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Peter Hadasch im Gespräch:

„Ganz schön kess“

 

Am 19. Mai hat Leiter-bAV.de eine Stellungnahme des Verbandes der Firmenpensionskassen (VFPK) dokumentiert, in der dieser die jüngsten Vorstellungen des BMAS zu dem geplanten Sozialpartnermodell scharf kritisiert. Nun legt Peter Hadasch, Personalvorstand der Nestlé Deutschland und Vorstand des VFPK, im Gespräch mit Leiter-bAV.de nach.

 

 

Herr Hadasch, angesichts der scharfen Reaktionen aus dem Lager der unternehmensnahen bAV auf die Kehrtwende des BMAS, die Andrea Nahles auf der aba-Tagung am 7. Mai erläutert hatkann man fragen, ob sich das Ministerium der Tragweite der Äußerungen bewusst ist?

 

Peter Hadasch, Personalvorstand der Nestlé Deutschland.
Peter Hadasch,
Personalvorstand der Nestlé; Deutschland.

Ich bin mir nicht sicher, dass man sich im BMAS der Tragweite der Äußerungen von Frau Nahles bewusst ist, da diese ja im Ergebnis in eine Richtung laufen, die von einer sozialdemokratischen Arbeitsministerin nicht erwartet werden, nämlich die Übertragung der seit über 100 Jahren bewährten betrieblichen (kollektiven) Altersversorgung die Hände der zur Zeit etwas angeschlagenen Versicherungswirtschaft.

 

 

 

Und wie bewerten Sie denn in Zusammenhang mit Ihrer in der neulichen VFPK-Mitteilung geäußerten Kritik den Alternativvorschlag des aba-Zulagenmodells?

 

Die aba kam für die Pensionskassen etwas überraschend mit diesem Zulagenmodell auf den Markt. Hier habe ich schon eher den Verdacht, das die Protagonisten genauer wissen, in welche Richtung sich der Zug bewegen soll. Betriebliche Versorgungseinrichtungen im herkömmlichen und bewährten Sinne konnten sich hier nicht durchsetzen. Es ist schon kess, wenn man dem verständlichen Ansinnen des BMAS eine Verbreiterung der bAV zu bewirken, im ersten Satz mit der Forderung nach einer Erhöhung des Dotierungsrahmens kommt. Eine Verbreiterung kann so nicht erreicht werden, denn wer nicht den Spielraum für bisherige Beitragszahlungen hat, der wird sicherlich nicht dadurch angereizt, dass er günstige höhere Beiträge leisten könnte. Auch den Verweis auf das Modell der VWL halte ich für verräterisch. Diese haben im Wesentlichen die Vertriebe der Anbieter gefördert und wurden mangels Attraktivität in den letzten Jahren weitgehend zu Gunsten der Umwandlung in betriebliche Versorgungsbeiträge umgestaltet.

 

 

 

Also lehnen Sie es ab, den 3.63 aufzubohren?

 

Es ist immer schön, den 3.63 aufzubohren, da es ja den Willen des Gesetzgebers zeigt, die bAV zu stärken. Unter der Maßgabe beschränkter Mittel würde ich das Geld allerdings lieber in die Breite investieren, anstatt den bisherigen Konten höhere Beiträge zufließen zu lassen.

 

 

 

Sie kritisieren auch die geplante Enthaftung der Arbeitgeber, die beide Modelle vorsehen.

 

Die aba hat sich in der Vergangenheit dadurch ausgezeichnet, Systeme zu unterstützen, die die gemachten Versprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit einlösen. So ganz entspricht dieser Vorschlag diesem Anspruch nicht. Auch eine Mindestgarantie erfordert Haftung. Wenn dies nicht durch den Arbeitgeber erfolgt, welche Einrichtung kann sie geben? Einrichtungen wie Protektor können keine systemischen Risiken absichern. Wenn die Kapitalmärkte die Versprechungen nicht erfüllen können, dann können auch diese Einrichtungen das nicht leisten. Umlagen zwischen Arbeitgebern, wie im PSV, bewirken keine echte Enthaftung der Arbeitgeber, sie übertragen die Haftung lediglich vom Einzelnen auf das Arbeitgeberkollektiv.

 

 

 

Was schlagen Sie also vor?

 

Für niedrige Einkommen ist die sozialversichungsrechtliche Behandlung sehr viel wichtiger als die steuerliche Begünstigung. Wir müssten deshalb sofort die Doppelbelastung mit Krankenversicherungsbeiträgen stoppen, nicht zuletzt bei riestergeförderten Beiträgen in regulierte Pensionskassen. Dies würde der Riesterrente in betrieblichen Pensionskassen Auftrieb verschaffen, da die Förderung dort nicht der Finanzierung von Vertriebskosten und Unternehmensgewinnen dient, sondern ausschließlich der Steigerung der Altersrente. Es wäre den Tarifparteien damit schon heute möglich, in paritätisch geführten Versorgungseinrichtungen ohne Vertriebskosten und ohne Dividendeninteressen riestergeförderte versicherungsförmig garantierte Versorgungszusagen aufzubauen. Das Projekt würde erheblich an Akzeptanz gewinnen, wenn Arbeitnehmer mit geringen Einkommen sicher sein könnten, dass ihre Eigenleistungen nicht zu einer Minderung von künftiger Mindesrentenansprüchen herangezogen werden. Diese Befürchtung wirkt sehr demotivierend bei niedrigen Einkommensgruppen, überhaupt Eigenleistungen aufzubringen. Selbst Leistungen des Arbeitgebers erhalten in dieser Einkommensgruppe wenig Anerkennung, da sie vermeintlich nicht bei den Begünstigten ankommen.

 

 

 

 

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