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Über Run off in der bAV:

Es geht eben auch anders…

Der Verkauf großer Versicherungsbestände an „Run off-Gesellschaften“ sorgt für erheblichen Wirbel und löst hitzige Debatten aus. Die Gründe, die für den Verkauf sprechen, sind nachvollziehbar und in ihrer Gewichtigkeit nicht zu unterschätzen. Gleichwohl ist der Austausch des Risikoträgers von Garantiebeständen nicht alternativlos. Von Dirk Jargstorff.

 

Dirk Jargstorff, Robert Bosch GmbH.

Auch Pensionsfonds kennen bei der versicherungsförmigen Verrentung die enormen Herausforderungen an eine sachgerechte Absicherung in einer langanhaltenden Niedrigzinsphase. Die Bosch Pensionsfonds AG entwickelte auf der Basis einer dezidierten Langfristprognose ein Konzept, das selbst bei einem andauernden Niedrigzinsniveau alle Verpflichtungen finanzieren und alle aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllen lässt.

 

 

Kostenvorteile bei Wahrung der garantierten Leistungen

 

Begründet wird der Verkauf prominent mit erheblichen Kosteneinsparungen in der Verwaltung durch Bündelung der Verträge auf spezialisierten Abwicklungsplattformen. Die 50%ige Beteiligung an den Kostenüberschüssen solle den Berechtigten höhere Erträge bescheren. Für die Kunden ändere sich nichts, Verträge würden unverändert fortgeführt. Insbesondere erhielten die Versicherten auch künftig alle garantierten Leistungen, also vor allem die garantierten Kapital- und Rentenzahlungen. Darüber hinaus würden Kunden unverändert an den anfallenden Überschüssen beteiligt. Dies sei im Versicherungsaufsichtsgesetz geregelt.

 

Sämtliches Vermögen inklusive der zugehörigen Bewertungsreserven, das mit den Prämienzahlungen des Versichertenkollektivs geschaffen wurde, müsse aufsichtsrechtlich dem Kollektiv der Versicherten auch nach Übertragung zwingend erhalten bleiben.

 

Die BaFin stelle zudem sicher, dass der Übernehmer über ausreichend Kapital verfügt, um alle vereinbarten Leistungen zu erfüllen. Gegebenenfalls kann die Aufsicht verlangen, dass Übernehmer zusätzliches Kapital bereitstellen. 

 

 

Einschätzung

 

Die aufsichtsrechtlich genehmigte Übertragung von Versicherungsbeständen an Abwicklungsplattformen ist an sich nicht zu beanstanden. Problematisch ist jedoch der zu beobachtende Markttrend, dies zunehmend auch im Bereich von Verträgen der betrieblichen Altersversorgung zu tun.

 

 

Hier handelt es sich eben nicht um ein x-beliebiges Versicherungsvertragsverhältnis, bei dem allein die aufsichtsrechtlich korrekte Abwicklung des Vertrages und die faire Beteiligung an den Erträgen für den Versicherungsnehmer im Vordergrund steht. Der Arbeitgeber hat im Vertrauen auf die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Versicherers die Auswahlentscheidung getroffen und – insbesondere im Falle der Entgeltumwandlung – gegenüber seinen Beschäftigten als sinnvolle und verlässliche Alternative beworben.

 

Zudem stellt die 50%ige Beteiligung an den versprochenen Kostenüberschüssen letztlich nur die gesetzliche Mindestbeteiligung an den Überschüssen dar. Ein ambitioniertes Leistungsversprechen müsste über diese Mindestbeteiligung hinausgehen, um als Ausgleich für die entstandene Unsicherheit dienen zu können.

 

 

Keine Option für die BPF

 

Für betriebliche Einrichtungen, die häufig von Arbeitgebern und Beschäftigtenvertretern gemeinsam verantwortet werden, wäre ein solches Vorgehen kaum vorstellbar. Langfristiges Engagement, Verlässlichkeit und Vertrauen sind die entscheidende Währung der bAV und dürfen auch in schwierigen Marktphasen nicht aufs Spiel gesetzt werden.

