Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

EIOPA zur Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie (II):

Gut gemeinte Ratschläge…

aus dem Frankfurter Westhafen stoßen auf dem Pensions-Parkett wenig überraschend selten auf Begeisterung. Das ist auch bei dem jüngsten Vorstoß der europäischen Aufsichtsbehörde, eine Richtlinie von 50 Seiten Umfang nun auf 200 Seiten zu erläutern, nicht anders. Die Verbände der betroffenen Einrichtungen in Berlin und Brüssel reagieren ablehnend.

 

Wie gestern berichtet, hat die EIOPA jüngst vier Stellungnahmen bzw. Meinungen („Opinions) veröffentlicht, um, wie sie schrieb, „die zuständigen nationalen Behörden bei der Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie zu unterstützen“.

 

Mit einer ersten Analyse hat sich die aba der Sache kurzfristig angenommen, und die Begeisterung hält sich in Grenzen:

 

Grundsätzlich kritisiert die Arbeitsgemeinschaft, dass das EIOPA-Ziel einer europaweiten Konvergenz der Aufsicht („supervisory convergence“) sich nicht vertrage mit dem grundsätzlichen Charakter der EbAV-II-Richtlinie im Sinne einer EU-Mindestharmonisierung. Diesem Charakter zufolge gibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, über diese hinaus zu gehen und passend zu ihrem Arbeits- und Sozialrecht die Anforderungen an EbAV festzulegen. „Die EbAV-II-RL legt damit die Grundlage für eine aufsichtsrechtliche Vielfalt in der EU“, schreibt die aba in einer ersten Reaktion auf die eiopaischen Ideen, und EIOPAs Bestreben, über die vier Stellungnahmen aufsichtsrechtliche Konvergenz zu fördern, ist mit diesem Ansatz nicht vereinbar.“

 

Konkrete Kritik übt die aba erneut an dem alten Bekannten namens Common Framework:

 

Bei den technischen Spezifikationen zum Gemeinsamen Rahmen dürfte es sich weitgehend um die Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der EU-Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Versicherungsaufsichts-RL 2009/138/EG handeln, wobei man Vergünstigungen, die seitdem für Qualifying Infrastructure, Long-term Equity etc. bei den Versicherern geschaffen wurden, wohl nicht berücksichtigt hat. Damit bleibt die Kritik, die die aba am Gemeinsamen Rahmen und den Vorgänger-Vorschlägen geübt hat, weiter bestehen.“

 

PE: Das ist nicht Mindestsharmonisierung!

 

EIOPA’s four opinions on the implementation of the IORP II Directive do not reflect the minimum-harmonization character of the Directive.“

 

So übertitelt der europäische bAV-Verband PensionsEurope seinen Kommentar zu dem Vorstoß der EIOPA. Ähnlich wie die aba betont der Verband, dass die Richtlinie den nationalen Regierungen erheblichen Spielraum zur Umsetzung eingeräumt habe, jedoch die EIOPA-Stellungnahmen hierfür zu beschreibend seien und just auf einem harmonisierten Rahmen für die Risikobewertung beruhten, der von den Mitgesetzgebern bereits abgelehnt wurde: dem Common Framework (Anm.: diese Kritik am Common Framework ist anhaltend. Bekanntlich hatten aba, AKA und zahlreiche weitere deutsche Stakeholder bereits während der Diskussion um die Umsetzung der EbAV-II-RL in deutsches Recht den hier relevanten Paragraphen 234d VAG in diesem Sinne kritisiert).

