrag zu zahlenden Ausgleichswert so festzusetzen, dass neben den Interessen des Arbeitgebers auch die Grundrechte insbesondere der ausgleichsberechtigten Person gewahrt sind, indem übermäßige Transferverluste verhindert werden.

 

In der praktischen Durchführung der externen Teilung genügt zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen, dass aus dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Ausgleichswert bei dem von der ausgleichsberechtigten Person gegebenenfalls gewählten Zielversorgungsträger oder bei der gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VersAusglG aufnahmeverpflichteten Versorgungsausgleichskasse oder – sofern die Anrechtsbegründung dort möglich ist – bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine verfassungsrechtlich ausreichende Versorgung begründet werden kann. Das Familiengericht muss dies aufklären.

 

Kann aus dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Ausgleichswert weder bei dem gewählten Zielversorgungsträger noch bei der gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VersAusglG aufnahmeverpflichteten Versorgungsausgleichskasse noch bei der aufnahmebereiten gesetzlichen Rentenversicherung eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Versorgung begründet werden, muss das Familiengericht den Ausgleichswert so anpassen, dass Transferverluste, die außer Verhältnis zu den Vorteilen der externen Teilung stehen (oben Rn. 64 ff.), vermieden werden. Wie die Berechnung im Einzelnen vorzunehmen ist, gibt das Grundgesetz nicht vor (vgl. zu unterschiedlichen Berechnungswegen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte: OLG Hamm, Beschluss vom 6. Februar 2012 – 12 UF 207/10 -, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. Januar 2014 – 11 UF 1498/13 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 24. November 2014 – 11 UF 342/13 -, juris).

 

Dem Arbeitgeber muss die Möglichkeit bleiben, angesichts des gerichtlich bestimmten Ausgleichsbetrags doch die interne Teilung zu wählen.“

 

Zur Einordnung dieser Zentralpassage liefert die Entscheidung erläuternde Ausführungen. Dem BVerfG ist demnach bewusst, dass es sich bei der vorgegebenen Ermittlung der künftigen Leistungen um mit Unsicherheiten behaftete Prognosen handelt (Rn. 75, 76):

 

Allerdings kann es sich auch insoweit lediglich um eine Prognose handeln, weil die weitere Entwicklung der beiden Teile des geteilten Anrechts beim Quellversorgungsträger einerseits und beim Zielversorgungsträger andererseits im Zeitpunkt des Ausgleichs nicht in jeder Hinsicht vorhersehbar ist. […] Im Zeitpunkt der Teilung nicht vorhersehbare Unterschiede in der Entwicklung der Anrechte sind unvermeidbar.

 

[…] schließt jedoch nicht aus, Faktoren, die bereits im Zeitpunkt der externen Teilung erkennbar zu einer Verringerung der für die ausgleichsberechtigte Person erwartbaren Leistung im Vergleich zur internen Teilung führen, auf das unter Berücksichtigung der gegenläufigen Positionen angemessene Maß zu begrenzen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. Januar 2014 – 11 UF 1498/13 -, juris, Rn. 46 a.E.). Der bei Berechnung des Ausgleichswerts einerseits und vom Zielversorgungsträger andererseits verwendete Rechnungszins kann ein solcher Faktor sein. Indessen müssen Faktoren, die dazu führen, dass die ausgleichsberechtigte Person gerade wegen der externen Teilung aus dem neu begründeten Anrecht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Vorteile gegenüber der bei interner Teilung erwartbaren Leistung zieht, ebenfalls berücksichtigt werden.“

 

Die genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen bzw. die „Transferverluste, die außer Verhältnis zu den Vorteilen der externen Teilung stehen“ konkretisiert das BVerfG in Rn. 77 wie folgt:

 

[…] Das vorlegende Oberlandesgericht hat die Grenze bei einer Abweichung der Zielversorgung von der Ausgangsversorgung um mehr als zehn Prozent gesehen. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.“

 

Gerichtliche Kompetenz, Ausgleichswerte zu korrigieren

 

Hinsichtlich der Berechnung des etwa anzuhebenden Ausgleichswerts ist Folgendes hervorzuheben:

