Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Weiter viel zu tun für deutsche EbAV:

DORA et labora …

doch mit welchem Sinn und Zweck? Deutsche EbAV sind weiter im Regulierungsland: mit viel Aufwand für unklaren Nutzen, noch höheren Anforderungen, praktisch kaum erfüllbaren Vorgaben – und dass etwas Wichtiges nicht untergehe und die 8 draussen vor der Tür bleibe. Miriam Sautter, Thomas Obenberger und Tim Voetmann müssen einen Überblick geben, der offenbar ungeeignet ist, bei Betroffenen Begeisterung auszulösen.

Miriam Sautter, WTW,

Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld für EbAV und ihre Trägerunternehmen ist turbulent. Konjunkturelle Unsicherheiten aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der fortwährenden Unterbrechung der Lieferketten, dazu auf Rekordniveau angestiegene Inflation, drastische Abnahme stiller Reserven aufgrund des starken Zinsanstiegs und eine damit einhergehende Verringerung der Risikotragfähigkeit vieler Einrichtungen prägen die gegenwärtige Situation. Das alles beherrscht derzeit das Tagesgeschäft der EbAV.

Aber auch die nationale und die europäische Gesetzgebung sowie Vorgaben und Maßnahmen der Aufsicht führen dazu, dass sich die Einrichtungen wieder einer Fülle an zusätzlichen regulatorischen Anforderungen gegenübersehen.

Einige davon führten bzw. führen bereits in diesem Jahr zu Handlungsbedarf. Darüber hinaus zeichnen sich schon weitere Themen ab, die voraussichtlich 2023 auf die Agenda rücken und zusätzlichen Aufwand verursachen werden. Nachfolgend – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eine Übersicht über Themen, die (sofern noch nicht geschehen) zeitnah umzusetzen oder zu beachten sind.

Virtuelle Versammlungen: Satzungen anpassen

Mit Ablauf des 31. August 2022 sind die befristeten pandemiebedingten gesetzlichen Sonderregelungen im Gesellschafts- und Vereinsrecht außer Kraft getreten. Sie betrafen u.a. die Durchführung virtueller Hauptversammlungen bzw. Versammlungen des obersten Organs und ließen darüber hinaus auch virtuelle Beschlussfassungen zu.

Damit Aktiengesellschaften künftig dauerhaft virtuelle Hauptversammlungen als zusätzliche Form nutzen können, wurde mittlerweile das Aktiengesetz so angepasst, dass die Satzungen der Gesellschaften entsprechende Bestimmungen oder Ermächtigungen des Vorstands vorsehen können. Gesetzliche Grundlage: das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorgaben, welches mit Wirkung ab dem 1. September 2022 in Kraft getreten ist. Die entsprechenden Bestimmungen in den Satzungen müssen allerdings jeweils nach Ablauf von fünf Jahren erneut bestätigt werden, um weiter Geltung zu entfalten. Die Abhaltung der Versammlung als rein virtuelle HV wird an einige Voraussetzungen wie vollständige Bild- und Tonübertragung geknüpft.

Neben Aktiengesellschaften erfasst die gesetzliche Neuregelung auch die Versammlungen großer VVaG. Kleinere VVaG sind durch diese Neuregelung nicht tangiert und können auf Basis etwaig schon vorhandener Satzungsregelungen wie bisher virtuelle Mitglieder(vertreter)versammlungen durchführen. Außerdem können sie – sofern noch nicht geschehen – für eine derartige Durchführung der Versammlungen die entsprechenden Rechtsgrundlagen schaffen und dabei mangels gesetzlicher Vorgaben das jeweilige Verfahren passgenau für die jeweilige Einrichtung festlegen und so praktisch einfach handhabbare Regelungen definieren.

Sofern eine EbAV daher auch künftig rein virtuelle oder hybride Versammlungen ihres obersten Organs (bzw. auch des Vorstands oder des AR) durchführen möchte und ihre Regularien bislang noch keine diesbezügliche Rechtsgrundlage vorsehen, muss die EbAV zunächst ihre Satzung ändern, um auch in Zukunft im Bedarfsfall von dieser Möglichkeit, welche sich in der Praxis als sehr sinnvoll erwiesen hat, Gebrauch machen zu können. Dies gilt unabhängig von der konkreten Rechtsform der Einrichtung.

