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Interview:

„Die FTT ist und bleibt Unsinn.“

 

Steuern, Eigenkapitalregime, Säule II und III: Florian Swyter, Pensionsreferent der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), spricht mit Leiter-bAV.de über die aktuellen Baustellen der bAV in Brüssel und Berlin. Erster Teil des Interviews.

 

Herr Swyter, Ende Juni hat die BDA ein Positionspapier zu ihren Vorstellungen in der betrieblichen Altersversorgung veröffentlicht. Dazu einige Nachfragen. Zunächst zur FTT: Das EP hat jüngst für EbAV einen hälftigen Steuersatz angemahnt. Abgesehen davon, dass das EP in dieser Frage nur beratende Funktion hat: Wäre eine solche Privilegierung aus Sicht der BDA ausreichend? Oder halten Sie eine komplette Ausnahme von EbAV von der FTT für nötig?

 

Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, Einrichtungen der bAV bis Ende 2017 nur mit der Hälfte des allgemeinen Steuersatzes der FTT zu belasten, greift viel zu kurz. Eine nur für die Anfangsjahre geltende Steuererleichterung kann den langfristigen Schaden durch die FTT nicht mindern. Zudem ändert der EP-Vorschlag nichts an der drohenden Mehrfachbelastung der EbAV durch die FTT. Denn immer wenn andere Finanzinstitute – die der vollen Steuerbelastung unterliegen – für EbAV Transaktionen tätigen, kann es zu einer Abwälzung der Steuerlast auf die EbAV kommen. Damit bleibt es bei der massiven Belastung für die kapitalgedeckte Altersvorsorge – und damit auch für die bAV. Nach Schätzungen der aba würde die FTT bei der bAV zu Einbußen in Höhe von bis zu 8 Prozent führen. Dem notwendigen und bislang erfolgreichen Aufbau der kapitalgedeckten Säule der Altersvorsorge würde so schwerer Schaden zugefügt. Dies gilt umso mehr, da viele EbAV aufgrund der Niedrigzinsphase ohnehin vor großen Herausforderungen stehen, die zur Deckung ihrer Zusagen erforderlichen Renditen zu erwirtschaften. Die FTT würde nicht nur die Altersvorsorge belasten, sondern auch unternehmensnotwendige Transaktionen zum Beispiel zur Absicherung von Wechselkursrisiken, verteuern. Zudem dürfte die geplante FTT gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil sie bei Finanzinstituten außerhalb ihres Geltungsbereichs kaum eingezogen werden kann. Die Idee einer FTT ist und bleibt Unsinn. Die jetzigen Pläne lassen sich auch nicht mit Korrekturen retten und gehören daher in den Papierkorb.

 

Florian Swyter, BDA
Florian Swyter, BDA

Bleiben wir zunächst in Europa: Ist der Rückzug der Europäischen Kommission von dem Vorhaben, für EbAV ein Eigenkapitalregime holistisch zu dem von Solvency II einzuführen, dauerhaft vom Tisch oder nur aufgeschoben?

 

Die Kommission hat in ihrer Erklärung ja keinen Zweifel daran gelassen, dass für sie die Pläne zu den Eigenmittelvorgaben nur aufgeschoben sind. Und wenn man die Aktivitäten der Kommission und insbesondere von EIOPA seit dieser Ankündigung betrachtet, dann muss dieses Statement ernst genommen werden. Dennoch ist es gut, dass für die bAV mit der Verschiebung erstmal Zeit gewonnen wurde. Diese muss aber auch genutzt werden: Denn auch bei der „übrig“ gebliebenen Überarbeitung der IORP-Richtlinie, die im Herbst vorgelegt werden wird, drohen für die bAV zwei Gefahren: Erstens, dass auch bei den Themen Governance, Reporting, Compliance et cetera das große Paket aus Solvency II kopiert wird. Dann hätten vor allem kleinere EbAV eine Menge Mehraufwand und Bürokratie. Und zweitens droht, dass hier schon die Weichen für spätere Eigenmittelvorgaben nach Solvency II plus Holistic Balance Sheet gestellt werden. Dies kann schon durch weitreichende Ermächtigungsnormen geschehen, die von EIOPA dann im Sinne von Solvency II konkretisiert werden können. Deshalb fordern wir von der EU ganz klar: Nehmt endgültig Abstand von der Vollharmonisierung des Aufsichtsrechts nach dem Vorbild Solvency II, das durch den HBS-Ansatz nicht besser, sondern nur noch komplizierter wird. Die Überarbeitung für IORP II sollte sich stattdessen auf maßvolle Anpassungen der bestehenden IORP I beschränken. Die Unternehmen und ihre Einrichtungen sind nun in den letzten Jahren genug von der langen und komplexen Diskussion in Europa verunsichert worden.

 

 

 

Wachsam bleiben ist also angesagt. Nochmal zu den Säulen II und III der kommenden IORP-Richtlinie, auch wenn deren Entwurf noch nicht vorliegt: Was erwarten Sie von der deutschen Aufsicht bezüglich der Umsetzung? Eigentlich sind wir in Deutschland mit VAG und MA Risk VA doch schon gut aufgestellt?

 

Deutschland ist in der Tat an einigen Stellen gesetzlich vorbereitet, insbesondere bei Vorgaben zum Risikomanagement. Allerdings ist das, was vor einigen Jahren im VAG umgesetzt wurde, nur ein Teil von Solvency II. Im Januar 2012 hat EIOPA umfangreich zum sogenannten Call for Advice der Kommission Stellung genommen. Sie erinnern sich: mit über 500 Seiten. Hier zeigte sich, welchen Detailgrad die geplanten Regelungen haben können. Ich nenne nur die umfangreichen Berichtspflichten zu Compliance, zur Governance, beispielsweise Anforderungen an Mitglieder der Geschäftsführung oder Vorgaben, wenn Dienstleister die Administration übernehmen. Andererseits ist völlig offen geblieben, in welcher Weise EbAV durch den Grundsatz der Proportionalität geschont werden können, also der Grundsatz, dass kleinere EbAV einfachere Vorgaben erfüllen müssen. Daher ist die Bandbreite der Kostenschätzung der aba, die diese bezüglich der Säulen 2 und 3 vorgenommen hatte, so groß.  Auch bei diesen Säulen stellt sich also dringend die Frage nach dem Nutzen und ob derartige detaillierte Vorgaben wirklich von Europa gesetzt werden müssen.

 

 

Ende des ersten Teils des Interviews mit Florian Swyter, BDA. Der zweite Teil findet sich hier.

 

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