 

Das BVerfG betont, dass der Versorgungsträger nach § 5 Abs. 3 VersAusglG zwar einen Vorschlag für den Ausgleichswert macht. Die Prüfung dieses Vorschlags und die verbindliche Festsetzung des Ausgleichswerts liegen aber in der Verantwortung des zuständigen Gerichts (Rn. 82, Rn. 87). Diesem ist durch das Gesetz insbesondere der Rechnungszins nicht zwingend vorgegeben (Rn. 84, 85). Ein vom Versorgungsträger zugrunde gelegter Zinssatz müsse gegebenenfalls korrigiert werden, um verfassungsrechtlich übermäßige Transferverluste zu vermeiden (Rn. 87).

 

Mehrkosten eines angehobenen Ausgleichswerts beim Arbeitgeber

 

Die Belastung mit den Mehrkosten eines angehobenen Ausgleichswerts sieht das BVerfG beim Arbeitgeber (Rn. 79):

 

[…] Zwar mag – je nach Zinsentwicklung – die Begrenzung der Leistungsverminderung bei externer Teilung nach § 17 VersAusglG auf maximal zehn Prozent dazu führen, dass Ausgleichswerte in einer Höhe festgesetzt werden, die der Arbeitgeber nicht aufwandsneutral an den Zielversorgungsträger leisten kann. Wenn der Arbeitgeber den Aufwand der Zahlung eines entsprechenden Kapitalbetrags vermeiden will, kann er jedoch die interne Teilung nach § 10 VersAusglG wählen, was ihm nach § 17 VersAusglG immer möglich bleibt. Durch interne Teilung kann der Arbeitgeber einen ihn übermäßig belastenden Kapitalabfluss vollständig vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10144, S. 43). Zwar bringt ihn das um die Vorteile externer Teilung. Auch die interne Teilung ist jedoch im Rahmen von § 13 VersAusglG für den Arbeitgeber kostenneutral (vgl. BGHZ 209, 218 <237 f. Rn. 46>). Seine Belastung durch interne Teilung ist damit von vornherein begrenzt. In die interne Teilung auszuweichen, wenn sich die externe Teilung angesichts des gerichtlich bestimmten Ausgleichswerts nicht aufwandsneutral realisieren lässt, ist dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar, wenn die aufwandsneutrale Teilung zu Transferverlusten von über zehn Prozent führen würde.“

 

Die praktischen Herausforderungen, die die getroffenen Vorgaben nach sich ziehen, sind dem BVerfG bewusst (Rn. 88):

 

[…] Aus Anwendungsproblemen der für die externe Teilung erforderlichen Kapitalwertermittlung lässt sich nicht ohne Weiteres auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung schließen, zumal alternative Berechnungsansätze pauschaliert werden können.“

 

Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten

 

Das BVerfG überprüfte § 17 VersAusglG auch aus dem Blickwinkel einer Ungleichbehandlung

 

zwischen Inhabern von in höherem Umfang extern teilbaren Anrechten aus Direktzusagen und Unterstützungskassen gegenüber Inhabern von Anrechten aus nicht von § 17 VersAusglG erfassten Durchführungswegen und

 

zwischen Inhabern von in höherem Umfang extern teilbaren Anrechten aus Direktzusagen und Unterstützungskassen, die den Grenzwert des § 17 VersAusglG nicht überschreiten, gegenüber den Inhabern solcher entsprechenden Anrechte, die diesen Grenzwert überschreiten.

 

Soweit Transferverlust im konkreten Fall auf das vorstehend beschriebene verfassungsrechtlich zulässige Maß beschränkt werden, sieht das BVerfG insoweit jedoch keine unzulässige Ungleichbehandlung. Insbesondere sieht es auch den in § 17 VersAusglG gewählten Grenzwert – Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung – als sachlich gerechtfertigt an.

 

Halbteilungsgrundsatz für § 17 VersAusglG ohne Aussagekraft

 

Zudem hat das BVerfG die verfassungsrechtliche Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes relativiert. Die Frage der hälftigen Aufteilung von Anrechten zwischen den Geschiedenen betreffe allein deren Verhältnis, nicht aber den in § 17 VersAusglG angelegten Interessenausgleich im Verhältnis zwischen ausgleichsberechtigter Person und Arbeitgeber.

