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Erste DGFP Jahrestagung bAV (I):

Einen Parforceritt …

durch nahezu alle derzeit juristischen Baustellen in der bAV unternahmen jüngst namhafte deutsche Arbeits- und Steuerrechtler auf einer ersten Tagung ihrer Art. Jörn Manhart war dabei und hat für LbAV einige der Inhalte dokumentiert. Heute Teil I einer zweiteiligen Berichterstattung: mit Rechtsfragen rund um die Entgeltumwandlung, zeitlich befristete Zusagen, Anpassungen in der Inflation, das Nachweisgesetz und die verdeckte Gewinnausschüttung.

Frankfurt am Main, 28. März: Geladen haben die DGFP – Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (mit rund 40.000 Personalern und einer HR-Community mit ca. 2.300 Mitgliedern seit 1952 das größte Kompetenz- und Karrierenetzwerk für HR-Professionals deutschlandweit) und der Eberbacher Kreis – eine Gruppe von beratend und forensisch tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten nationaler und internationaler wirtschaftsberatender Anwaltssozietäten, die schwerpunktmäßig in der bAV tätig sind.

Gemeinsam soll das Frühlingserwachen als Impuls für die bAV genutzt werden. Und ein Frühlingserwachen hat die bAV an verschiedenen Stellen wohl dringend nötig. Viele drängende Themen stehen auf der Agenda – die in lockerer, gleichzeitig konzentrierter Atmosphäre von Teilnehmern und den Anwälten des Eberbacher Kreises mit Moderation durch Christian Lorenz, DGFP, bearbeitet werden – ein Tagungsbericht mit allen Aussagen im auf LbAV üblichen Indikativ der Referenten.

Augen auf bei der Entgeltumwandlung

Der Auftakt der Fachtagung liegt bei Christian Reichel von Baker McKenzie unter dem Titel Entgeltumwandlung: Was Arbeitgeber in der Umsetzung aktuell zu beachten haben. Und das ist – wie der Vortrag von Reichel praxisnah aufzeigt – einiges:

Formfragen der Entgeltumwandlungsvereinbarung, Anforderungen des Nachweisgesetzes, Mindestgarantien bei der im Rahmen von Entgeltumwandlungen oft vereinbarten boLZ, Mitbestimmung des Betriebsrats, Umwandlung von betrieblich oder tariflich vereinbartem Entgelt, freiwillige und gesetzliche Arbeitgeberzuschüsse sowie Entgeltumwandlung bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Einige besonderes relevante Erkenntnisse: Die Anforderungen doppelter Schriftformklauseln und das Nachweisgesetz erschweren die Bemühungen einer Digitalisierung des Entgeltumwandlungsprozesses. Gerade im Hinblick auf das Nachweisgesetz kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass die Ansicht des BMAS, nach der die Entgeltumwandlung von den Anforderungen eines schriftlichen Nachweises ausgenommen ist, angesichts des Gesetzgebungsverfahrens und des Wortlauts des Nachweisgesetzes verlässlich sind.

 

 

Für den Markt wäre eine Klärung zur Mindestgarantie der boLZ durch BAG oder Gesetzgeber wünschenswert.“

 

 

Die boLZ erfordert zwar aufgrund der Rechtsprechung des BAG eine Mindestgarantie, aber der Gesetzeswortlaut und verschiedene Indikatoren der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung unterstützen nach Auffassung von Reichel die Annahme, dass diese Mindestgarantie nicht eine Beitragsgarantie wie bei der BZML ist, sondern darunter liegen könnte. Hier wäre für den Markt eine Klärung durch BAG oder Gesetzgeber wünschenswert.

Die Schuld des BAG und der drohende Horizont

Martin Diller, Gleiss Lutz.

Wie lang ist lang genug – oder heißt einmal für immer? So könnte man den Vortrag von Prof. Martin Diller von Gleiss Lutz überschreiben. Und ist das von inzwischen vielen Arbeitgebern in Deutschland genutzte Konzept einer zeitlich befristeten (Beitrags-)Zusage nun zulässig?

