Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Hallo, BMAS? Und Wunder über Wunder!

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Von Frauen und ihrer Altersvorsorge, steigendem Druck im Wohnungskessel und drei Tagen im September, von bedingtem Vorsatz – und warum doppelt besser hält.

 

Fidelity (8. März): „Umfrage – Nur jede vierte Frau erwartet, ihre Wunschrente zu erreichen.“

Hier eine Umfrage der Fidelity, derzufolge nur jede vierte Frau erwartet, ihre Wunschrente zu erreichen. Bei Männern sind es fast die Hälfte. Im Durchschnitt sparen Frauen auch jährlich über 500 Euro weniger für die Altersvorsorge (2.076 vs. 1.534 Euro), und nur jede Dritte kalkuliert die längere Lebenserwartung von Frauen ein, derzeit ca. 83 Jahre.

Es wäre ein Fehler, die Problematik vornehmlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, als würden in Deutschland Frauen mit Masse für die gleiche Arbeit weniger Lohn und Gehalt bekommen als Männer. Wo soll das denn der Fall sein? Im Staatsdienst wie im öffentlichen Dienst schonmal auf keinen Fall, in der von Tarifverträgen erfassten Privatwirtschaft auch nicht. Man dürfte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland keinen Tarifvertrag finden, der Frauen bei gleicher Tätigkeit weniger Entgelt zubilligt. Und bei allen Selbständigen gibt es weder Lohn noch Gehalt, sondern individuellen Geschäftserfolg. Bleibt also nur der recht kleine Ausschnitt der nicht tariflich erfassten Unternehmen und der Führungskräfte, und ob dort wirklich im grossen Stil Frauen benachteiligt werden, darüber lässt sich nur mutmaßen. Besonders in großen Unternehmen können viele vom Gegenteil berichten.

Wie auch eine IW-Expertin jüngst darlegte, liegt das Problem vielmehr in den unterschiedlichen Erwerbsbiographien, die bei Frauen weniger kontinuierlich und weniger erfolgsgetrieben sind, aus den unterschiedlichsten Gründen. Manches davon lässt sich staatlich regeln, manches eher nicht. Entsprechend ist das Thema „Frauen und Altersvorsorge“ bzw. „Frauen und bAV“ schon länger und häufiger Topic auf LbAV, gestern erst wieder, vergangene Woche auch sowie Mitte Februar, und dort werden wichtige Aspekte der Problematik beleuchtet.

 

BaFin (8. März): „Änderung der Technischen Regulierungsstandards zur EU-OffenlegungsV: BaFin erläutert ihre Erwartungen.“

Die BaFin hat sich kurzfristig veranlasst gesehen, ihre „Fragen und Antworten zur EU-Offenlegungsverordnung“ anzupassen. Hintergrund: Die Europäische Kommission hat die Anhänge II bis V (erweiterte Angaben zu taxonomiekonformen Investitionen in fossiles Gas und Kernenergie) der RTS zur OffenlegungsV kurzfristig durch die Delegierte Verordnung (EU) 2023/363 geändert. Diese erschien am 17. Februar 2023 im EU-Amtsblatt und war bereits drei Tage später anzuwenden.

Die BaFin schreibt dazu:

Abweichend von dem üblichen Verfahren, eine mehrmonatige Umsetzungsfrist bei Offenlegungspflichten zu regeln, enthält die Delegierte Verordnung kein separates Umsetzungsdatum. Dies hat zur Folge, dass Finanzmarktteilnehmern lediglich drei Tage Zeit eingeräumt wurde, ihre Systeme und Prozesse für die neuen Angaben zu taxonomiekonformen Investitionen jeweils in den Bereichen fossiles Gas und Kernenergie umzustellen.“

Doch was zählt ist aufm (heimischen) Verwaltungsplatz, denn mit Blick auf die 2023/363 schreibt die deutsche Aufsicht weiter:

Bei der Überprüfung der Einhaltung der Anforderungen von Artikel 8 und 9 Offenlegungsverordnung in Bezug auf die vorvertraglichen Informationen in Umsetzung der Vorgaben der Delegierten Verordnung (EU) 2023/363 wird die BaFin in ihrer Verwaltungspraxis die Umsetzung der Vorgaben der Delegierten Verordnung (EU) 2023/363 ab dem 01.09.2023 berücksichtigen.“

Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Com die RTS erneut anfassen muss. Erst im Januar musste LbAV angesichts eines Nachbesserns der Com bei den RTS auf die alte rheinische Weisheit „Viel gut wird viel schlecht“ verweisen.

Jedenfalls scheint der Drang der europäischen Regulierung, überraschende Haken zu schlagen und ständig komplizierter zu werden, ungebrochen. Das macht offenkundig auch vor denen nicht halt, die diese Regulierung auf nationaler Ebene umzusetzen zu haben – jedenfalls ist man auch dort wie viele andere auf dem Parkett bestrebt, bei einer derzeit wirklich äußerst knappen HR-Ressource nachzulegen.