Digitale Rentenübersicht: Registrierung, Schnittstellen testen, Steueridentnummern vervollständigen

Thomas Obenberger, Willis Towers Watson.

EbAV sind aufgrund ihrer nach dem VAG bestehenden Verpflichtung zur jährlichen Versendung der Renteninformationen an die Versorgungsanwärter dem Grunde nach zur Anbindung an die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht (ZfDR) verpflichtet. Der genaue Zeitpunkt, ab dem dies verpflichtend erfolgen muss, steht zwar noch nicht fest – dennoch können bzw. sollten die Einrichtungen bereits jetzt mit den ohnehin erforderlichen Vorbereitungen beginnen oder diese zumindest planen.

Bereits am 16. Dezember beginnt mit der ersten Betriebsphase der nicht-öffentliche Testbetrieb, welcher ein Jahr dauert und dann unmittelbar in den Regelbetrieb übergeht. Dieser Übergang ist übrigens nicht zwingend gleichbedeutend mit der Verpflichtung zur Anbindung an die ZfDR. Während der ersten Betriebsphase können sich die EbAV bereits bei der ZfDR registrieren, für die sichere und verschlüsselte Kommunikation mit dieser ein Zertifikat anfordern und einrichten sowie nach erfolgter Anbindung auch bereits die Schnittstelle zur ZfDR testen. Selbst wenn eine EbAV diese Maßnahmen erst später umsetzen möchte, ist sie gleichwohl gut beraten, wenn sie frühzeitig zumindest folgende Vorbereitungen trifft:

Da im Falle einer Abfrage jeweils die letzte verfügbare Standmitteilung zu übermitteln ist, müssen die EbAV zum einen dafür Sorge tragen, dass sie stets für sämtliche Versorgungsanwärter die innerhalb der letzten zwölf Monate an diese versendeten Renteninformationen in ihren Systemen gespeichert bzw. reproduzierbar haben.

 

 

Für alle nach dem Stichtag neu hinzutretenden Versicherten muss die EbAV die Steuer-ID im jeweiligen Einzelfall selbst erheben, am besten gleich bei Beginn der Versicherung.“

 

 

Zum anderen sollten sich die Einrichtungen für sämtliche bei ihnen versicherten Versorgungsanwärter relativ zeitnah deren Steuer-ID beschaffen und in ihren Systemen hinterlegen. Die Steuer-ID dient später der Identifikation der abfragenden Versorgungsberechtigten. Sie muss daher spätestens zur obligatorischen Anbindung der Einrichtungen an die ZfDR vorhanden sein.

Für die praktische Umsetzung bedeutet dies, dass dieses Identifikationsmerkmal sinnvoller Weise frühzeitig für das Gros des derzeitigen Anwärterbestandes beschafft und gespeichert werden sollte und dann noch ein weiteres Mal, sobald der Stichtag für die zwingende Anbindung zur ZfDR endgültig feststeht, um bereits ab Tag eins der Pflichtanbindung für einen Großteil der Anwärter auskunftsfähig zu sein.

Hierfür kann das Maschinelle Anfrageverfahren (MAV) gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern genutzt werden. Für alle nach dem Stichtag neu hinzutretenden Versicherten muss die EbAV dagegen die Steuer-ID im jeweiligen Einzelfall selbst erheben, am besten gleich bei Beginn der Versicherung.

IT-Sicherheit: Nach VAIT kommt DORA

Das neue VAIT-Rundschreiben (Versicherungsaufsichtliche Anforderungen an die IT) trat mit seiner Veröffentlichung am 3. März unmittelbar in Kraft. Eine Übergangsfrist gab es nicht, da laut BaFin keine grundlegend neuen Anforderungen aufgenommen, sondern lediglich bereits zuvor bestehende Anforderungen konkretisiert wurden.

Eine intensive Auseinandersetzung mit der neuen VAIT ist inzwischen bei den meisten EbAV erfolgt. Nach Durchführung einer GAP-Analyse befinden sich die EbAV aber größtenteils noch in der Umsetzung. Dabei stellt sich die Frage, wie die sich unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips bietenden „Gestaltungsspielräume“ aktiv genutzt werden könnten.

Eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern verschiedener aba-Gremien hat sich mit dieser Frage befasst und wird den EbAV eine Umsetzungshilfe zur neuen VAIT zur Verfügung stellen.