Das BAG schuldet hierzu bislang eine eindeutige Antwort. Für den Arbeitgeber besteht grundsätzlich Zusage-Freiheit, doch am Horizont droht die analoge Anwendung der Drei-Stufentheorie des BAG. Würde das BAG diese aus Dillers Sicht fehlerhafte Rechtsprechung aufgeben, wäre auch in der vorliegenden Frage mehr Rechtssicherheit gewonnen.

Zwei Mal zweistellig

Zweistellig geht es mit dem Autor dieses Beitrages (RA bei Advant Beiten) weiter – sowohl im Hinblick auf die maßgebliche Rechtsnorm des § 16 BetrAVG als auch mit dem aktuellen Anpassungsbedarf nach Verbraucherpreisindex: Stand Dezember 2022 für die letzte Dreijahresperiode 13,98% Rentenanpassung in Zeiten hoher Inflation.

Neben den Anforderungen an eine richtig durchgeführte Anpassungsprüfung geht es in dem Vortrag primär um mitigierende Strategien. Was hierbei „richtig“ ist und in der Praxis oft übersehen wird:

Jörn Manhart, Advant Beiten.

Die Rentenanpassung ist zwar im dreijährigen Turnus, aber nicht für die letzten drei Jahre zu ermitteln. Vielmehr ist in jeder Anpassungsprüfung der gesamte Anpassungsbedarf seit Rentenbeginn zu ermitteln. Hiervon sind tatsächlich erfolgte Anpassungen wie berechtigt unterbliebene Anpassungen abzusetzen. Dem Arbeitgeber kann dies die Möglichkeit eröffnen, die aktuelle Anpassungslast zu reduzieren, wenn in der Vergangenheit überobligatorisch angepasst worden ist.

Zu der Kategorie „Richtig“ zählt auch die richtige Betrachtung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers im Konzern. Wie das BAG in seiner jungen Entscheidung vom 15. November 2022 – 3 AZR 505/21 – bestätigt hat, ist auch im Konzern anpassungsverpflichteter „Arbeitgeber“ immer das Unternehmen, mit dem der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Die wirtschaftliche Lage anderer Konzernunternehmen ist grundsätzlich nicht von Belang. Hierbei ist insb. das Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrags kein Grund für einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft.

Was kann ein Arbeitgeber sonst tun, wenn die wirtschaftliche Lage einer Rentenanpassung jedenfalls nach BAG-Anforderungen nicht entgegensteht? Längerfristig kann der Wechsel der Zusageart (BZML / reine Beitragszusage) oder des Durchführungswegs (Direktversicherung) erwogen werden. Kurzfristig kann – neben De-Risiking-Ansätzen á la Rentnergesellschaft – die Umstellung des Rentenanpassungsverfahrens auf die 1%-Anpassung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG auch für Leistungsempfänger geprüft werden – diese sollte jedenfalls dann möglich sein, wenn die Änderung per Betriebsvereinbarung geregelt wird und der Betriebsrentner durch eine dynamische Verweisungsklausel auch an neuere Betriebsvereinbarungen gebunden ist. Entsprechende Klauseln finden sich in vielen Arbeitsverträgen vieler Arbeitgeber.

Hintergrund: Das BAG hat am 11. Juli 2017 – 3 AZR 513/16 – zu der kollektivrechtlichen Änderung einer Anpassungsregelung für Leistungsempfänger festgestellt, dass nach Eintritt des Versorgungsfalls in der Regel nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein können. Eine Rechtfertigung ist grundsätzlich möglich, wenn nur ein geringfügiger Eingriff vorliegt. Diese Geringfügigkeit ist hiernach wiederum dann gegeben, wenn der Versorgungsberechtigte – hätte er mit der Änderung während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechnet – Anlass gehabt hätte, diese durch eine weitere private Absicherung auszugleichen. Dann genügen für die Rechtfertigung dieser Änderung sachlich nachvollziehbare, Willkür ausschließender Gründe.