 

Weiter betont PensionsEurope, dass die Richtlinie gerade keine delegierten Rechtsakte vorsieht. Doch auch wenn die vier Stellungnahmen nicht verbindlich sind, übe die EIOPA damit Druck auf die nationalen Aufsichten aus:

 

EIOPA puts pressure on national supervisory authorities by providing detailed guidance, monitoring and following up on implementation. We fear that this will lead to supervisory authorities following the opinions, even when this would not be adequate for their national contexts.“

 

Ergebnis wäre, dass längst verworfene Aufsichtsanforderungen durch die Hintertür eingeführt würden. Risikomanagement sei für EbAV zwar von wesentlicher Bedeutung, und sie sollten – proportional zu ihrer Größe und dem ihrer Aktivitäten – eine eigene Risikobewertung regelmäßig durchführen und dokumentieren. PensionsEurope spricht sich jedoch nachdrücklich gegen den Common Framework aus, der zahlreiche Mängel aufweise und keinen Mehrwert bringe.

 

Completely against“

 

Janwillem Bouma, Pensions Europe.

Janwillem Bouma, Vorsitzender von PensionsEurope, wählte in einer Stellungnahme klare Worte:

 

EIOPA should keep in mind that the IORP landscape is very diverse and national supervisors need latitude to implement the Directive in their domestic context. The IORP II Directive is clear in this regard: it is not appropriate to adopt a ‚one-size-fits-all‘ approach to IORPs. While appropriate supervision is key for secure occupational retirement provision, we believe that national supervisory authorities are best placed to decide on the appropriate risk-management framework. The Common Framework was rejected in the debate on IORP II and should not be introduced through the backdoor, leading to unnecessary cost at the expense of pension fund members. PensionsEurope does not see any benefit from EIOPA continuing to work on the Common Framework and is completely against its application in this or any other context.“

 

Supervisors should not push pension funds“

 

Einige Formulierungen in den EIOPA-Stellungnahmen kritisiert der Verband im weiteren Verlauf konkret:

 

Wenn die EIOPA schreibt, dass „the IORP II Directive requires IORPs to take into consideration ESG factors“, werde der Rechtsrahmen der Richtlinie falsch dargestellt. Denn deren Artikel 19 schreibe lediglich vor, dass „im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht dieMitgliedstaaten es den EbAV gestatten,den möglichen langfristigen Auswirkungen der Anlageentscheidungen auf ökologische, soziale und dieUnternehmensführung betreffende Faktoren Rechnung zu tragen.“

 

Darüber hinaus werde in der Richtlinie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass EbAV die Einbeziehung von ESG-Faktoren in Investitionsentscheidungen ablehnen können, was in der Stellungnahme überhaupt nicht erwähnt werde.

 

Ferner kritisiert der Verband, dass die nationalen Aufsichten von EIOPA aufgefordert werden, EbAV zu ermutigen, „to take into account the potential long-term impact of investment decisions on ESG factors in order to support society’s sustainability goals.“

 

Hier sieht PensionsEurope sich veranlasst, eine Sache klarzustellen, die eigentlich selbstverständlich sein sollte: dass es die Hauptaufgabe einer EbAV bleibe, ihren Berechtigten gute Renten zu sichern, und „any societal objectives can be adopted voluntarily, but should not be forced upon pension funds by supervisors.“

 

Matti Leppälä, PensionsEurope.

Matti Leppälä, Generalsekretär der PensionsEurope, bringt es auf den Punkt:

 

If you invest for the long run like a pension fund, ESG risks like climate change should receive attention as part of risk management. However, it remains up to the pension fund to decide whether the incorporation of ESG factors leads to better risk-adjust returns. We also believe supervisors should not push pension funds towards impact investing. The role of pension funds remains to achieve good pensions for their members and any consideration of societal sustainability objective should remain purely voluntary.”

 

Volltreffer in Deutschland?

 

Georg Thurnes, Aon.

Gerade aus deutscher Sicht sollte die Entwicklung im Auge behalten werden. Schließlich könnte die absehbare Ambition der EIOPA (die niemanden überraschen kann), auch ohne delegierte Rechtsakte die Weichen für die nationale Aufsichten zu stellen, für deutsche EbAV besonders intensive Wirkung entfalten. Grund ist, dass der deutsche Gesetzgeber – so ein häufiger Vorwurf auf dem Parkett – die Spielräume der Richtlinie in der Umsetzung nicht genutzt und es mit einer schlichten 1:1-Umsetzung der Aufsicht überlassen habe, diese Spielräume nun mit Leben zu füllen (aba-Chef Georg Thurnes hat diese Problematik in der erste Ausgabe der Tactical Advantage ausdrücklich dargelegt).

