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aba-Forum Steuerrecht (I):

Der Zwang zum zinslosen Darlehen

Die Direktzusage als der bedeutendste Durchführungsweg in der deutschen bAV ist – ebenso wie die U-Kasse – vom BRSG praktisch nicht bedacht worden. Dass es aber auch dort drängenden Handlungsbedarf gibt, hat nun die aba erneut in Erinnerung gerufen. Im Zentrum steht der 6a.

 

Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung fordert eine Reform des steuerlichen Rechnungszinses des § 6a des EStG. „Der steuerliche Abzinsungssatz von sechs Prozent ist angesichts des Niedrigzinsumfeldes deutlich zu hoch. Damit werden die Unternehmen in Deutschland gezwungen, dem Staat ein zinsloses Darlehen zu gewähren“, sagte Georg Geberth, Leiter des aba-Fachausschusses Steuerrecht, auf dem 12. aba-Forum Steuerrecht gestern in Mannheim.

 

Georg Geberth. Siemens.

Geberth, im Hauptberuf Director Global Tax Policy der Siemens AG, stellte auf dem Forum vor über 100 bAV-Experten ein Papier vor, das die Überlegungen der aba zu Rechnungszins und Bewertungsverfahren auf den Punkt bringt. Unter dem Titel „Überlegungen zu einer Reform von § 6a EStG“ wird dort gleich eingangs eine Lanze für die Direktzusage gebrochen und die Problematik erläutert:

 

Das BRSG hat die bAV gestärkt, während die Direktzusage von dieser Reform im Wesentlichen nicht betroffen war. Die Direktzusage ist der zentrale Durchführungsweg der bAV – sowohl was die Anzahl der Versorgungsanwärter als auch das Deckungsvolumen betrifft. Sie ist zugleich ein Durchführungsweg, der häufig die gesamte Belegschaft einbezieht, weit überwiegend arbeitgeberfinanziert ist und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern attraktive Versorgungszusagen bietet. Die Direktzusage nutzt die steuerliche Innenfinanzierung durch die Bildung von Pensionsrückstellungen. Das Einkommensteuerrecht sieht allerdings eine deutlich zu niedrige Bewertung der Pensionsverpflichtungen vor. Die marktorientierte Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften führt zu wesentlich höheren Ansätzen.“

 

Die Folge ist bekannt und schon seit Jahr und Tag im Fokus der Kritik, nämlich, so das aba-Papier weiter, „dass Steuern auf Gewinne gezahlt werden, die wirtschaftlich gar nicht entstanden sind bzw. eigentlich zur Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen verwendet werden müssten. Den Unternehmen wird dadurch Liquidität entzogen, die für Investitionen nicht zur Verfügung steht.“

 

Mit Blick auf das BRSG sei die Direktzusage „zu kurz gekommen“. Sie werde ohne sachlichen Grund benachteiligt, ihre weitere Verbreitung behindert, beklagt die Arbeitsgemeinschaft.

 

 

Pleite wegen bAV?

 

Auch die Problematik, dass die Presse über angebliche Insolvenzen infolge Pensionsverpflichtungen berichtet (gemeint sind wohl die bereits länger zurückliegenden Fälle Kunert und Fleischmann) greift das Papier auf: Häufig gerate hier die Tatsache in den Hintergrund, dass nicht die Pensionsverpflichtungen an sich für die Insolvenz ursächlich seien, sondern der wenig vorausschauende Umgang mit den aus der Rückstellung entstandenen Refinanzierungsmitteln.

 

Gleichwohl könne bei wirtschaftlich bereits angeschlagenen Unternehmen die Vola in der Höhe der handelsrechtlichen Rückstellungen Probleme verschärfen, muss das Papier konstatieren:

 

Die Probleme im Zusammenhang mit der Volatilität der handelsrechtlichen Rückstellungen werden durch den hohen Zins im Steuerrecht noch verstärkt anstatt den Unternehmen durch einen atmenden Steuerzins ein wenig Entlastung zu bringen.“

 

 

Nochmal nach Karlsruhe

 

Bekanntlich wird die Angelegenheit auf Initiative des FG Köln beizeiten in Karlsruhe diskutiert werden. Dort kann man schonmal die alten Akten raussuchen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits 1984 mit der Frage der Angemessenheit des steuerlichen Rechnungszinses auseinandergesetzt – und dabei auf den Marktzins verwiesen. Der Zins müsse sich in einem der Realität angemessenen Rahmen halten, die aba zitiert aus dem seinerzeitigen Urteil:

 

Sollten sich in Zukunft die wirtschaftlichen Verhältnisse so einschneidend ändern, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue […] Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, kann der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten sein, zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrecht zu erhalten ist.“

 

Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag der Zins für Staatsanleihen bei etwa 8%. Seit Jahren liegen die Leitzinsen sowie die Zinssätze für festverzinsliche Kapitalanlagen hoher Bonität, etwa der Bunds, nahe null oder gar darunter. Dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse einschneidend geändert haben, sei also offenkundig, reklamiert die aba. Fraglich sei nur noch, ob die Entwicklung am Kapitalmarkt die gesetzgeberische Entscheidung wie vom Gericht gefordert „entscheidend in Frage stellt“. Die aba bejaht dies.

