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Der Arbeitgeberzuschuss im Abrechnungssystem:

Fünf vor Zwölf!

Die Arbeitgeber haben mal gerade noch einen Monat Zeit, um sich auf die konkrete Umsetzung des im Rahmen des BRSG eingeführten Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung vorzubereiten. Die Theorie der Berechnung ist eine Sache. Doch äußerst ungewiss ist in vielen Fällen auch, wie die technische Umsetzung in der Abrechnung erfolgt und welche diesbezüglichen Probleme auf die Arbeitgeber zukommen. Andre Cera berichtet für LEITERbAVaus der Praxis.

 

Andre Cera, Otto Group.

In den Personalbereichen größerer Unternehmen, aber nicht minder in den Einrichtungen der bAV, gibt es aktuell kaum ein abrechnungsrelevantes Thema, das mit so viel Ungewissheit verbunden ist wie die seit nunmehr fast eineinhalb Jahren bekannte Einführung eines verpflichtenden Arbeitgeberzuschusses für versicherungsförmige Durchführungswege ab 2019.

 

Ob spitz oder pauschal, ob Reduktions-Modell oder aufstockend – bereits die Ermittlung und Handhabung des Zuschusses sind weiter unwägbar. Doch für Ärger sorgt auch die Unklarheit über die Integration des Zuschusses in die Systeme der Gehaltsabrechnung. Woher kommt der Unmut, wo liegt das Problem?

 

Die vom Gesetzgeber lobenswerterweise sehr pragmatisch und einfach gehaltene Regelung des § 1a Abs. 1a BetrAVG

 

(1a) Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“

 

trifft in den Unternehmen leider nicht auf die vielzitierte grüne Wiese, sondern auf ein oftmals historisch gewachsenes und mitunter nicht minder komplexes Geflecht an bestehenden Versicherungsverträgen.

 

Die bestehenden Verträge fallen zwar nicht sofort unter die Zuschussregelung, müssen aber spätestens 2022 ebenfalls integriert werden. Mitunter kommt es aber vor, dass aufgrund tariflicher oder freiwilliger Regelungen bereits heute Zuschüsse gezahlt werden. Ironischerweise orientiert sich die Formulierung des Gesetzgebers an ebendiesen tarifvertraglichen Regelungen, wie sie zum Beispiel im Einzelhandel bereits seit 2001 bestehen. Der unbedarfte Leser könnte jetzt meinen, dass sei doch prima, und man sei fertig – schließlich ändere sich doch nichts. 

 

Doch stellt man unvorsichtiger – oder besser: glücklicherweise – die Frage, ob die bisherige Abwicklung auch nach dem Update der Abrechnungssysteme zum Jahreswechsel genauso reibungslos funktioniert, folgt womöglich das böse Erwachen: Spätestens an dieser Stelle findet manch ein Arbeitgeber nämlich heraus, dass die Realität nicht so einfach ist, wie die Formulierung im Gesetzestext es vermuten lässt.

 

 

Nach Jahresende alles anders?

 

Abgesehen von den vielen Details, die der Arbeitgeber langfristig für alle Verträge klären oder entscheiden muss, gibt es zwei wesentliche Faktoren, die im Zusammenspiel funktionieren müssen: Das Vertragsmodell des Versicherers und das Abrechnungsmodul der Gehaltsabrechnung.

 

Die vom Gesetzgeber und den Tarifvertragsparteien gewählte Formulierung basiert auf dem Ansatz, dass der Arbeitgeber die Ersparnisse in der Sozialversicherung aufgrund der Entgeltumwandlung an den Mitarbeiter weitergibt. Laut Gesetzesbegründung werden dabei mögliche Verwaltungskosten, die mit der Durchführung der Entgeltumwandlung verbunden sind, mit der Pauschalierung von 15% (gegenüber im Maximum ca. 19% Ersparnis) angemessen berücksichtigt. Fällt die tatsächliche Ersparnis an Sozialversicherungsbeiträgen geringer aus als 15% des Umwandlungsbetrages, wird der Zuschuss auf die tatsächlich gesparten Sozialversicherungsbeiträge begrenzt – im Extremfall auf 0%, wenn der Mitarbeiter Entgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze RV umwandelt. Der Arbeitgeber kann schließlich nur das weitergeben, was auch tatsächlich eingespart wird.

 

Wer sich mit der Sozialversicherung ein wenig auskennt weiß, dass die tatsächliche Ersparnis erst zum Ende des Kalenderjahres ermittelt werden kann (genau genommen aufgrund der Märzklausel sogar erst im März des Folgejahres, aber diesen Sachverhalt wollen wir aus Vereinfachungsgründen hier nicht weiter betrachten).

 

Diverse äußerst namhafte Softwareanbieter werden die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses nach Informationen des Autors allerdings nicht erst am Ende des Jahres, sondern unterjährig im jeweiligen Monat der Umwandlung vornehmen. Es gibt jedoch diverse Fallkonstellationen (Zahlung von Weihnachtsgeld oder Jahresabschluss-/Erfolgsprämien, unterjährige Erhöhung der Arbeitszeit z.B. nach Rückkehr aus einer Elternzeit oder nach längerer Krankheit, …), die dazu führen, dass die unterjährig vorhandene, sog. SV-Luft zum Ende des Kalenderjahres durch die zusätzlichen Gehaltsbestandteile aufgebraucht wird und somit anfänglich ermittelte Arbeitgeberzuschüsse am Ende des Jahres korrigiert werden müssen, da doch keine Sozialversicherungsbeiträge eingespart wurden.