 

Im Mai hatte Thurnes in besagter Tactical Advantage angesichts der Lücken, welche der Gesetzgeber hinterlassen hat, geschrieben:

 

Das Ausfüllen soll scheinbar nun allein die BaFin leisten, die um diese Aufgabe nicht zu beneiden ist. Denn die Anstalt muss nun zwischen unseren nationalen Belangen und den Vorschlägen der ihr in gewisser Weise übergeordneten EIOPA balancieren. Die Informationspflichten muten da noch vergleichsweise harmlos an. Die zu erwartenden Vorgaben zu den zu veröffentlichenden Erklärungen über die Grundsätze der Anlagepolitik und vor allem zur ORA, der eigenen Risikobeurteilung, hinter denen unverändert die von der EIOPA unnachgiebig verfolgte Idee des Common Frameworks beziehungsweise der Holistischen Bilanz droht, bilden da noch ganz andere Hausnummern.“

 

Just diese Prognose Thurnesens scheint sich nun in einem ersten Schritt zu verwirklichen, nämlich durch die Stellungnahmen der EIOPA, die vor allem in Deutschland ein Vakuum füllen, das der nationale Gesetzgeber hinterlassen hat. Ob und wie die BaFin in einem zweiten Schritt nun damit umgeht, wird man sehen. Auch Kritik des Bundesrates an diesen Defiziten in der Umsetzung – hier betreffend just den nicht geregelten Umgang der BaFin mit EIOPA-Vorgaben – hatte die Bundesregierung schnöde zurückgewiesen. Dabei hatte die zweite Kammer auch darauf verwiesen, dass einer Studie zufolge die BaFin den Leitlinien und Empfehlungen, mit denen die EIOPA im Rahmen der Level-3-Regulierung in den letzten Jahren erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der nationalen Aufsichten genommen habe, in rund 99% der Fälle folge.

 

Frank Grund, BaFin. Foto: Frank Beer.

Immerhin, im November 2018 hatte BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund auf der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht geäußert:

 

Bei der Anwendung von EIOPA-Vorgaben auf deutsche Unternehmen werden wir sorgfältig deren Vereinbarkeit mit den besonderen Anforderungen der deutschen bAV prüfen. Auch die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen ein marktwertbasiertes Solvenzregime – Stichwort Common Framework – werden wir in unserer Aufsichtspraxis berücksichtigen.“

 

Zum Abschluss noch zur Relevanz der EIOPA-Stellungnahmen für deutsche EbAV: Wie die aba erläutert, ist die Grundlage für die jetzigen EIOPA-Stellungnahmen Art. 29 EIOPA-Verordnung. Während sich Leitlinien (Art. 16 EIOPA-Verordnung) an die nationalen Aufsichten und Unternehmen richten und im VAG (§ 329 VAG) zur Umsetzung ein Comply-or-Explain-Verfahren vorgesehen ist, ist dies bei Stellungnahmen für die nationalen Aufsichten nicht der Fall. In Art. 29 (1) a EIOPA-Verordnung heißt es, dass EIOPA mit der Abgabe von Stellungnahmen „bei der Schaffung einer gemeinsamen Aufsichtskultur in der Union und einer Kohärenz der Aufsichtspraktiken sowie bei der Gewährleistung einheitlicher Verfahren und kohärenter Vorgehensweisen in der gesamten Union eine aktive Rolle“ spielt. Stellungnahmen sind für die nationalen Aufsichten nicht bindend, auch muss eine Nicht-Befolgung nicht erläutert werden.

 

Man wird sehen, wie man in Bonn damit umgeht.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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