 

 

Auch wenn die Verordnung die Befugnis zum Erlass konkretisierender technischer Regulierungsstandards beinhaltet und somit viele Details noch unklar sind, ist bereits jetzt absehbar, dass DORA zu neuen und noch höheren Anforderungen führen wird.“

 

 

Trotz neuer VAIT wird IT-Sicherheit aber auch in Zukunft ein Thema sein: Auf europäischer Ebene sollen mit der Verordnung über die Betriebsstabilität digitaler Systeme des Finanzsektors (Digital Operational Resilience Act, DORA) die Anforderungen an die Sicherheit der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) harmonisiert und vereinheitlicht werden. Ende November 2022 wird die endgültige Verabschiedung der Verordnung erwartet, in deren Anwendungsbereich auch EbAV fallen.

Die DORA soll unmittelbar nach Veröffentlichung in Kraft treten und muss dann innerhalb von 24 Monaten angewendet werden. Auch wenn die Verordnung die Befugnis zum Erlass konkretisierender technischer Regulierungsstandards beinhaltet und somit viele Details noch unklar sind, ist bereits jetzt absehbar, dass DORA zu neuen und noch höheren Anforderungen führen wird. Für EbAV bleibt nur zu hoffen, dass das Proportionalitätsprinzip weiterhin Beachtung findet.

BaFin-Bestandsaufnahme zur Kostentransparenz: Viel Aufwand für unklaren Nutzen

Am 7. Oktober 2021 hat EIOPA eine Stellungnahme an die nationalen Aufsichtsbehörden zur aufsichtlichen Berichterstattung über alle Kosten, die bei EbAV anfallen („Opinion on the supervisory reporting of costs and charges of IORPs“) veröffentlicht.

Die EIOPA sieht eine künftig regelmäßige Erfassung der Kapitalanlage-, Transaktions-, Verwaltungs-, Vertriebs- sowie der vom Trägerunternehmen getragenen Kosten vor. Dabei soll einem Look-Through-Ansatz gefolgt werden, d.h. alle Kosten und Gebühren, die auf Ebene der Investmentfonds, der Verwalter und der Transaktionen anfallen, sollen einbezogen werden.

 

 

Die BaFin wird die Vorgaben der Stellungnahme in Deutschland umsetzen.“

 

 

Darüber hinaus soll das Bruttoprinzip (No-netting principle) angewandt werden, d.h. es darf keine Verrechnung von Kosten mit Erträgen vorgenommen werden. Auf Basis der so gewonnen Daten sollen die nationalen Aufsichtsbehörden künftig die Kosteneffizienz der EbAV, die Bezahlbarkeit für die Trägerunternehmen und das Preis-Leistungs-Verhältnis für die Versorgungsberechtigten bewerten.

Dienstsitz der EIOPA in Frankfurt am Main.

Die BaFin war als Mitglied der EIOPA-Arbeitsgruppe an der Erarbeitung der Opinion beteiligt und wird, auch wenn eine EIOPA-Opinion keinen bindenden Charakter hat, die Vorgaben der Stellungnahme in Deutschland umsetzen. Nach den Vorgaben der EIOPA ist eine Befreiung von der Kostenberichterstattung nur für kleine bzw. geschlossene EbAV ohne Gewinnerzielungsabsicht möglich, die nur Leistungszusagen anbieten.

Um zu beurteilen, ob und ggf. wie dieser Ermessensspielraum ausgenutzt werden sollte, plant die BaFin zunächst im November 2022 eine nationale Bestandsaufnahme durchzuführen, die sich eng an den Maßnahmen der EIOPA-Opinion orientieren wird. Auf Basis der Ergebnisse soll der Mehrwert der Kostentransparenz für den deutschen Markt bewertet und über die Umsetzung bzw. den Umfang der Umsetzung entschieden werden.

 

 

Dass Kostentransparenz zusätzliche Kosten verursacht und der Aufwand für die EbAV erheblich steigen wird, kann bereits jetzt mit Sicherheit gesagt werden.“

 

 

Ob die Bestandsaufnahme zu dem für alle bAV-Stakeholder in Deutschland wünschenswerten Ergebnis kommen wird, dass EbAV in Deutschland keine Kostenprobleme haben und die Einführung eines dauerhaften Kostenberichtswesens nicht notwendig ist, bleibt abzuwarten.