 

 

Softwarehersteller großzügig – mit dem Geld der Arbeitgeber

 

Das sozialversicherungspflichtige Entgelt lässt sich sehr einfach auf im Übrigen von der Abrechnungssoftware der für das Kalenderjahr zu erstellenden Meldebescheinigung zur Sozialversicherung gem. § 25 DEÜV ablesen:

 

Wenn dort als Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze RV (2019: 80.400 Euro) ausgewiesen wird, gibt es keine Ersparnis. Wurden unterjährig dennoch Arbeitgeberzuschüsse ermittelt (und gezahlt), erfolgen diese ex post betrachtet nicht wegen § 1a Nr. 1a BetrAVG, sondern aufgrund der Großzügigkeit der Softwarehersteller im Hinblick auf das Portemonnaie der Arbeitgeber.

 

Bei einem Umwandlungsbetrag von 3.216 Euro kann es nach Berechnungen des Autors so im Extremfall zu einem maximalen Fehlzuschuss von ca. 480 Euro (bei zusätzlich maximaler Ausschöpfung des § 40b EStG sogar zu über 800 Euro) im Jahr kommen. Bei geringerem Einkommen leicht oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze KV (2019: 54.450 Euro) kann der maximale Fehlzuschuss immerhin noch ca. 175 Euro betragen. Gerade der letztgenannte Fall ist in der Praxis nicht unwahrscheinlich.

 

 

Wie oft nimmt der Versicherer das Geld?

 

Doch diese in einigen Fällen auftretende erhöhte Zuschussgewährung stellt nicht das einzige Problem der Arbeitgeber dar: Da die Ersparnis aus den Sozialversicherungsbeiträgen erst zum Jahresende und somit einmalig im Jahr feststeht, sehen bestehende Gruppenverträge namhafter Versicherer oftmals (falls überhaupt) nur eine einmalige Möglichkeit zur Zahlung eines Zuschusses (bzw. Sonderbeitrags) vor. Dies ist in den meisten Fällen dadurch begründet, dass der Versicherer nur mit den vertraglich vereinbarten Zahlungen rechnet und darüber hinausgehende, zusätzliche Einzahlungen nachträglich policiert werden müssen. Erfolgt also eine monatliche Zuschusszahlung, löst dies eine monatliche Nachpolicierung und folglich die Produktion von jeder Menge Papier und Verwaltungsarbeit aus.

 

 

Mach‘s doch selbst!

 

Die Lösung des Problems hat aus Sicht der Softwarehäuser durch sogenanntes „Customizing“ zu erfolgen, also der Möglichkeit zur Anpassung der ausgelieferten Software an die eigenen Wünsche. Es ist sicherlich korrekt, dass solche Eingriffe in die Programmierung der Softwaresysteme möglich sind und sich die Software dadurch an die individuellen Unternehmensbedürfnisse anpassen lässt. Dennoch erscheint es obskur, die kostenintensive Entwicklungsarbeit zur korrekten Umsetzung von Gesetzesvorgaben auf die einzelnen Arbeitgeber abzuwälzen – mit dem Ergebnis, dass jede individuelle Umsetzung anders aussieht. Der Autor jedenfalls kann sich kaum vorstellen, dass in anderen Bereichen ähnliche Ungenauigkeiten hingenommen würden. So wären eine Bankingsoftware, die den Überweisungsbetrag zur Vereinfachung auf volle Euro rundet oder eine Kassensoftware, die die Mehrwertsteuer großzügig mit 20% ermittelt, wohl kaum beim Kunden durchsetzbar. Gleiches gilt für Bankautomaten, die beim Abheben von 100 Euro penetrant 10 Euro-Scheine herausgeben – ein Szenario, auf das sich die Versicherer im Hinblick auf viele kleine statt eines großen Zuschusses wohl bald einstellen müssen.

 

Es bleibt spannend und abzuwarten, wie die Versicherer bzw. die Arbeitgeber reagieren. Ob aus den oben genannten Fehlzuschüssen gegebenenfalls Haftungsansprüche gegen die Softwareanbieter aufgrund fehlerhafter Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben resultieren bzw. welche Rechtsqualität die über die Anforderungen des § 1a Nr 1a BetrAVG hinausgehenden Beitragszahlungen des Arbeitgebers im Hinblick auf Unverfallbarkeit und Insolvenzschutz beim Pensionsfonds haben, werden im schlimmsten Fall die Gerichte entscheiden müssen.

 

Der Autor ist Aktuar und Bereichsleiter Altersversorgung, Vergütung & Controlling bei der Otto Group in Hamburg.

 

Von ihm sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

20. September 2021:

Absenkung der BBG ab 2022:

Willkommen im Dschungel

 

28. November 2018:

Der Arbeitgeberzuschuss im Abrechnungssystem:

Fünf vor Zwölf!

 

27. Juni 2018:

Der Arbeitgeberzuschuss in der Praxis:

Alles ganz einfach?!

 

16. April 2018:

EU-Verordnung ante portas:

Ein Schreckgespenst namens DSGVO

 

7. März 2018

Gezillmert oder nicht gezillmert…

das ist hier die Frage!


6. Juli 2017:

Förderbetrag, 40b, Doppelverbeitragung, Dokumentation:

Die Teufel in Details

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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