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Zwei Studien:

Großes Rad und Kreislauf first

Wer in der LbAV-Leserschaft nochmal die Bestätigung sucht, auf einem Parkett zur arbeiten, das ein großen Rad dreht, ist hier heute richtig. Außerdem veröffentlicht ein Asset Manager Ergebnisse seines European ESG-ETF-Barometers. Dabei zeigt sich eine besondere Vorliebe deutscher Investoren.

 

Zum ersten: Die BNP Paribas Asset Management hat heute ihre Ergebnisse des European ESG-ETF-Barometers veröffentlicht. Zwei Kernergebnisse:

 

  • Deutsche Investoren achten im europäischen Vergleich bevorzugt auf ESG-Labels und -ratings

  • Bei Investmentthemen kommt das stärkste Interesse für Kreislaufwirtschaft aus Deutschland


Für das Barometer wurden 250 Investmentmanager von Versicherungen, Pensionsfonds, Vermögensverwaltern und Wealth Managern in FR, GER, IT, CH und UK befragt – nach ihrer Meinung über die Entwicklung der ETF-Landschaft. Die wichtigsten Ergebnissen:


Anleger erwarten weiteres Wachstum bei ESG-ETFs


Das European ESG-ETF-Barometer ergab, dass, nach Investorentyp betrachtet, die Asset Owners die Aussichten für ESG-ETFs besonders optimistisch einschätzen. 91% der Befragten erwarten, dass der Anteil des in ESG-ETFs gehaltenen Vermögens stabil bleibt oder wächst.

 

Nach Ländern betrachtet waren die Befragten im Vereinigten Königreich (96%) und in Italien (96%) am positivsten hinsichtlich der Wachstumsaussichten für die Anlageklasse. Im Einklang mit diesen Ergebnissen erwarten nur 6% aller Befragten, dass der Wert von ESG-Anlagen in den nächsten 12 Monaten deutlich sinken wird.


ESG-Qualifikation der Vermögensverwalter wichtig


Bei der Auswahl von ESG-ETFs ist die Glaubwürdigkeit der Vermögensverwalter offenbar ein Hauptkriterium für die Entscheidung der Investoren, in welche ETFs sie investieren wollen. 57% der Investoren zählten dies zu ihren drei wichtigsten Kriterien.


Und: In Deutschland und der Schweiz messen die Befragten ESG-Fonds-Labels und -Zertifizierungen am meisten Bedeutung bei: 46% in beiden Ländern gaben an, dass diese zu ihren drei wichtigsten Prioritäten gehören.


Stärkerer Fokus auf soziale Themen gewünscht


Ein kleiner Zwie
spalt zwischen E und S? Jedenfalls wünschten sich 43% der Befragten einen stärkeren Fokus auf Arbeitnehmerrechte und 42% auf die Vielfalt in den Vorständen.

 

Quelle: BNP Paribas. Grafik zur Volldarstellung und weiteren Informationen als pdf anklicken.


Die befragten Vermögensverwalter konzentrierten sich jedoch mehr auf Umweltthemen: 55% gaben an, dass sie eine stärkere Offenlegung der Klimaauswirkungen wünschen. Der Fokus bei Engagement und Stimmrechtsausübung („Stewardship”) liegt für sie bei den Treibhausgasemissionen.

 

Unterscheiden je nach Kundentyp und Land


Bei den Präferenzen für die ESG-Integration gab es bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Kundentypen und Ländern. Ein thematischer Ansatz für ESG-Investitionen wurde von den Befragten aus der Schweiz (72%) und dem Vereinigten Königreich (68%) als wichtig erachtet, von den Befragten aus Frankreich (36 %) hingegen weniger.


Die Befragten aus dem Wealth Management (63%) nannten Impact Investing am häufigsten als wichtig, während Vermögensverwalter (57%) Engagement und Stewardship als wichtigste Aspekt der ESG-Integration ansehen.

 

Nichts verkommen lassen


Auf die Frage, für welche Themen sie sich am meisten interessieren, war der Appetit der Befragten auf die Kreislaufwirtschaft am größten.


Insgesamt gehen 61% der Befragten davon aus, dass dies in den nächsten 12 Monaten ihr Hauptaugenmerk sein wird, wobei die größte Nachfrage von den Befragten in Deutschland (88%), Frankreich (66%) und Italien (62%) gesehen wird. Neben der blauen, also ozeanischen Wirtschaft erwies sich die Kreislaufwirtschaft als besonders beliebt bei den Asset Owners, während Vermögensverwalter und Wealth Manager den Zugang zu Bildung als wichtigen Schwerpunkt für ihre thematischen ESG-Investitionen ansehen.


Die Studie wurde erstmals im April dieses Jahres durchgeführt und soll alle zwei Jahre wiederholt werden.


Pensions & Insurance: 3,3 Billionen Euro auf der Waage – und Trend zum Indirekten


Zum zweiten: Die Finanzaktiva und Fondsquote von EbAV und Versicherungen erreichen ein Rekordhoch, hat der Consultant Kommalpha ermittelt.


Im Einzelnen: EbAV und Versicherungen sind die mit Abstand größten Investorensegmente im deutschen Asset-Management-Markt. Die Summe der Finanzaktiva beträgt per Ende 2021 satte 3.293 Mrd. Euro. Und dabei beschränkt sich die Studie auf die bAV im engeren Sinne mit Deckungsmitteln von knapp 700 Mrd. Euro. Bei einer Abgrenzung im weiteren Sinne käme man hier vermutlich auf einen Billionenwert (s. Verlinkungen am Ende des Beitrages):

Quelle: Kommalpha AG. Grafik zur Volldarstellung anklicken.