Dass Kostentransparenz zusätzliche Kosten verursacht und der Aufwand für die EbAV erheblich steigen wird, kann aber bereits jetzt mit Sicherheit gesagt werden. Insbesondere die geforderten Angaben zu den seitens der (ihrerseits nicht der Aufsicht unterstehenden) Trägerunternehmen von Pensionskassen und Pensionsfonds getragenen Aufwendungen dürften schwierig zu erheben und die Antworten im Zweifel kaum vergleichbar sein.

Weniger für die generelle Umsetzbarkeit regelmäßiger Kostenerhebungen, als vielmehr für den Aufwand im Zusammenhang mit den Vollkosten der Kapitalanlage wird entscheidend sein, ob (und zu welchen Kosten) eingeschaltete Versicherer und Kapitalverwaltungsgesellschaften ab spätestens Anfang nächsten Jahres bereit und in der Lage sein werden, Kostentransparenz z.B. für Spezialfonds in der gewünschten Granularität zu schaffen.

Der Nutzen der Kostentransparenz dürfte für alle Beteiligten vergleichsweise gering sein; nicht zuletzt auch deshalb, weil der Arbeitgeber in Deutschland im Rahmen der Subsidiärhaftung grundsätzlich für die zugesagte Leistung einsteht und somit Versorgungsberechtigte als auch Trägerunternehmen bzw. Arbeitgeber dieselben Interessen verfolgen und eine Kosteneffizienz der EbAV per se anstreben.

Darüber hinaus ist unklar, welche Schlussfolgerungen aus den gewonnenen Ergebnissen gezogen werden, wenn bspw. ein einfaches Sparprodukt in einem anderen europäischen Land „billiger“ in der Herstellung ist als die vollumfängliche Administration einer komplexen Versorgungszusage in Deutschland.

RTS zur OffenlegungsVO: Vorerst eher Explain als Comply …

Tim Voetmann, WTW.

Seit 10. März 2021 müssen Finanzmarktteilnehmer, darunter auch EbAV, die Anforderungen der OffenlegungsVO umsetzen. Zunächst bedeutete dies, dass die Anforderungen der OffenlegungsVO selbst prinzipienorientiert erfüllt werden mussten. Mit der kürzlich erfolgten Veröffentlichung der technischen Regulierungsstandards (RTS) zur OffenlegungsVO in Form der Delegierten Verordnung (EU) 2022/1288 wurden nun auch der konkrete Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen festgelegt. Dadurch sollen ab 1. Januar 2023 die Qualität und die Vergleichbarkeit der offenzulegenden Informationen verbessert werden; Proportionalitätserwägungen bleiben dabei weitestgehend unberücksichtigt.

Grundsätzlich müssen sich EbAV im Rahmen der OffenlegungsVO mit ihren Nachhaltigkeitsrisiken befassen (Art. 3 und 6) und darüber hinaus offenlegen, welche nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren auf Unternehmens- und Produktebene berücksichtigt werden (Art. 4 und 7) – das sog. Principal Adverse Impact Statement (PAI).

 

 

Es ist davon auszugehen, dass eine dauerhafte Explain-Möglichkeit in der aktuellen Form unwahrscheinlich ist.“

 

 

Allerdings haben EbAV mit nicht mehr als 500 Mitarbeitern im Durchschnitt eines Geschäftsjahres (was regelmäßig der Fall ist) die Wahlmöglichkeit „comply or explain“. Sie können angeben, dass keine nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden. Dann muss jedoch auch erklärt werden („explain“), warum dies nicht der Fall ist und ab wann ggf. eine Berücksichtigung erfolgt (Art. 4 Abs. 1b).

Auch wenn dieses Wahlrecht im Rahmen der öffentlichen Diskussion völlig unterzugehen droht und ferner davon auszugehen ist, dass eine dauerhafte Explain-Möglichkeit in der aktuellen Form unwahrscheinlich ist, können EbAV zumindest aktuell (noch) diesen Weg nutzen.