 

Externe Teilung kleinerer Anrechte nach § 14 VersAusglG nicht betroffen

 

Praktisch wichtig ist, dass die an die externe Teilung nach § 17 VersAusglG zur Begrenzung von Transferverlusten gestellten Anforderungen die bei allen Durchführungswegen bis zu einem geringeren Grenzwert auf einseitiges Verlangen des Versorgungsträgers hin mögliche externe Teilung nach § 14 VersAusglG nicht betreffen. Hierzu führt das BVerfG in Rn. 79 aus:

 

[…] Ohnehin sind Arbeitgeber im Falle sehr kleiner Anrechte durch § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ungeachtet etwaiger Transferverluste von der internen Teilung und dem damit verbundenen Aufwand befreit woran verfassungsrechtlich kein Anstoß zu nehmen ist. […]“

 

Neuer „Prozessablauf“ für externe Teilungen nach § 17 VersAusglG

 

Nach der Interpretation der Verfasser ist die zentrale Rn. 89 bis 91 des Urteils i.V.m. den diese konkretisierenden Passagen in ihren Grundlinien in eine Handlungsvorgabe zu übersetzen wie in Abb. 1 dargestellt:

Quelle: WTW. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Für externe Teilungen nach § 14 VersAusglG gelten diese Anforderungen nicht. Hier kann weiterhin ohne zusätzliche Angaben und Abgleiche eine Halbteilung auf Kapitalwertbasis erfolgen.

 

Urteil wirft zahlreiche Praxisfragen auf

 

Im Detail lässt die Entscheidung breiten Interpretationsspielraum, der eine Reihe praxisrelevanter Fragen auch für Versorgungsträger mit sich bringt. Die nachstehende Aufzählung ist dabei nicht als abschließend zu verstehen:

 

Zu Schritt 1 – Berechnung der prognostischen betrieblichen Rente bei fiktiver interner Teilung:

 

Herausforderungen stellen sich, soweit Versorgungsträger die Rückrechnung des Ausgleichswerts in Versorgungsleistungen für den Ausgleichsberechtigten und die Anrechtskürzung beim Ausgleichspflichtigen nicht schon bezogen auf den Stichtag Ehezeitende, sondern erst bezogen auf den späteren (und bei Auskunftserteilung noch unbekannten) Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung vornehmen. Hier dürften Wege zu erarbeiten sein, wie auch bei dieser im Anwartschaftsstadium auch zulässigen Rechenmethode gerichtsfest prognostizierte Zahlen auf Leistungsebene „geliefert“ werden können.

 

Herausforderungen stellen sich, soweit betriebliche Versorgungszusagen keine Leistungen als Rente, sondern Kapitalzahlungen im Versorgungsfall vorsehen. Die Aufgabe, hier einen „Umrechnungsmechanismus“ in die Renten der Zielversorgungsträger zu finden, dürfte zwar formal beim Gericht liegen. Inhaltlich dürften Versorgungsträger aber darauf zu achten haben, dass dieses dabei auch in ihre Richtung faire Maßstäbe ansetzt.

 

Die Herausforderungen an die vom abgebenden Versorgungsträger zu prognostizierenden Leistungen steigen, je volatiler die Faktoren sind, an denen die in vielen Jahren aus einem heute aufzubauenden Kapitalstock zu erbringenden Renten hängen (beispielsweise Fondsanteile, variable Verzinsungen, Verrentung nach den im künftigen Versorgungsfall maßgeblichen Sterbetafeln…).

 

Auf die zu prognostizierende Leistung bei fiktiver interner Teilung wirkt sich auch eine Teilungskostenumlage bei fiktiver interner Teilung aus. Es liegt nahe, dass Gerichte diese – sofern es darauf für die Zehn-Prozent-Grenze ankommt – dann auch bei externer Teilung inzident überprüfen und dafür weitere Nachweise anfordern dürften, falls sie oberhalb von 500 Euro liegen.

