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Hans Ludwig Flecken im Interview (II):

„Es gilt pay and forget“

Die Haftung des Arbeitgebers, der politische Wille und die Haltung der Tarifparteien – aus Sicht des BMAS. Teil II eines zweiteiligen Gesprächs von Nikolaus Bora und Hans Ludwig Flecken.

 

Im ersten Teil dieses Interviews sprachen Nikolaus Bora und Hans Ludwig Flecken über die noch nötigen Arbeiten in Zusammenhang mit der bAV-Reform, über das Projekt der übergreifenden Renteninformation sowie über den kommenden 15-Prozent-Zuschuss auch bei Altverträgen der Entgeltumwandlung. Heute die Fortsetzung des Gesprächs.

 

 

Herr Flecken, bedeutet die reine Beitragszusage die vollständige Enthaftung des Arbeitgebers, oder sehen Sie die Gefahr, dass der Wegfall der Subsidiärhaftung durch eine neue Haftung ersetzt wird, zum Beispiel durch die Rechtsprechung? Drohen also dem Arbeitgeber versteckt neue Risiken?

 

Hans-Ludwig Flecken, hier auf der Fruehjahrstagung des VVB-Fachkreises bAV am 22. April 2016 in Koeln. Foto: Eberhardt Froitzheim.

Nein, das ist nicht der Fall. Der politische Wille, der sich in den gesetzlichen Regelungen manifestiert, reduziert die Verpflichtung des Arbeitgebers eindeutig auf die Beitragszahlung. Es gilt pay and forget. Es war Anliegen des Gesetzgebers, die Arbeitgeber, insbesondere KMU, von den Risiken der bAV zu befreien und die Durchführung so einfach zu machen wie etwa die Beitragszahlung zur Sozialversicherung. Im Gesetz ist die reine Beitragszusage klar definiert. Der Arbeitgeber hat nur eine Verpflichtung: Er muss den Beitrag zahlen.

 

 

 

Auch in den Branchen, in denen typischerweise Niedrigverdiener beschäftigt sind, ist – auch bei Gewerkschaften – der Wille zu erkennen, die neuen Förderungen für Geringverdiener mit der Regelung des Freibetrags in der Grundsicherung, mit der Beitragsfreiheit der Riester-bAV zugunsten der Arbeitnehmer zu nutzen.“

 

 

 

Sie stehen in Kontakt mit den Tarifpartnern. Haben Sie den Eindruck, dass sie wirklich an der Zielrente interessiert sind?

 

Ein ganz eindeutiges Ja! Auch in den Branchen, in denen typischerweise Niedrigverdiener beschäftigt sind, ist – auch bei Gewerkschaften – der Wille zu erkennen, die neuen Förderungen für Geringverdiener mit der Regelung des Freibetrags in der Grundsicherung, mit der Beitragsfreiheit der Riester-bAV zugunsten der Arbeitnehmer zu nutzen. Natürlich ist eine Vereinbarung zur bAV Teil des gesamten tarifvertraglichen Geschehens. Wenn in einer Branche zunächst andere Fragen wie Arbeitszeiten oder Entgelte auf der Tagesordnung stehen, dann ist das vermutlich ein Grund, warum Anfang 2018 noch keine Tarifverträge zur Zielrente vorliegen. Aber das Interesse daran ist da.

 

 

Die Sozialpartner haben ein Problem: Immer mehr Arbeitgeber verabschieden sich aus der Tarifbindung, und der Organisationsgrad der Arbeitnehmer nimmt ebenfalls ab. Kann sich diese Entwicklung durch das Sozialpartnermodell ändern?

 

Ich kann nicht in die Glaskugel blicken. Das BMAS wünscht sich starke Sozialpartner. Das hat Ministerin Andrea Nahles deutlich gemacht. Bereits im Tarifautonomiestärkungsgesetz wird die bAV als ein Bereich genannt, der Anreize zu mehr tarifvertraglichen Regelungen setzt. Denkbar ist darum, dass das tarifvertragliche Geschehen durch das BRSG gestärkt wird. Noch ein Punkt: Das BRSG schreibt vor, dass sich nicht tarifgebundene Arbeitgeber auf die einschlägigen Tarife ihrer Branche berufen können. In diesem Kontext haben die Sozialpartner Möglichkeiten, durch eine attraktive Gestaltung ihrer Zielrentenmodelle für die Mitgliedschaft im jeweiligen Arbeitgeberverband oder der Gewerkschaft zu werben.

 

 

Das BRSG ist ein Paket. Arbeitgeber können sich auch die Angebote herauspicken, die nicht zur Zielrente gehören, beispielsweise die Riester-bAV.

 

Damit wird der Freiwilligkeit der bAV Tribut gezollt. Wenn ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten, deren wirtschaftliche Situation er ja kennt, wegen der besonderen Förderungsmöglichkeiten die Riester-bAV anbietet, ist das ja auch betriebliche Altersversorgung.

 

 

 

Der Gesetzgeber hat klar die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Sozialpartner bei der Entscheidung für eine neue Zielrente die „alte bAV-Welt“ nicht vergessen sollen.“

 

 

 

Besteht nicht die Gefahr, dass die klassische bAV durch die Zielrente zurückgedrängt wird?

 

Der Gesetzgeber hat klar die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Sozialpartner bei der Entscheidung für eine neue Zielrente die „alte bAV-Welt“ nicht vergessen sollen. Da, wo die alte Welt funktioniert, sollte es bei dieser bleiben. Die neue Welt ist ein zusätzliches Angebot vor allem für Arbeitgeber, die sich von der bAV abgewandt oder sich ihr bislang noch nicht zugewandt haben, weil sie ihnen zu risikoreich und zu kompliziert erschien. Das BRSG ist nicht darauf angelegt, die alte Welt abzuschaffen.

 

 

Ende des zweiteiligen Interviews. Teil I des Gesprächs findet sich hier.

 

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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