Insbesondere aufgrund der äußerst umfangreichen und praktisch kaum erfüllbaren Vorgaben der RTS zum Comply-Ansatz kann dieses Wahlrecht für EbAV von besonderer Bedeutung sein. EbAV, die sich für den Comply-Ansatz entschieden haben, müssen nämlich bereits zum 30. Juni 2023 rückwirkend über den ersten Berichtszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022 nach den Vorgaben der RTS berichten. Dies dürfte momentan jedoch kaum möglich sein, da die erforderlichen Daten nur teilweise vorliegen und vor allem auch die entsprechende Infrastruktur und Governance sowie die den Vorgaben der RTS entsprechenden erforderlichen ESG-Instrumente noch nicht eingerichtet bzw. entwickelt sind.

und in der Praxis kaum eine Wahl

Unter der Risikoabwägung, dass eine nicht richtige bzw. nicht vollständige Erfüllung der Offenlegungspflichten gemäß OffenlegungsVO i.V.m. den RTS zu Feststellungen des Wirtschaftsprüfers führen wird und ggf. auch bußgeldbewehrt ist, bleibt den EbAV in der Praxis momentan nichts anderes übrig, als sich für den Explain-Ansatz zu entscheiden.

Wichtig dabei ist ferner darauf zu achten, dass das Altersversorgungssystem nicht in den Anwendungsbereich des Art. 8 der OffenlegungsVO („hellgrünes“ Produkt, Bewerbung ökologischer und sozialer Merkmale) fällt, damit keine zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen sind.

In den von der BaFin am 5. September 2022 veröffentlichten FAQ für die OffenlegungsVO wird der zentrale Begriff “promote“ (Art. 8) relativ weit gefasst und als „fördern“ ausgelegt. Somit ist für ein „promote“ nicht erforderlich, dass Werbung im eigentlichen Sinn betrieben wird, auch die bloße Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Informationspflichten kann daher zu einem „promote“ führen. Für den bevorstehenden Jahresabschuss sollte daher eine ernste und tiefgreifende Auseinandersetzung mit der OffenlegungsVO und den RTS erfolgen, um eine verordnungsgemäße Umsetzung des Explain-Ansatzes sicher zu stellen.

 

 

Die sich in der Praxis ergebende ‚rückwirkende‘, damit im Regelfall nicht realisierbare Einführung der RTS führt zum Gegenteil dessen, was erreicht werden soll und ist eher kontraproduktiv.“

 

 

Auch wenn EbAV grundsätzlich den hinter den Verordnungen stehenden Gedanken zur Nachhaltigkeit Rechnung tragen wollen, stehen sie den aktuellen Berichtspflichten nach Art. 8 kritisch gegenüber, da die Transparenzanforderungen nicht effektiv umgesetzt werden können. Auch EIOPA und BaFin haben mehrfach betont, dass es vorrangiges Ziel ist, „green washing“ zu vermeiden, nicht aber, erste Ansätze von Nachhaltigkeitsstrategien zu unterbinden. Dennoch führt die sich in der Praxis ergebende „rückwirkende“ und damit im Regelfall nicht realisierbare Einführung der RTS im Ergebnis zum Gegenteil dessen, was eigentlich erreicht werden soll und ist daher eher kontraproduktiv.

Entwicklung der Rechnungszinsen: Handlungsspielräume prüfen

Bezogen auf die Entwicklung des Marktzinsniveaus kann man für das Jahr 2022 von einer Zeitenwende sprechen, denn der langjährige Trend fallender Zinsen ist in einen nahezu beispiellosen Anstieg umgeschlagen. Soweit dies nicht längst schon erfolgt ist, sollten sich alle EbAV umgehend mit einer Überprüfung ihrer strategischen Anlageallokation und den daraus resultierenden Auswirkungen auf ihre langfristigen Renditeerwartungen auseinandersetzen.

Für Pensionsfonds mit nicht-versicherungsförmiger Durchführung der Versorgungsleistungen, die ihre Rechnungszinsen aus den langfristigen Renditeerwartungen ableiten, ergeben sich unmittelbar Handlungsspielräume, wobei sie die gestiegenen Renditeerwartungen durch entsprechende Analysen (z.B. ALM-Studien, Benchmarks oder Building-Block-Verfahren) untermauern sollten.

Für Pensionsfonds mit versicherungsförmiger Durchführung der Versorgungsleistungen und deregulierte Pensionskassen ist der Blick auf den Höchstrechnungszins gemäß DeckungsrückstellungsVO entscheidend. Voraussichtlich zu Beginn des Jahres wird die DAV turnusgemäß prüfen, inwieweit der aktuell gültige HRZ in der Lebensversicherung weiterhin angemessen ist. Da dabei auch die mittleren Renditen eines repräsentativen Neuanlageportfolios der vergangenen fünf Jahre eingehen und der gewünschte Sicherheitsabstand zu den tatsächlichen Renditen in den vergangenen Jahren deutlich unterschritten wurde, ist nicht von einer Empfehlung zu einer deutlichen Anhebung auszugehen.