 

Im Übrigen gehe es hier nicht um echte Steuerausfälle, so die Arbeitsgemeinschaft. Denn insgesamt müssten Unternehmen, wenn denn der steuerliche Rechnungszins angemessen angepasst würde, nicht weniger Steuern zahlen, betont das Papier. Es käme beim Fiskus zu einem einmaligen Einnahmeausfall, der jedoch später nachgeholt würde.

 

 

Was tun? Zehn Milliarden …

 

Die aba rechnet vor: Bei einer Senkung des Rechnungszinses um einen Prozentpunkt stiegen die Rückstellungen um rund 15%. Gemäß PSV-Daten liegen die steuerlichen Rückstellungen für Direktzusagen in Deutschland bei etwa 290 Mrd. Euro. Ein steuerlicher Rechnungszins von 5% würde mithin zu einer Erhöhung der steuerlichen Rückstellungen um 44 Milliarden Euro führen, die steuerliche Bemessungsgrundlage würde einmalig um diesen Betrag gemindert. Bei einem angenommen Steuersatz von 30% sinke das Steueraufkommen damit um etwa 13 Mrd. Euro. Da nicht alle Unternehmen in einer Gewinnsituation sind, erscheine laut aba eine Größenordnung von etwa 10 Mrd. Euro bei einem Prozentpunkt realistisch.

 

 

… strecken und begrenzen

 

Um die Folgen für den Fiskus zu mildern, könnte man die fiskalische Auswirkung der Zinsabsenkung über mehrere Jahre strecken, schlägt die aba vor. Dadurch würden abrupte Einmaleffekte verhindert.

 

Michael Meister und Georg Geberth 2015.

Denkbar sei auch, die Anpassung und Flexibilisierung des Rechnungszinses auf einen Korridor zu begrenzen: Der steuerliche Rechnungszins würde sich – gewissermaßen mit einem Sicherheitsabstand – an der Entwicklung des Marktzinses orientieren, aber nicht mit ihm gleich ziehen, ein gewisser Abstand zum handelsrechtlichen Rechnungszins bliebe bestehen. Sinke der handelsrechtliche Rechnungszins, sinke der steuerrechtliche Rechnungszins im darauffolgenden Jahr in gleicher Höhe. Mit der Festlegung von Höchst- und Mindestwerten könnten der Entwicklung auch Grenzen gesetzt werden. Das entspricht im Wesentlichen einem Vorschlag, den Geberth schon im Jahr 2015 gemacht hat und für den er in dem „Steuerpolitischen Ideenwettbewerb“ des Instituts Finanzen und Steuern e.V. (ifst) den ersten Platz erhalten hat – übrigens ausgerechnet aus den Händen des damaligen Parl. StS im BMF, Michael Meister. Dieser hatte sich in seiner Amtszeit des häufigeren mit der Causa 6a zu befassen, zu einem Durchbruch kam es jedoch nie.

 

Neben der 6a-Problematik adressiert die aba in ihrem gestrigen Papier drei weitere „strukturelle Probleme, die einer zügigen Abhilfe bedürfen“, als da wären:

  • das steuerlich vorgegebene Bewertungsverfahren, das in Bezug auf moderne, effiziente und flexible Zusageformen nicht sachgerecht sei

  • das Nachholverbot, das die sachgerechte Korrektur von Fehlern bei der Rückstellungsbildung verhindere und im gegenwärtigen rechtlichen Umfeld keine Berechtigung mehr habe

  • ein Wechsel vom Schriftformerfordernis auf die Textform, der es Arbeitnehmern ermöglichte, sich ohne großen Aufwand über Intranetportale etc. für eine bAV zu entscheiden.

 

Das aba-Papier findet sich hier.

 

LEITERbAV wird in Kürze über das Steuerrechts-Forum noch ausführlicher berichten, ebenso wie über das heute ebenfalls in Mannheim turnusgemäß stattfindende aba-Forum Arbeitsrecht.

 

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