Investmentfonds und insb. Spezialfonds sind dabei die deutlich dominierende Anlageform der Kapitalanlagen. Seit 2005 wurden 60% des enormen Wachstums der Finanzaktiva in Investmentfonds allokiert. Das zeigt den Trend zur Verlagerung von der direkten zur indirekten Kapitalanlage bei verbindlichkeitsorientierten Investoren.

 

EbAV wachsen am schnellsten


Die erwähnte Summe der Finanzaktiva von 3.293,4 Mrd. Euro hat sich in den letzten 16 Jahren um über 1.659 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. EbAV sind dabei das Investorensegment mit den in Relation größten Wachstumsraten der Finanzaktiva.


Investmentfondsanteile sind mit 1.364 Mrd. Euro und einem Anteil von über 41% die deutlich dominierende Anlageform der Finanzanlagen der gesamten Betrachtungsgruppe. Die Entwicklung ist dabei eindrucksvoll, stieg doch dieses Volumen seit Ende 2005 um 1.008 Mrd. Euro. „Im Vergleich dazu ist der Bestand der zweitgrößten Position Schuldverschreibungen in Höhe von 529 Mrd. Euro fast schon bescheiden“, so Kommalpha.

Quelle: Kommalpha AG. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

LVU sind die größte Anlegergruppe in Investmentfonds mit einem Volumen von 656 Mrd. Euro und einem Anteil von 48% des Gesamtbestands an Investmentfonds. EbAV folgen auf Platz zwei mit 464 Mrd. Euro und einem Anteil von 34%. Nicht-Lebensversicherungen schließen sich mit 227 Mrd. Euro an. Für Rückversicherungen spielen Investmentfonds kaum eine Rolle. Die Bedeutung von Investmentfonds an den jeweiligen Finanzaktiva ist sehr unterschiedlich. Die Fondsquote ist bei Pensionseinrichtungen mit über 67% mit Abstand am höchsten.

 

EbAV und Versicherer – unterschiedliche Wege bei Spezialfonds


Bei Versicherungen als größter Anteilseignergruppe im Spezialfondsmarkt scheinen die goldenen Zeiten von sehr hohen Nettomittelaufkommen allerdings vorbei zu sein, wenn sich der Trend der letzten vier Jahre fortschreibt, vermutet man bei Kommalpha. Im Rekordjahr 2015 sammelten Spezialfonds von Versicherungen noch 52,3 Mrd. Euro netto ein, im Jahr 2021 dagegen magere 13 Mrd. Euro. „Unsere Analyse zeigt weiterhin auf, dass Versicherungen seit 2018 auf Jahressicht extrem viel Liquidität aus Spezialfonds entzogen haben.“ stellt Clemens Schuerhoff, Vorstand der Kommalpha AG, fest. „Diese findet sich in Allokationen außerhalb des Spezialfondsmantels wieder oder wird für betriebliche und bilanzielle Zwecke eingesetzt.“ kombiniert Schuerhoff.


Das Nettomittelaufkommen von Altersvorsorgeeinrichtungen als zweitgrößte Investorengruppe im Spezialfondsmarkt befindet sich dagegen seit Jahren auf hohem Niveau mit steigender Tendenz. Das Jahr 2021 stellt das Rekordjahr hinsichtlich der Cashflows dar.


Wie gehts weiter?

 

Clemens Schuerhoff, Kommalpha.

Neben der umfassenden Analyse der Bestands- und Transaktionsdaten der Finanzaktiva hat Kommalpha Expertenmeinungen zu bewusst progressiven Thesen eingeholt. Ergebnis: Einigkeit besteht in dem Aspekt, dass verbindlichkeitsorientierte Investoren in der kommenden Dekade ernsthafte Probleme bekommen, auskömmliche Renditen zu erwirtschaften.


Hinsichtlich der Sprengkraft und Fragilität der Kapitalanlagen herrscht eine geteilte Meinung der Befragten. Die Gefahr von „Stranded Assets“ durch Cashflows in ESG-Investments wird nicht als signifikant eingeschätzt, ebenso wenig wie die Gefahr einer Implosion von Bilanzstrukturen und einer großen Auszahlungsphase in rund 10 Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung. Unter dem Strich herrscht Zuversicht.


Zu der Studie: Kommalpha hat im Rahmen seiner die Vermögensverhältnisse von EbAV und Versicherungen im Zeitraum 2005 bis Ende 2021 untersucht. Neben der Analyse der fünf wesentlichen Positionen der Finanzaktiva wird ein besonderer Blick auf Fondsinvestments mit dem Schwerpunkt auf Spezialfonds geworfen. Weiter werden
die erwähnten Expertenmeinungen zu brisanten Thesen rund um die verbindlichkeitsorientierte Kapitalanlage dargestellt. Das Ergebnisdokument umfasst rund 100 Seiten, stellt die genannten Sachverhalte sowie viele weitere Auswertungen detailliert dar und findet sich hier.

 

Weitere Details zu den Deckungsmitteln im deutschen Pensionswesen und den dabei stets drängenden Abgrenzungsfragen finden sich auf LEITERbAV hier und hier.

 

 

 

 

Das im weitesten Sinne zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

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