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BGH zum Versorgungsausgleich:

Externe Teilung fondsgebundener Zusagen

Was passiert, wenn nach dem Ehezeitende, aber vor dem Urteil die Fondsanteile einer Zusage zulegen? Mit einer Kehrtwende hat der BGH jüngst Klarheit geschaffen. Günter Hainz erläutert das Urteil.

 

Günter Hainz, H2B.

In der bisherigen BGH-Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich war die externe Teilung fondsgebundener Zusagen der bAV nur unbefriedigend gelöst. Mit dem neuen Beschluss XII ZB 201/17 vom 19. Juli 2017 fordert das Gericht, dass auch eine positive Wertentwicklung der Fondsanteile zwischen Ehezeitende und Rechtskraft des familiengerichtlichen Urteils bei dem zu übertragenden Ausgleichswert zu berücksichtigen ist. Dabei gibt es Teile seiner bisherigen Rechtsprechung auf zugunsten einer sachgerechteren Halbteilung von Betriebsrenten.

 

 

Fondsanteile als Bezugsgröße

 

Zum Ehezeitende bestand im vorliegenden Fall u.a. eine fondsgebundene Direktzusage mit garantierter Mindestleistung, die vom Familiengericht extern geteilt wurde. Zulasten des Anrechts des ausgleichspflichtigen Ehegatten wird dabei ein neues Anrecht für den ausgleichsberechtigten Ehegatten bei einem (externen) Zielversorgungsträger begründet.

 

Das Anrecht des Ausgleichspflichtigen wird um den Ausgleichswert gekürzt, und dieser wird als Kapitalbetrag an den Träger der Zielversorgung gezahlt. Der Ausgleichswert entspricht der Hälfte des Werts des Ehezeitanteils des auszugleichenden Anrechts und wird gemäß § 5 Abs. 1 VersAusglG „in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße, insbesondere also in Form von Entgeltpunkten, eines Rentenbetrags oder eines Kapitalwerts” berechnet.

 

Die Teilung des Anrechts mittels der jeweiligen Bezugsgröße entspricht nach Ansicht des BGH sowohl bei der internen als auch bei der externen Teilung der Funktion des Versorgungsausgleichs grundsätzlich am besten (Rn. 12). Insbesondere sieht der BGH darin einen Vorteil hinsichtlich der bisher eher am Rande betrachteten Kürzung des Anrechts des Ausgleichspflichtigen.

 

Der bei Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts an einen externen Versorgungsträger als Kapitalbetrag zu zahlende Ausgleichswert ist Grundlage für das dort neu begründete Anrecht und muss auch die „Dynamik der abgebenden Versorgung” bis zur Rechtskraft der Entscheidung enthalten (Rn. 13).

 

Der BGH hält ausdrücklich nicht an seiner früheren Rechtsprechung fest (Beschluss vom 29. Februar 2012, XII ZB 609/10, Rn. 20ff.), in der eine (externe) Teilung auf Basis der Fondsanteile noch abgelehnt wurde, und stellt fest:

 

Kann der Ausgleichswert auf der Grundlage der Bezugsgröße der abgebenden Versorgung [hier: ehezeitlich erworbene Fondsanteile als solche] für den Zeitpunkt der Rechtskraft in vollstreckbarer Weise abstrakt angegeben werden, ist dieser Wert in gleicher Weise für den Ausspruch nach § 14 Abs. 1 VersAusglG und § 14 Abs. 4 VersAusglG [also für die Bemessung des Ausgleichswerts] geeignet” (Rn. 14).

 

Eine „offene Tenorierung”, die dem Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten die Berechnung des an den externen Versorgungsträger zu zahlenden Kapitalbetrags überlässt, ist jedoch weiter nicht gestattet (Rn. 27). Vielmehr muss das zu zahlende Kapital „betragsmäßig festgelegt sein oder sich zumindest ohne weiteres aus dem Titel errechnen lassen” (Rn. 28). Dazu muss aber der Betrag genügend bestimmt oder jedenfalls alle Kriterien für seine Bestimmtheit eindeutig festgelegt sein. Es ist hinreichend, wenn die Berechnung „mit Hilfe offenkundiger Umstände möglich” ist. Im vorliegenden Fall waren die Preise der betreffenden Fondsanteile aus allgemein zugänglichen Quellen zu ermitteln, was der Bestimmtheitsanforderung jedenfalls genügt (Rn. 29).

 

 

Wertentwicklung

 

Die Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts zwischen Ehezeitende und Rechtskraft des Urteils muss sich stets auch auf das neue Anrecht des ausgleichsberechtigten Ehegatten erstrecken. Mit seinem Beschluss berücksichtigt der BGH, dass bei der externen Teilung eine Wertentwicklung in der Versorgung des neuen Versorgungsträgers erst ab dem Zeitpunkt stattfinden kann, zu dem dieser den Ausgleichswert tatsächlich erhält, also frühestens ab Rechtskraft des Urteils. Da in einer fondsgebundenen Pensionszusage die Wertentwicklung der Fondsanteile grundsätzlich nicht durch eine feste Verzinsung gewährleistet werden kann, kann eine Verzinsung des Ausgleichswerts mit dem Rechnungszinssatz nach § 253 Abs. 2 S. 1 HGB im Allgemeinen keine Teilhabe an den zwischenzeitlichen Wertsteigerungen des Anrechts bewirken. Dazu „muss bei fondsgebundenen Anrechten auch die Anteilpreissteigerung aufgrund positiver Fondsentwicklung als Dynamik der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person berücksichtigt werden” (Rn. 23). Im umgekehrten Fall von Wertverlusten hatte der BGH bereits früher ihre Berücksichtigung durch Kürzung des Ausgleichsbetrags gefordert (Beschluss v. 24.8.2016 – XII ZB 84/13), so dass nun eine einheitliche Behandlung bei Wertgewinnen und -verlusten erfolgt.

