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Kassandra:

Die kommentierte Presseschau zur bAV

Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Der Steigbügelhalter.

 

 

Die Pensions-Nachrichtendichte auf LEITERbAV hat die kommentierte Presseschau zur bAV in den letzten Monaten schlicht verdrängt, doch nun ist Kassandra zurück – und steigt direkt mit dem Themenkomplex EZB ein:

 

 

FAZ (10. Juli): „Verhandlung vor dem EuGH – Die Bundesregierung verteidigt den EZB-Staatsanleihekauf.“

 

Wenn schon die Regierung des Landes, welches nicht zuletzt über Target-2-Salden und über QE-Abweichungen vom Capital Key wohl den höchsten Preis für diese Geldpolitik zahlt, sich sogar vor Gericht nach Kräften müht, eben diese Politik zu rechtfertigen, dann muss Kassandra angesichts der offenkundigen Absurdität dieser Theateraufführung erneut nach der Sinnhaftigkeit des Verfahrens vor dem EuGH fragen:

 

Im Ernst, was soll denn dabei rauskommen? Etwa, dass der EuGH amtlich feststellt, was jeder weiß: dass es sich um verbotene Staatsfinanzierung handelt? Also Rückabwicklung des gesamten QE-Volumens? Italien, Frankreich et.al. müssen gegen echtes Geld der EZB ihre Sovereigns wieder abnehmen?

 

Um zu erkennen, dass das irreal ist, muss man kein Experte sein. Eine Rückabwicklung, ja nur ein Stopp des QE wäre nicht nur finanziell unmöglich, sondern auch politisch unerwünscht. Außerdem sei daran erinnert, dass der EuGH schon im Juni 2015 (unter griechischem Präsidenten) entschieden hat, dass das zu QE ähnliche OMT-Programm der EZB rechtmäßig sei. Das BVerfG folgte dem rund ein Jahr später nahezu vollumfänglich.

 

Thema in dem oben verlinkten FAZ-Beitrag ist übrigens auch die schon länger stattfindende Abweichung vom Capital Key (etwas, vor dem an dieser Stelle stets gewarnt worden ist):

 

Außerdem weiche die EZB bei den Käufen vom beschlossenen Kapitalschlüssel immer stärker ab. Die Käufe von Papieren aus Frankreich, Italien und Spanien und anderen Ländern überstiegen deren EZB-Kapitalquoten um rund 4 bis 5 Prozent.“

 

Das heißt nichts anderes, als dass hier zusammen mit den ANFA-Aufkäufen und bei den Target-2-Salden von der EZB mit Hunderten Milliarden nationale Partikularinteressen der Südstaaten bedient werden.

 

Erneut sei daher betont, dass das Bundesverfassungsgericht angesichts der Gemengelage keine reale politische Möglichkeit hat, hier das Ruder herumzureißen. Gleichwohl könnte das Gericht äußerst wichtige Weichen stellen. Das Gericht könnte im Zuge seines erwartbaren „Ja, aber“-Urteils der Bundesregierung und der Bundesbank zumindest imperativ auftragen, mit dem Druckmittel des Ausstieges die EZB bzw. die anderen Euroländer immerhin zu veranlassen:

 

  • dass die EZB beim QE-Kauf der Sovereigns (also dem Kern der Staatsfinanzierung) den Capital Key strikt einhält und bisherige Abweichungen rückwirkend korrigiert.

 

  • dass praktisch extrakonstitutionale Maßnahmen wie ANFA, bei denen sich Staaten stumpf ihre eigenen Euros drucken, strikt verboten und ggf. gar rückabgewickelt werden müssen, mindestens aber für die anderen Euro-Länder ein Ausgleich nach dem Capital Key erfolgt. 

 

  • dass Deutschland das Recht erhält, seine Target-II-Salden stets von der EZB per Überweisung an die Bundesbank ausgleichen zu lassen.

 

Das wären Punkte, die zu fordern das Rückgrat des BVerfG eigentlich ausreichen sollte. Ein solches Urteil würde zwar in Brüssel, Paris, Rom, Madrid, Athen und Lissabon für Ärger, vielleicht gar für Panik sorgen, ebenso in dem schicken neuen Glaspalast im Frankfurter Ostend, doch schließlich bliebe dort nichts weiter übrig, als zähneknirschend zu akzeptieren. Damit wäre schon sehr sehr viel gewonnen, und das wäre das Maximale an Dienst, den die Verfassungsrichter ihrem Land noch erweisen können.

 

Käme es so, dann reden wir also allein von rund einer Billion Euro Target-II-Salden, welche die EZB per Knopfdruck an die Bundesbank und damit an die Bundesrepublik Deutschland zu überweisen hätte.

 

Abgesehen von der alles andere als banalen Frage, ob dies angesichts des gegenwärtigen Standards der Governance in Deutschland überhaupt wünschenswert wäre, gäbe es der Aufgaben genug: Infrastruktur sanieren, bAV fördern oder noch besser einen nationalen Pensionsfonds speisen, der nach norwegischem Vorbild im Ausland Real Assets erwirbt. Ergebnis: Deutschland bekäme seine Export-Überschüsse zur Abwechselung einmal wirklich bezahlt, und als Nebeneffekt wäre damit auch die Leistungsbilanz wieder ausgeglichen, also genau das, was u.a. Donald Trump, Brüssel und Paris stets lauthals fordern (das Dümmste, was man mit dem Geld machen könnte, wäre übrigens Schuldentilgung in einem Nullzinsumfeld).