Nach diesen stark fokussierten Beiträgen schließen sich Astrid Wellhöner von Heuking Kühn Lüer Wojtek und Annekatrin Veit von Luther mit Berichten zu aktuellen Entwicklungen im bAV-Arbeitsrecht und bAV-Steuerrecht an:

Gerade keine Rechtssicherheit

Wellhöners These zu ihrem ersten Schwerpunkt Nachweisgesetz: Das neue Nachweisgesetz macht das Leben für die bAV nicht leichter. Es stellt sich die Frage, welche Dokumente aus Vorsichtsgründen nachweisgesetzlich zu dokumentieren sind. Eine Erleichterung kann die Ausnahmevorschrift zu kollektivrechtlichen Regelungen sein.

 

 

Die Frage nach dem Nachweis bei arbeitnehmer- oder mischfinanzierter Versorgung ist durch die Stellungnahme des BMAS gerade nicht rechtssicher geklärt.“

 

 

Jedoch: Die Frage nach dem Nachweis bei arbeitnehmer- oder mischfinanzierter Versorgung ist durch die Stellungnahme des BMAS an die aba (s.o.) gerade nicht rechtssicher geklärt, so Wellhöner. Hier wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert und geboten. Eine einzelfallbezogene Risikoabschätzung ist derzeit unvermeidlich.

Der Bericht zu den aktuellen Entscheidungen des BAG zur Hinterbliebenenversorgung (enge Auslegung von Ausschlussklauseln: BAG 2. Dezember 2021, 3 AZR 212/21) und Mindestehedauer (BAG 2. Dezember 2021, 3 AZR 254/21) verdeutlichen, dass bei der Gestaltung von Versorgungszusagen nicht nur auf die inhaltlichen Grenzen, sondern auch auf eine klare Regelung zu achten ist, erläutert die Referentin.

Und dass es für Arbeitgeber schwierig sein kann, sich einseitig eine Kapitalzahlung vorzubehalten und diese dann wirksam im Versorgungsfall auszuüben, war Gegenstand der Entscheidungen des BAG vom 17. Januar 2023 (3 AZR 220/22 und 3 AZR 501/21). Die Interessen des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers sind zu berücksichtigen, wobei die Wertgleichheit der Kapitalleistung eine entscheidende Rolle spielt.

Wer im Sicherungsfall das Sagen hat – und Maß halten

Annekatrin Veit, Luther.

Veit widmet sich insb. der aktuellen steuerlichen Rechtsprechung zu CTAs, zur Bilanzierung der bAV und zur Angemessenheit von Versorgungszusagen. Im Detail:

Mit Urteil vom 4. Mai 2022 – I R 19/18 – hat der BFH entschieden, dass auch nach Eintritt des Sicherungsfalles ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis vorliegen kann. Voraussetzung ist hiernach insb. ein im Sicherungsfall fortbestehendes Weisungsrecht des Treugebers in Bezug auf die Behandlung des Treuguts. Insofern lohnt sich eine Überprüfung bestehender CTA-Verträge, da in der Praxis oftmals vorgesehen ist, dass bei Eintritt des Sicherungsfalles das Weisungsrecht endet.

Zur Angemessenheit: Am 12. März 2020 – V R 5/17 – hat der BFH entschieden, dass für die Beurteilung der Angemessenheit von Versorgungszusagen an Organe von gemeinnützigen Körperschaften die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung herangezogen werden können. Hinsichtlich der Höhe der Gesamtvergütung – in die die Versorgungszusage mit ihrer fiktiven Jahresnettoprämie einzubeziehen ist – kann ein Fremdvergleich auf Basis von Vergütungsstudien (BBE, Kienbaum) vorgenommen werden.

Nicht nur gemeinnützigen Organisationen, sondern allen Gesellschaften, die in der Gestaltung der Vergütung ihrer Mitarbeiter und Organe nicht frei sind, sollten bei der Bemessung von Gesamtvergütung und Pensionszusagen Angemessenheitsgrundsätze beachten zur Vermeidung von steuerlichen, wirtschaftlichen und strafrechtlichen Risiken.

Der zweite Teil findet sich zwischenzeitlich auf LEITERbAV hier.

Der Autor ist Rechtsanwalt bei Advant Beiten.

Von ihm sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

Erste DGFP Jahrestagung bAV (I):

Einen Parforceritt …

von Jörn Manhart, 8. Mai 2023

 

Erste DGFP Jahrestagung bAV (II):

Fortsetzung folgt …

von Jörn Manhart, 11. Mai 2023

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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