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70 Basispunkte hoch:

Die ganz kleine Rückkehr des Zinses?

Corona macht vor nichts halt, nicht mal vor dem IAS 19. In einer Krise, die derzeit kein Ende zu kennen scheint, bedeutet ein an sich unschönes Phänomen wenigstens eine kleine Entspannung – zumindest vorübergehend. Doch es ist nicht nur der Zins, der bAV-betreibenden Unternehmen etwas Luft verschafft.

 

Björn Ricken, Aon.

70 Basispunkte! Das ist die Größenordnung, um welche die Zinssätze für die Bewertung von Versorgungsverpflichtungen nach internationalen Bilanzierungsgrundsätzen aktuell, das heißt am 17. März, etwa oberhalb der Zinssätze von Ende Februar liegen. Gegenüber dem 31. Dezember 2019 sind es immer noch rund 40 Basispunkte. Das hat Aon gestern berechnet.

 

Aon ermittelt monatlich auf Basis der Aon Eurozone Yield Curve eine Zinsempfehlung für drei Musterbestände: Anwärter-, Rentner- und Mischbestand).

 

Von Ende Dezember 2019 bis Ende Februar 2020 sanken die Rechnungszinssätze in dieser Curve zunächst um insgesamt rund 30 Basispunkte (für einen Mischbestand von 1,2 auf 0,9 Prozent).

 

Doch nun, so die Aon-Experten um Christian Rasch und Björn Ricken, ist die weltweite Verunsicherung in den Märkten nach den zunehmend drastischeren Maßnahmen der Staaten zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus mit noch unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft deutlich zu spüren.

 

Folge: Die Renditen von AA-Unternehmensanleihen mit Restlaufzeiten von mehr als zehn Jahren und damit auch die Rechnungszinssätze sind in den letzten beiden Wochen gegenüber Ende Februar grob um besagte 70 Basispunkte gestiegen. Heute morgen hat Ricken den Wert gegenüber LEITERbAV bereits auf 100 bis 110 Basispunkte angepasst – bei Betonung aller Unklarheit über die weitere Entwicklung (s.u.).

 

Ein Grund dürfte, so der Consultant weiter, das (kurz-/mittelfristig) deutlich gestiegene Ausfallrisiko einiger Unternehmen in der aktuellen Gesamtlage sein.

 

So gesehen bedeutet diese offenkundige Krisenerscheinung, dass sie – bei aller sonst damit einhergehenden Problematik – wenigstens mittelbar auch etwas zur Entspannung der bilanziellen Lage bei vielen Unternehmen beiträgt und damit auch die Realwirtschaft in diesen schweren Zeiten etwas stützt.

 

Rating Downgrades könnten folgen

 

Allerdings: Aon betont, dass diese Entwicklung nicht in Stein gemeißelt ist. Denn in der Folge der Krise könnte es passieren, dass einige Unternehmen mit hohen Renditen ein Downgrade von AA zu A erfahren werden, wodurch die Rechnungszinssätze wieder absinken könnten.

 

Es sei hinzugefügt, dass auch das gestern Nacht angekündigte, gigantische QE-Programm der EZB namens PEPP [sic.], das sich offenbar weiter nur auf Anleihen (und Kredite), nicht aber auf Aktien konzentrieren soll (und die Märkte weiter recht kalt lässt), maßgeblichen Einfluß auf den frisch angestiegenen Zins haben dürfte. Möglicherweise gilt hier also für IAS-19-Bilanzierer: Wie gewonnen, so zerronnen.

 

Der Consultant kündigt an, dass er voraussichtlich am 2. April hier die finalen Rechnungszinssätze zum 31. März 2020 veröffentlichen wird.

 

Nur kleine Effekte im HGB

 

Wenig überraschend sind die Auswirkungen auf die HGB-Rechnungszinssätze aufgrund der Durchschnittsbildung über zehn bzw. sieben Jahre deutlich geringer. Nichtsdestotrotz könnten sich zum 31. März 2020 um einen Basispunkt höhere als bisher erwartete HGB-Zinsen ergeben, nämlich dann 2,61 Prozent (10-Jahres-Durchschnitt) bzw. 1,89 Prozent (7-Jahres-Durchschnitt), erwartet Aon.

 

Druck auch auf den Rententrend…

 

Aons Aktuare empfehlen, dass für bevorstehende Quartals- oder Jahresabschlüsse etwaige bereits getroffene Annahmen für die Bewertung von Leistungen an Arbeitnehmer unbedingt noch einmal überprüft und ggf. angepasst werden sowie die weitere Entwicklung genau beobachtet wird. Denn zu dem leicht gestiegenen Zins tritt noch etwas:

 

Insbesondere ist auch die Inflationserwartung in den vergangenen Wochen stark rückläufig, sodass für Betriebsrenten, die gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex angepasst werden, ggf. ein geringerer Rententrend in Ansatz gebracht werden könnte. Ein solcher könnte sich auch aufgrund einer verschlechterten wirtschaftlichen Lage ergeben, soweit zu erwarten ist, dass Rentenanpassungen ausgesetzt werden müssen.

 

…und weitere DBO-Parameter

 

Im Zuge der Corona-Krise umgesetzte Personalmaßnahmen wie bspw. Kurzarbeit können je nach Ausgestaltung von Versorgungszusagen Auswirkungen auf die erworbenen Anwartschaftssteigerungen und damit die Service Cost nach IFRS/US-GAAP bzw. den Personalaufwand nach HGB haben. Versorgungszusagen sollten hierauf geprüft und ggf. angepasst werden, so Aon weiter.

 

Auch Sonderereignisse wie Personalabbau oder Plankürzungen (Curtailments oder Plan Amendments nach IAS 19) führen ggf. zu Einmaleffekten und wirken sich auf die Aufwandsgrößen in der Restperiode nach dem Ereignis aus. Nach dem Endorsement der Ergänzungen von IAS 19 betreffend Sonderereignisse durch die Europäische Kommission am 14. März 2019 ist zu beachten, dass Aufwandsgrößen für Zeiten nach dem Ereignis mit den aktuariellen Annahmen zum Zeitpunkt des Sonderereignisses neu zu bewerten sind, erläutert Aon. Aktuell führt dies durch die gestiegenen Rechnungszinssätze zu einer zusätzlichen Entlastung für betroffene Unternehmen.

 

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