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BGH, GGF, Insolvenz und Pfändung:

Hätten Sie gewusst …

, ob die Kapitalleistung aus einer zur Sicherung seiner Pensionszusage verpfändeten Lebensversicherung bei Privat-Insolvenz des ehemaligen GGF geschützt ist? Vanessa Angel gibt Antwort.

 

Vanessa Angel, Longial.

Komplizierte Frage, wenn es unterschiedliche Schutzvorschriften gibt. Vor allem, wenn die Voraussetzungen für den speziellen Pfändungsschutz für Altersrenten von Selbstständigen wegen der strengen Anforderungen nicht erfüllt sind. Ist jetzt sämtlicher Schutz verloren? Nein, so der BGH.

 

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. April 2021 (IX ZB 25/20) hatte der Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) einer GmbH von dieser eine Versorgung erhalten. Sie sagte ihm ab Erreichen des 65. Lebensjahres eine monatliche Rente oder wahlweise einen Kapitalbetrag zu. Zur Sicherheit erhielt er an den von der GmbH zur Finanzierung der Zusage abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen ein Pfandrecht.

 

Als über sein Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wurde, bezieht der ehemalige Geschäftsführer bereits Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Versicherer der verpfändeten RDV zahlt die zwischenzeitlich fällig gewordenen Leistungen auf ein vom Insolvenzverwalter eingerichtetes Anderkonto.

 

Allein durch diese Zahlung, so der BGH, ist der Anspruch des Schuldners noch nicht erloschen, da allein der Insolvenzverwalter als Kontoinhaber berechtigt ist und damit das Geld nicht Bestandteil der Insolvenzmasse wurde.

 

Nur auf Antrag

 

Der BGH verneint zwar einen Pfändungsschutz aus § 851 c Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), da hier im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein Kapitalwahlrecht ausgeübt werden könne.

 

Allerdings erlaubt er, einen Pfändungsschutz über § 850 i Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO zu prüfen. Dieser werde nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen des speziell für Altersvorsorgeleistungen vorgesehenen § 851 c ZPO nicht vorliegen. Die Gläubigerinteressen müssen also auch vor dem Hintergrund des über diesen Paragraphen eröffneten Pfändungsschutzes zurücktreten – allerdings in einem eingeschränkten Rahmen. So besteht kein automatischer Schutz, sondern der Schuldner muss rechtzeitig einen Antrag stellen. Der Schutz ist auf eine angemessene Zeitspanne und einen angemessenen Betrag beschränkt, der gewährleisten soll, dass das Existenzminimum des Schuldners gesichert und er nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist.

 

 

 

 

 

Der BGH legt den Begriff ‚eigenständig erwirtschaftete Einkünfte‘ weit aus.“

 

 

 

 

§ 850 i ZPO will sonstige Einkünfte schützen, die Selbstständige aus nicht-abhängiger Tätigkeit erzielen. Insbesondere alle „eigenständig erwirtschafteten Einkünfte“. Einkünfte, die er nicht selbst erzielt hat, wie Geschenke, Lottogewinne und Ansprüche aus Erbschaften, sind nicht umfasst.

 

 

Der BGH im Erbgrossherzoglichen Palais. Foto: Joe Miletzki.

Der BGH legt den Begriff „eigenständig erwirtschaftete Einkünfte“ weit aus. Die zugesagte Altersleistung beurteilt er als Gegenleistung für die Tätigkeit des Schuldners innerhalb seines ehemaligen Dienstverhältnisses. Somit sieht das Gericht auch die Ansprüche aus den an den Schuldner verpfändeten RDV vollstreckungsrechtlich als von ihm selbst erwirtschaftete Einkünfte an.

 

Inwieweit der Schutz bei verpfändeten Lebensversicherungen mit Kapitalwahlrecht tatsächlich besteht, muss im zugrunde liegenden Fall noch detailliert geprüft werden. Dass ein Schutz grundsätzlich auch in dieser Konstellation besteht, steht jedoch fest.

 

Die Autorin ist Syndikusrechtsanwältin bei der Longial GmbH.

 

Von ihr bzw. anderen Autorinnen und Autoren der Longial sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

ChatGPT und die bAV:

Once upon a time in the future

von Mathias Nolle, 25. Mai 2023

 

Urteil zum Versorgungsausgleich:

Bis dass der Tod euch ausgleicht

von Vanessa Angel, 22. Februar 2023

 

Von der Ertragssteuerbilanz zum Erwerbsfolgegewinn:

bAV bitte nicht behindern!

von Michael Gerhard, 23. Mai 2022

 

BGH, GGF, Insolvenz und Pfändung:

Hätten Sie gewusst ...

von Vanessa Angel, 29. November 2021


Absenkung der BBG ab 2022 – Willkommen im Dschungel (III):

Keine Rechtsgrundlage, geringe Auswirkungen“

von Michael Hoppstädter, 26. Oktober 2021

 

Absenkung der BBG ab 2022 – Willkommen im Dschungel (II):

Kein Erfüllungsaufwand?

von Michael Hoppstädter, 14. Oktober 2021

 

Wertguthabenkonten bei Arbeitnehmer-Ehegatten im Fremdvergleich:

Chancen nur auf einer Seite?

von Michael Gerhard, 25. Mai 2021

 

Versorgungsausgleich:

BilMoG-Zins weiter verwendbar

von Vanessa Angel, 10. Mai 2016

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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