 

Zu Schritt 2: Vergleich und ggf. Aufpreisfestsetzung:

 

Prognose der Leistungen der Zielversorgungsträger:

 

Gesetzliche Rentenversicherung: Im ersten Rechenschritt wird der Ausgleichswert in Entgeltpunkte bezogen auf den Stichtag Ehezeitende umzurechnen sein. Im zweiten Schritt ist anhand des aktuellen Rentenwerts zu ermitteln, wie hoch die daraus resultierende Rente ausfällt. Hier sind mehrere Ansätze vorstellbar. Denkbare wäre es einerseits, auf den aktuellen Rentenwert bei Ehezeitende abstellen und deren nominale Höhe mit der künftigen Rente aus dem betrieblichen Versorgungssystem vergleichen. Dies führt mit heutigem aktuellen Rentenwert zu einer „niedrigeren“ gesetzlichen Rente als bei prognostiziertem späteren aktuellen Rentenwert und wirkt „aufpreissteigend“. Ebenso wäre es denkbar, die künftige Rentenhöhe in der gesetzlichen Rentenversicherung prognostisch zu ermitteln. Für die nächsten 15 Jahre liefert ein Bericht der gesetzlichen Rentenversicherung hierfür Anhaltspunkte. Ob (und wie) Gerichte für noch spätere Zeitpunkte selbst weiterprognostizieren werden, bleibt abzuwarten. Durch die prognostiziert höheren aktuellen Rentenwerte steigt die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, wodurch der „Aufpreis“ absinkt.

 

Versicherungsförmiger Zielversorgungsträger: Hier kommt eine Berechnung der erwartbaren Renten auf Basis der garantierten Werte oder mit Überschüssen (in der Anwartschaftsphase) in Betracht. Nach Einschätzung von Willis Towers Watson ist letzteres zu bevorzugen. Spiegelbildlich stellt sich dieselbe Frage auch, wenn Versorgungen extern zu teilen sind, deren Höhe von der Leistung einer Rückdeckungsversicherung abhängt.

 

Umsetzung des Vergleichs: Zu beobachten ist, ob Gerichte es der Einfachheit halber akzeptieren, strukturell unterschiedliche Renten zu vergleichen. Der „handhabbarste“ denkbare Ansatz wäre es, beim betrieblichen Versorgungsträger die Altersrente nach tatsächlicher Handhabung bei interner Teilung, d.h. mit der festen Altersgrenze nach der Versorgungszusage und dem Leistungsspektrum nach Teilungsordnung des abgebenden Versorgungsträgers anzusetzen.

 

Auf der anderen Seite des Vergleichs stehen dann eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (mit aktuellem oder prognostiziert späterem) aktuellem Rentenwert, mit vollem Leistungsspektrum und gesetzlicher Regelaltersgrenze, eine reine Altersleistung ohne Risikoleistungen der Versorgungsausgleichskasse (mit oder ohne Überschüssen gerechnet) mit Altersgrenze 65 und eine ggf. wieder andere Leistung eines etwa gewählten Zielversorgungsträgers.

 

Sofern insoweit auf der Ebene der Leistungen, die nicht um mehr als zehn Prozent in ihrer nominalen Höhe divergieren dürfen, mehr Exaktheit verlangt würde (z.B. Vergleich zu einer noch vorzugebenden jeweils gleichen Altersgrenze oder etwaige Vorgaben hinsichtlich eines Gleichlaufs bei Risikoleistungen), würde die schon jetzt zu erwartende hohe Komplexität noch weiter ansteigen.

 

Wirtschaftliche Folgen – Ersteinschätzung

 

Nach ersten Berechnungen ist davon auszugehen, dass die gesetzliche Rentenversicherung gegenüber der Versorgungsausgleichskasse bzw. anderen versicherungsförmigen Zielversorgungsträgern den Ausgleichswert in eine höhere Rente umsetzen wird (unabhängig von der Frage nach Überschussberücksichtigung oder nicht).

 

Ausgehend von der Annahme, dass von Familiengerichten tatsächlich der aufnahmebereite Zielversorgungsträger mit dem „niedrigsten“ Aufpreis zu wählen ist, wäre damit vorbehaltlich Sonderfällen, in denen Ausgleichsberechtigte dort nicht aufgenommen werden können (etwa weil sie dort bereits eine Rente beziehen), die Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung der Vergleichsmaßstab.