Die abschließende Entscheidung über den HRZ obliegt dem Bundesministerium für Finanzen durch eine Änderung der DeckungsrückstellungsVO, mit der wohl frühestens zum 1. Januar 2024 zu rechnen wäre.

 

 

Der Aufwand für die Bildung der ZZR wird im Vergleich zu den Vorjahren deutlich sinken oder sogar in Folge schrumpfender Bestände in einen Ertrag aus Auflösung umschlagen.“

 

 

Der für die Ermittlung der ZZR für nicht regulierte Tarife maßgebliche Referenzzins beträgt zum 31. Dezember 2022 wie im Vorjahr 1,57% und wird sich auch in den Folgejahren nur geringfügig verändern – vorausgesetzt das Zinsniveau fällt nicht wieder deutlich ab.

Entsprechend wird der Aufwand für die Bildung der ZZR im Vergleich zu den Vorjahren deutlich sinken oder sogar in Folge schrumpfender Bestände in einen Ertrag aus Auflösung umschlagen. Pensionskassen und Pensionsfonds mit versicherungsförmiger Durchführung sollten dies bei der Planung der Mindestzuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung berücksichtigen.

Die BaFin in Frankfurt am Main, Foto: Kai Hartmann.

Regulierte Pensionskassen (und nicht regulierte Pensionskassen mit genehmigten Tarifen) können vom HRZ gemäß DeckungsrückstellungsVO abweichende Rechnungszinsen verwenden. Voraussichtlich im April wird die DAV ihren Ergebnisbericht zur Aktualisierung der Inputparameter des im Fachgrundsatz zur Beurteilung der Angemessenheit des Rechnungszinses beschriebenen Verfahrens vorlegen. Das gestiegene Zinsniveau wird sich sicher in gestiegenen Erwartungswerten der Renditeparameter niederschlagen. Andererseits werden sich die Sicherheitsabschläge aufgrund der gestiegenen Volatilitäten wohl auch erhöhen, so dass regulierte Pensionskassen nicht von einem deutlichen Anstieg der angemessenen Rechnungszinsen ausgehen sollten.

Zudem hat die BaFin wiederholt klargestellt, dass sie auch bei regulierten Tarifen erst wieder Spielräume für Erhöhungen der Rechnungszinsen sieht, wenn der HRZ gemäß DeckungsrückstellungsVO angehoben wird.

Mit dem Anstieg des Zinsniveaus geht ein deutlicher Rückgang der stillen Reserven einher, bis hin zum Aufbau stiller Lasten. Soweit stille Reserven verbleiben, sollten EbAV bereits jetzt prüfen, ob im Jahr 2023 möglicherweise eine Beteiligung an den Bewertungsreserven zu gewähren ist.

Eigene Risikobeurteilung: Risikoprofil überprüfen

Mittlerweile haben alle EbAV die erste Eigene Risikobeurteilung erstellt. Vor allem die EbAV, die die erste Erstellung im Jahr 2021 vorgenommen haben, sollten prüfen, ob im Jahr 2022 durch den beobachteten Zinsanstieg eine wesentliche Änderung des Risikoprofils eingetreten ist. Dabei sollte auf Konsistenz zu den Ergebnissen der Prognoserechnung 2022 geachtet werden.

Das Ergebnis der Prüfung einschließlich Begründung sollte dokumentiert werden. Im Idealfall sind oder werden die qualitativen und quantitativen Maßstäbe der Begründung in die Leitlinie zur Eigenen Risikobeurteilung aufgenommen.

Kommt die EbAV zu dem Ergebnis, dass eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist die Eigene Risikobeurteilung außerhalb des planmäßigen Turnus bereits vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist erneut durchzuführen.

Ausblick: Weiter, immer weiter!

Neben den genannten konkret anstehenden Themen zeichnen sich die nächsten regulatorischen Baustellen bereits ab, wobei der Ausblick nicht für Beruhigung sorgen dürfte.