 

 

Berücksichtigung der Mindestleistung

 

Zusätzlich zu der Fondsbindung der Pensionszusage bestand auch die Zusage einer garantierten Mindestleistung, die bei der Ermittlung des Zahlbetrags ebenfalls zu berücksichtigen ist. Diese Mindestleistung ist in der üblichen Weise mit dem allgemeinen Rechnungszinssatz nach § 253 Abs. 2 S. 1 HGB für den Zeitraum zwischen Ehezeitende und Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils zu verzinsen, bevor ein Vergleich mit dem dann vorhandenen Wert der Fondsanteile durchgeführt wird und der höhere der beiden Werte an den Zielversorgungsträger zu zahlen ist.

 

Nach der – an dieser Stelle etwas unklaren – Ansicht des BGH ist wohl i.d.R. eine einfache Verzinsung anzuwenden. Dabei würde allerdings die Zinseszinswirkung, die bei versicherungsmathematischen Bewertungen der Mindestleistung regelmäßig berücksichtigt wird, außer Acht gelassen, weil andernfalls eine „erneute versicherungsmathematische Barwertermittlung zum Stichtag der Rechtskraft der Entscheidung” erforderlich wäre (Rn. 35).

 

Unseres Erachtens wäre eine übliche Verzinsung unter Berücksichtigung der Zinseszinswirkung aber auch Nicht-Aktuaren möglich. Insbesondere bei besonders langen Zeiträumen zwischen Ehezeitende und Rechtskraft des Urteils könne das Gericht aber auch näherungsweise eine solche Aufzinsung auf einen Zeitpunkt zeitnah zum Eintritt der Rechtskraft berechnen lassen (Rn. 36), womit wohl eine aktuarielle Neubewertung etwa zum erwarteten Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils gemeint sein dürfte.

 

 

Rechtsweg

 

Der BGH merkt ferner an, dass „im Streitfalle die Kontrolle der Umsetzung [der Anrechtskürzung durch den Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person] durch die dazu berufene Fachgerichtsbarkeit der jeweiligen Versorgungszweige” erfolgt (Rn. 12), also für die bAV durch die Arbeitsgerichte. Dies scheint der Ansicht des BAG zu widersprechen, welches das Arbeitsgericht im Interesse einer einheitlichen widerspruchsfreien Durchführung des Versorgungsausgleichs für beide Ehegatten an „den Berechnungsweg, den das Familiengericht auf der Basis der von ihm angewandten Teilungsordnung bei der Durchführung der internen Teilung des in der Ehezeit erworbenen Anrechts zwischen den geschiedenen Ehegatten zugrunde gelegt hat”, gebunden sieht (BAG-Urteil vom 10.11.2015, 3 AZR 813/14, Rn. 17ff.). Damit bleibt die Zuständigkeit für die Überprüfung der Kürzung vorerst ungeklärt.

 

 

Betroffene Pensionszusagen

 

Im vom BGH betrachteten Fall handelt es sich der Beschreibung nach um eine Pensionszusage, bei der die Höhe der Leistung (abgesehen von der garantierten Mindestleistung) vom Zeitwert zugeordneter Fondsanteile abhängt, deren Wert (d.h. wohl der Rücknahmepreis) nach § 170 KAGB regelmäßig zu veröffentlichen ist und daher als allgemein leicht und zuverlässig feststellbar angesehen werden kann. In der Praxis treten allerdings auch zahlreiche andere Konstruktionen auf, bei denen eine ähnliche Abhängigkeit der Leistungshöhe vom Zeitwert bestimmter Kapitalanlagen besteht, ohne dass notwendigerweise eine individuelle Zuordnung oder eine Veröffentlichung des Zeitwerts gegeben sein muss.

 

Die Bestimmung des Ausgleichswerts auf Basis von (ggf. auch virtuellen) Fondsanteilen kann u.E. auch bei solchen Konstruktionen als sachgerecht angesehen werden, falls handelsbilanziell eine Einstufung und Bewertung der Verpflichtung als wertpapiergebundene Pensionszusage i.S.d. § 253 Abs. 1 S. 3 HGB erfolgt. Nach diesem Ansatz könnte ggf. auch eine Wertpapierbindung ohne individuelle Zuordnung von Fondsanteilen oder ohne allgemein leicht zugängliche Veröffentlichung des jeweiligen Zeitwerts nach diesem Verfahren im Versorgungsausgleich behandelt werden. Eine geeignete Offenlegung des Zeitwerts der Wertpapiere bei Rechtskraft des Urteils müsste aber natürlich dennoch erfolgen, um eine Überprüfung der Höhe des auf den Zielversorgungsträger zu übertragenden Kapitals zu ermöglichen.

 

Der Autor ist Aktuar und Geschäftsführer der H2B Aktuare GmbH in München. Von ihm bzw. anderen Autorinnen und Autoren der H2B sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

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