 

Nach ersten Probeberechnungen führen anhand des Rentenversicherungsberichts bis 2033 prognostizierte aktuelle Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung nur zu marginalen Aufpreisen. Sollte sich diese bislang nicht repräsentative Ergebnislage erhärten lassen, bliebe die externe Teilung jedenfalls wirtschaftlich im derzeitigen Umfeld möglich, sofern sachgerechte Aussagen zur betrieblichen Rente getroffen werden können und Aufnahmebereitschaft auf Seiten der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.

 

Fazit

 

Positiv ist vor allem, dass das BVerfG die berechtigten Belange der Versorgungsträger ausdrücklich als legitim anerkannt und mit berücksichtigt hat. Das legitime Interesse nach einer für den Arbeitgeber aufwandsneutralen Teilung wurde vom BVerfG zumindest ausführlich gewürdigt. In der betrieblichen Praxis teilen gut zwei Drittel (68 Prozent) der Versorgungsträger soweit möglich extern. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) wünschen sich die unveränderte Beibehaltung der externen Teilung nach § 17 VersAusglG, wie kürzlich eine Studie von Willis Towers Watson zeigte.

 

Für die bAV weniger schön ist, dass der nun vom BVerfG vorgegebene Ausgleich der Interessen des Versorgungsträgers und des Ausgleichsberechtigten auch im besten Fall einer weiter ohne „Aufpreis“ erfolgenden externen Teilung nach § 17 VersAusglG befürchten lässt, dass der mittlere Aufwand von Auskunftserteilungen bei externer Teilung weiter ansteigen wird.

 

Bereits heute beträgt dieser eine bis fünf Stunden pro Vorgang (wie 72 Prozent der Befragten insgesamt und 79 Prozent der Befragten mit externer Teilung in der Willis-Towers-Watson-Studie angaben). Die mit diesen neuen Anforderungen verbundene weitere Komplexitätssteigerung für die Durchführung einer bAV steht deren weiterer zuletzt von der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ geforderter massiver Verbreitung eher entgegen.

 

Positiv – in Anbetracht der intensiven Diskussionen zu diesem Punkt war dies nicht ohne weiteres zu erwarten – ist demgegenüber, dass das BVerfG § 17 VersAusglG als grundsätzlich verfassungsgemäß eingestuft hat. Andernfalls hätte auch die Forderung nach einer Rückabwicklung sämtlicher in den letzten zehn Jahren extern geteilter Vorgänge im Raum stehen können. Die dabei auftretenden Folgefragen – etwa danach, wie nun zurückfließende Gelder sinnvoll nachträglich z.B. in fondsorientierte Finanzierungskonzepte eingebunden werden könnten – hätten zu ganz erheblichen Umsetzungsproblemen geführt. Im Gegensatz zum möglichen „Worst Case“ ist die nun zu befürchtende Aufwandssteigerung bei aus Sicht des BVerfG übermäßigen Transferverlusten zwar alles andere als wünschenswert, aber im Ergebnis deutlich besser praktisch umsetzbar. Allerdings sind bei externer Teilung die diesbezüglichen Prozesse auf Seiten der Versorgungsträger entsprechend anzupassen, um zumindest einen möglichst aufwandsarmen Verfahrensablauf zu ermöglichen.

 

Michael Karst ist Leiter Recht/Steuern/ Rechnungslegung im Geschäftsbereich Retirement der Willis Towers Watson Deutschland
.

 

Andreas Hufer ist Rechtsanwalt und Versorgungsausgleichsexperte bei der Willis Towers Watson Deutschland
.

 

Von ihnen beziehungsweise anderen Autorinnen und Autoren von Willis Towers Watson sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

 

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Der Versorgungsausgleich in der bAV-Realität (III):
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Alf Gohdes im Interview: „…nach dem Motto ‚Jugend forscht’“
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EIOPA und das Pan-European Personal Pension Product:
„So schlicht wie blauäugig“

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LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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