 

Die Welt (8. März): „27 Prozent teurer binnen drei Monaten – Mietpreise in Berlin auf Höchststand.“

Dass die Wohnungsfrage für die deutsche Politik zu einem der dominanten Überthemen werden wird (mit entsprechenden Folgen für die diesbezügliche Asset-Klasse), ist mittlerweile schon fast ein altes Kassandrisches Axiom. Und offenkundig nimmt der Druck im Kessel schon jetzt jeden Tag zu – obwohl wir, wie die geneigte LbAV-Leserschaft weiss, erst am Anfang der Entwicklung stehen.

 

Berliner Zeitung: (10. März): „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz: Scholz rechnet mit Wachstum wie zu Zeiten des ‚Wirtschaftswunders‘.“

Seine Partei hat ja bekanntlich schon viele Weltökonomen hervorgebracht. Mit ihm reift nun offenbar der nächste heran.

Nun, wenn er meint, dass solche Mega-Aufgaben zu Wirtschaftswundern führen, dann kann dem Manne mit noch mehr geholfen werden. Hinzu treten ja der Sanierungsstau sämtlicher Infrastruktur dieses zunehmend aus allen Nähten platzen Landes, der Wunsch von Bundesregierung und EU-Kommission nach dem mittelfristigen Austausch des gesamten Heizungssystems der deutschen Wohnimmobilien samt CO2-Neutralität, der absehbar auch von Deutschland zu stemmende Wiederaufbau der Ukraine, die Modernisierung der Bundeswehr, die klimagerechte Umstellung der gesamten Energieversorgung, dieses Landes, die freundlich ausgedrückt, politisch gewünschte „Umindustrialisierung“ weg vom Verbrennungsmotor, der unerlässlichen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus, Aufholen bei der lange verschleppten Digitalisierung … Ach, die Liste ließe sich weit fortsetzen. Raum für viele reich machende Sondervermögen. Oder kürzer in der uns allen hier fremden Fachsprache von Weltökonomen wie Olaf Scholz:

VierfachWummsWummsWummsWummhochdrei.

Wie dem auch sei, mit einem Aspekt hat Scholz jedenfalls recht:

Wundern wird man sich in diesem Land noch viel.

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

 

Die Welt (6. März): „Letzte Generation: ‚Müssen riskieren, dass Menschen durch unsere Aktionen sterben‘.“

Es sei daran erinnert, dass die deutsche Rechtsprechung – endlich und richtigerweise übrigens – bei Raserei im Straßenverkehr den Begriff des „bedingten Vorsatzes“ zunehmend extensiv auslegt und damit zuweilen schon BGH-fest auf Mord erkannt hat (hier ein laufendes Verfahren zu einem besonders abscheulichen Fall).

Vorsatz allein ist zwar kein Mordmerkmal, aber für den Tatbestand Totschlag könnte es dann allemal reichen, sollten dereinst bei solchen Klima-Protesten Menschen zu Tode kommen und ein Gericht – erst recht nach diesen nun öffentlich für immer dokumentierten Aussagen des in dem Welt-Beitrag zitierten „Aktivisten“ – auf bedingten Vorsatz erkennen. Wenn dann bspw. Straßensperren als „gemeingefährlich“ eingestuft werden, dann gibt es noch mehr.

 

Achtung Reichelt (8. März): „Geheim-Liste – Regierung bezahlte 116 Journalisten von ARD & ZDF.“

Es ging – wenn auch mit der gebotenen Zurückhaltung – durch die Presse: Die Bundesregierung (und wer weiss noch alles aus dieser Sphäre in Bund und Ländern) hat Journalisten für freundliche Interview- und Moderatoren-Dienste angeheuert und mit Steuergeld bezahlt – und das nicht zu knapp.

Die so mit Steuergeldern fürstlich Bedachten sind übrigens meist solche, die bereits mit Zwangsgebühren des „teuersten Staatsfunks der Welt“ (FAZ) bedacht werden, bekanntlich meist ebenfalls fürstlich, besonders betreffend ihrer bAV). Doppelt hält offenbar besser, v.a. wenn man sich keinerlei marktwirtschaftlichem Wettbewerb zu stellen hat, sondern mittelbar von Geldern derjenigen lebt, die genau dies Tag für Tag tun.

Viel mehr muss man zu dieser demokratiepolitisch äußerst unappetitlichen Angelegenheit gar nicht schreiben. Denn wunderbar aufgespiesst in seiner üblichen Mischung aus Entertainment, Polemik und Sachkunde hat dies der (nicht mehr ganz) neue Shooting-Star am deutschen Youtube-Himmel, der ehem. Bild-Chef Julian Reichelt.

Der eigentliche Skandal ist ohnehin ein ganz anderer: Ausgerechnet Kassandra hat noch keiner für eine schöne Moderation angefragt. Woran mag das nur liegen? Hallo, BMAS? Der Fachdialog würde sich doch wunderbar anbieten. Und der Kröte Linientreue ist doch Legion!

Seltsam.

Vielleicht zu hässlich.

Vermutlich sogar.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Kassandra bei der Arbeit.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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