 

Auch für die Bosch Pensionsfonds AG (BPF) bestand die große Herausforderung, die langfristige Entwicklung des mittlerweile geschlossenen, versicherungsförmigen Rentnerbestandes (7 000 Rentner, rund 200 Mio. Euro Deckungsrückstellungen) abzusichern. Dazu musste mit geeigneten Maßnahmen sichergestellt werden, dass

 

  • die geschäftsplanmäßigen Garantieleistungen zu finanzieren sind

  • jederzeit die Solvabilitätsanforderungen bedeckt sind

  • Rentenanpassungen möglichst stetig gewährt werden können

  • durch Trägerunternehmen zugeführte Mittel adäquat bei Nichtgebrauch zurückgeführt werden und

  • auch für Extremszenarien weitere Finanzierungsquellen identifiziert sind.

 

Dabei spielt eine besondere Rolle, dass die vom Gesetzgeber ergriffenen Maßnahmen auch von den Pensionsfonds anzuwenden sind, die die Beitragszusage mit Mindestleistung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Betriebsrentengesetz (BZML) in Verbindung mit einer versicherungsförmigen Verrentung durchführen. Insbesondere die Regelung zur Zinszusatzreserve (ZZR) soll die Einrichtung auch in einer andauernden Niedrigzinsphase in die Lage versetzen, in der Vergangenheit erteilte versicherungsförmige Garantien auch in der Zukunft erfüllen zu können. 

 

Tatsächlich stehen Pensionsfonds bei der Bedeckung der ZZR sogar vor noch größeren Herausforderungen als Lebensversicherer. Während LVU auf die Hebung stiller Reserven als Hauptquelle der Finanzierung von ZZR zurückgreifen können, fällt diese bei Unternehmenspensionsfonds mit BZML typischerweise aus. Stattdessen müssen Unternehmenseinrichtungen andere zusätzliche Mittel aufwenden, um den Aufwand für die Bildung der ZZR zu stemmen.

 

Demnach galt für die BPF, dass durch die zu treffenden Maßnahmen auch noch diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt werden.

 

 

Vorgehensweise

 

Die BPF erstellte eine Langfristprognose, die methodisch gegenüber den bisherigen, auf den Aspekten der Vermögens- und Liquiditätsentwicklung fokussierenden Langfristansätzen deutlich komplexer und inhaltstiefer konzipiert wurde. Dabei wurde besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass die Wirkung aller Stellhebel – einzeln und im Verbund – aufzeigt wird.

 

Verschiedene Grundszenariotypen (best case, worst case, realistic case) resultierten aus Bestandssimulationen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Wichtige Merkmale und Rechnungsgrundlagen beinhalteten die Entwicklung des Sicherungsvermögens und dessen Verzinsung sowie Annahmen insbesondere über den Bezugszins für die ZZR-Ermittlung, Kostenüberschüsse und die Eigenkapitalrendite. Jährliche Rentenzahlungen wurden mit der Methodik der Monte-Carlo-Simulation mit und ohne künftige Anpassungen ermittelt und Bilanzwerte simuliert.

 

 

Ergebnis

 

Die Simulationsergebnisse zeigen für die BPF auf, wie sich unterschiedlichen Szenarien der Kapitalverzinsung auf mögliche Eigenkapitalzuschüsse, Aussetzen bzw. Höhe von Rentenanpassungen, Einbehaltung von Fluktuationsgewinnen und Bedeckung von Solvabilitätsanforderungen auswirken. Worst- und best-case-Szenarien weisen dabei den jeweiligen Korridor auf. Ein best-estimate-Szenario für die Kapitalverzinsung ergab für die BPF die erfreuliche Bestätigung, dass die eingeleiteten Maßnahmen die Anforderungen für die langfristige Bestandsabsicherung inklusive der Bildung geforderter Zinszusatzreserven vollständig erfüllen lassen.