Über die unklare Lage mit Blick auf die EntwaldungsVO wurde auf LbAV bereits umfangreich berichtet.Dazu überraschte die BaFin auf der aba-Aufsichtsrechtstagung mit der Erkenntnis, dass das BaFin-Vertriebsrundschreiben (RS 11/2018 zur Zusammenarbeit mit Versicherungsvermittlern sowie zum Risikomanagement im Vertrieb) zumindest in Teilen wohl auf EbAV anwendbar sei, obwohl diese von der umzusetzenden EU-Vertriebsrichtlinie ausdrücklich ausgenommen wurden.

Während die EbAV gerade erst die letzten Schritte zur Umsetzung der EbAV-II-Richtline verdauen, werden auf europäischer Ebene bereits die Vorbereitungen zur nächsten Überarbeitung genau dieser Richtlinie getroffen.

Und schließlich steht auch noch das Inkrafttreten der Versicherungs-Ausgliederungsanzeigenverordnung vor der Tür, welche für sämtliche neuen Ausgliederungen zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Allen Beteuerungen der Politik zum Trotz, die betriebliche Altersversorgung stärken zu wollen, gehört mittlerweile viel Phantasie zu der Vorstellung, dass dies durch die (man könnte auch fragen: oder trotz der?) kontinuierlich steigenden Anforderungen an die Einrichtungen und die zunehmende Regulierung tatsächlich erreicht werden kann.

Die Autoren:

Miriam Sautter ist Director bei WTW.

Thomas Obenberger ist Director bei WTW.

Tim Voetmann ist Director bei WTW.

Von ihnen bzw. anderen Autorinnen und Autoren von Willis Towers Watson sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

#womeninpensions zum Weltfrauentag:
Spot on betriebliche Altersversorgung für diejenigen ...
von Dr. Claudia Veh und Hanne Borst

Neue bAV bei Stanley Black & Decker:
Aufbohren allein …
von Maggie Kranz, Christopher Schumbert und Sabrina Hoss, 6. Februar 2024

bAV-Prax Advertorial – Unternehmensliquidation und Betriebsrentner:
Garantie gibt dir einer …
von Dr. Rene Döring, Dr. Johannes Heiniz und Torsten Weißmeier, 24. November 2023

Weiter viel zu tun für deutsche EbAV:
DORA et labora ...
von Miriam Sautter, Thomas Obenberger und Tim Voetmann, 21. November 2022

Die Ampel-Agenda für die drei Säulen:
Default mit Strahlung …
von Dr. Michael Karst und Dr. Johannes Heiniz, 2. März 2022

EbAV-Regulatorik 2022:
DORAFISGVAITERBKRITIS …
von Miriam Sautter, Thomas Obenberger und Rafael Krönung, 31. Januar 2022

Branchentreff Industrie und Pensionskassen (II):
Von Regulatorik, Teilsanierung, PSV und RentÜG
Dr. Rafael Krönung, 12. August 2021

Der Versorgungsausgleich in der bAV-Realität (V):
Teurer, komplizierter, aufwändiger
Dr. Michael Karst und Dr. Andreas Hufer, 30. Juli 2021

Vergangenen Herbst in Erfurt (II):
CTA auf dem Prüfstand
Dr. Michael Karst, 25. Februar 2021

Die Industrie trägt vor:
Die bAV in den Zeiten von Corona
von Dr. Heinke Conrads, 21. Januar 2021

Der Versorgungsausgleich in der bAV-Realität (IV):
Der Aufwand legt weiter zu …

von Dr. Michael Karst und Dr. Andreas Hufer, 9. Oktober 2020

Der Versorgungsausgleich in der bAV-Realität (III):
Höhere Anforderungen an externe Teilung

von Dr. Michael Karst und Dr. Andreas Hufer, 16. Juni 2020

ICA 2018 in Berlin (V):
Andere Länder, ähnliche Sitten

von Jürgen Fodor, 18. Juni 2018

Konzept für eine effiziente Kapitalanlage:
Pensionsfonds plus Fiduciary Management

von Sabine Mahnert und Andreas Drtil, 24. Mai 2016

Der Tiefzins und Otto Normalverbrauchers Altersvorsorge
von Alfred Gohdes, 14. April 2016

Alf Gohdes im Interview: „…nach dem Motto ‚Jugend forscht’“
9. Dezember 2015

EIOPA und das Pan-European Personal Pension Product:
„So schlicht wie blauäugig“

von Alfred Gohdes, 8. September 2015

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.