 

Fazit: Wenn man schon nicht verhindern konnte, dass der QE-Kuchen völlig über Gebühr aufgeblasen worden ist und nun weiter aufgeblasen werden muss, dann sollte man wenigstens dafür sorgen, dass das eigene Land seinen Anteil an dem Kuchen erhält, anstatt ihn fast komplett zu bezahlen.

 

Allerdings: Passieren wird am Ende gar nichts. Nach den nun getätigten Aussagen der Bundesregierung vor dem EuGH erst recht nicht. Was soll man nun vom BVerfG noch erwarten? 

 

En Detail hat der Autor übrigens die QE-Problematik samt der einzig möglichen Exit-Strategie aus dieser Politik der steigenden Fallhöhe ausführlich in den beiden FT-Comments „Vabanque in unserer Zeit“ und „Wenn schon Wahnsinn, dann bitte mit Methode“ der dpn-Sonderausgaben Pensions 2017 diskutiert.

 

 

 

FAZ (10. Juni): „Lieber Herr Draghi, es wird Zeit!“

 

Hier ein zu der Thematik passender Kommentar, der offenbar etwas handlungsoptimistischer an die Sache herangeht als Kassandra, Zitate:

 

Es gibt keinen Grund, diese umstrittene Finanzmarktoperation fortzusetzen. […] Sollte die EZB es in der nächsten Woche allein bei Diskussionen belassen und keinen Beschluss zum Ausstieg fällen, verkennt sie die Wirklichkeit. Denn längst ist die Inflationsrate im Euroraum mit 1,9 Prozent bei jenem Wert angelangt, den die EZB anstrebt. Die Notenbanker haben also keine Ausrede mehr. […] Würden sie wirklich abwarten, bis alle politischen Krisen Europas beigelegt sind, müssten sie das Kaufprogramm wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag fortsetzen.“

 

Verkennen der Wirklichkeit? Diese Wirklichkeit kann man getrost anders sehen – zumindest wenn man Mario Draghi heisst und wie Mario Draghi denkt. Gründe dafür gibt es sehr wohl. Nämlich den, dass Europa in seiner finanz-, industrie- und geopolitisch prekären Lage keinen Deut höhere Zinsen vertragen kann, ohne direkt wieder ins Taumeln zu geraten. Den, dass bei genauem Hinsehen auch das Super-Pig Deutschland genauso insolvent ist wie seine südeuropäischen Währungsgenossen. Den, dass der Euro seit seiner Pathogenese aus Manipulation und Regelbruch auch nur durch weitere Manipulation und Regelbruch überleben kann.

 

Und QE bis zum St. Nimmerleinstag? Wer glaubt, dass das in den Denkschemata eines Mario Draghi keine Option ist, der unterschätzt die Länge seines Atems ebenso wie die Systemzwänge, die durch das jahrelange Gelddrucken entstanden sind. Es sei wiederholt: Es gibt nur eine Lösung, eine einzige.

 

 

 

FAZ (30. Mai): „Arbeitsplatz + Wohnung = Traumjob.“

 

Zum dritten Mal heute FAZ: In der bAV ist viel die Rede davon, dass angesichts des vorgeblichen Fachkräftemangels eine attraktive Betriebsrente Arbeitgebern helfen könnte, sich bei der Suche nach gutem Personal durchzusetzen.

 

Hier nun beschreibt die FAZ, wie Unternehmen zunehmend versuchen, ihren neu angeheuerten Fachkräften bezahlbaren Wohnraum zu verschaffen – vor allem in den Großstädten wie Köln, München, Hamburg oder Berlin.

 

Angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt (die übrigens ebenfalls massiv von der oben diskutierten Geldpolitik getrieben ist) kann man sich vorstellen, welche Attraktivität es auf den hochqualifizierten Bewerber ausstrahlt, wenn man ihm neben dem Job gleich noch eine chice Wohnung im Prenzlauer Berg, im Glockenbachviertel oder in der Kölner Südstadt anbietet. Insofern sollte man diese von der FAZ geschilderte, neue Entwicklung im Auge behalten, denn hier könnte sich ein (ganz anders als die bAV)

 

  • informelles

  • unreguliertes

  • risikoarmes

  • schnell fühl- und erlebbares

  • und einfach zu handhabendes

 

Incentive-System entwickeln, das in seiner Wirkung der Talentgewinnung Dinge wie bAV, Dienstwagen und Essengutscheine schnell in den Schatten stellen dürfte – das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass viele Unternehmen in ihren EbAV und CTAs Wohnimmobilien en masse im Portfolio haben. Wenn man hier die internen Richtlinien ändert und freiwerdende Wohnungen bevorzugt an eigene respektive neue Mitarbeiter vermietet, dann wäre auch die bAV hier wieder im Spiel, zumindest mittelbar – als Steigbügelhalter.

 

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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