 

 

Wesentliche Stellhebel

 

Ganz entscheidend wirkt sich dabei die Kapitalanlagestrategie aus, bestehend aus einem Kapitalisierungsprodukt sowie Aktien- und Rentenanlagen. Die BPF entschied sich noch vor dem Auslaufen des Vorgängerproduktes für eine sehr langfristige Verlängerung eines Kapitalisierungsproduktes. Vorteilhaft ist hierbei, dass dieses Produkt innerhalb des Anlagemixes durch eine garantierte Mindestverzinsung und Überschussbeteiligungen kontinuierlich ein Zielmaß an Basiserträgen absichert. Allein das Volumen des für die BPF abgeschlossenen Kapitalisierungsproduktes vermag dabei die Verpflichtungen bei Bedarf nahezu vollständig abzudecken. Ertragsstarke Aktien- und Rentenbestände runden die Kapitalanlage des Segments ab und bieten für die Begünstigten die Aussicht auf zusätzliche Ergebnisbeteiligungen.

 

Im Hinblick auf die zusätzlich zu bildende ZZR nahm die BPF frühzeitig die Problematik auf und startete bereits vor Jahren mit der Vorfinanzierung über Reserven für Zinsrisiken. Diese stehen nun als Bedeckungsalternativen – nach Abstimmung mit der Aufsicht – unschädlich für die ZZR zur Verfügung.

 

Mit anhaltender Niedrigzinsphase wurden zusätzliche Mittel durch Beteiligung der Trägerunternehmen erschlossen. Diese werden von den Trägerunternehmen der BPF nicht als „Einschüsse“ in das Eigenkapital eingebracht, sondern durch Verzicht auf Rückerstattung von Beiträgen aus dem Fluktuationskapital, also solcher Mittel, die aus verfallbaren arbeitgeberfinanzierten Anwartschaften bei vorzeitigem Ausscheiden freiwerden.

 

Und eines zeigt sich hierbei höchst eindrucksvoll, und es bestätigt sich die wegweisende Bedeutung auch in diesem Kontext: Ohne Wechsel auf die Fondsrente, für deren Verwirklichung sich die BPF so eingesetzt hat, wäre das versicherungsförmige Segment von 7.000 auf 30.000 Bezugsberechtigte im Jahr 2024 angestiegen. Durch die Fondsrente können so nicht nur attraktivere Renten gestaltet werden, sie stoppt durch Verzicht auf versicherungsförmige Garantien auch das Erfordernis der Bildung weiterer Finanzierungsreserven für Sicherheitsmechanismen.

 

Ein Konzept zum Controlling der tatsächlichen Entwicklung, frühzeitige Information der Stakeholder über das voraussichtliche Potential an Rentenanpassung sowie Identifikation von weiteren Finanzierungsquellen für das worst case-Szenario runden das Konzept ab.

 

 

So richtig zum Glänzen bringen

 

Ein bedeutender Pferdefuß verbleibt allerdings und lässt die Lösung noch nicht vollends glänzen.

 

Aus Sicht einer Unternehmenseinrichtung ist es dann essentiell und selbstverständlich, dass Mittel zum Aufbau der ZZR, die von den Trägerunternehmen außerplanmäßig und zweckgebunden zur Verfügung gestellt wurden, bei Entfall des Sicherungszwecks schnellstmöglich wieder an die Trägerunternehmen zurückerstattet werden können. Hierzu fehlt es heute an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Stattdessen zwingt das geltende Aufsichtsrecht Unternehmenseinrichtungen die nicht mehr benötigten Mittel der ZZR planwidrig in Form von Rentenerhöhungen an die Begünstigten auszuschütten.

 

Um die stattdessen sachgerechte Rückgewähr an die Trägerunternehmen auch tatsächlich vornehmen zu können, ist eine Anpassung der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (PFAV) erforderlich. Ansonsten resultieren aus den allein zur Absicherung eingebrachten Mitteln planwidrige Leistungserhöhungen zugunsten der Begünstigten, die bei einem abnehmenden Bestand erheblich sein können und nicht auf das Verständnis der Trägerunternehmen treffen werden.

 

 

Der Autor ist Senior Vice President Pensions and Related Benefits der Robert Bosch GmbH.

 

Von ihm sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAVerschienen:

 

 

Am Pensionsfonds führt kein Weg vorbei“

von Dirk Jargstorff und Hansjörg Müllerleile, 30. August 2017

 

 

Von der BZML zur rBZ“

von Dirk Jargstorff und Hansjörg Müllerleile, 31. August 2017

 

 

Es geht eben auch anders…

von Dirk Jargstorff, 10. Oktober 2018

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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