Noch bevor die neue Regierung steht, haben die politischen Parteien sich in ihre rentenpolitischen Karten sehen lassen, darunter erstmals auch die zuständigen Fachleute von AfD und FDP. Es ging um Riester, bAV, Selbständige und mehr. Rita Lansch war für LEITERbAV dabei.
Die Regierung steht zwar noch immer nicht, doch eines steht unzweifelhaft fest: Das Rentensystem bedarf dringend einer Anpassung. Einen Einblick in den politischen Rentenbaukasten gaben die Experten der im Bundestag vertretenen Parteien am vergangenen Dienstag in Berlin auf dem 19. MCC-Kongress Zukunftsmarkt Altersvorsorge – kurz nachdem sich die Verbände dort positioniert haben.
Erstmals in diesem Kreis dabei die FDP mit Johannes Vogel und die AfD mit ihrem Bundesvorsitzenden Prof. Jörg Meuthen. Obwohl Meuthen zu Beginn gleich einräumte, dass die noch junge Partei zur Rentenpolitik noch kein abschließendes Programm habe, ließ er die grobe Linie durchblicken.

Demnach ringt die AfD noch zwischen einer Reform des Umlagesystems und der Abkehr davon. Vieles scheint dabei noch unausgegoren. So liebäugelte Meuthen auf dem von Prof. Bert Rürup, dem Präsidenten des Handelsblatt Research Instituts (HRI) geführten Podium mit dem chilenischen Modell der reinen Kapitaldeckung. Die Abkehr von einem System in ein anderes ist allerdings sehr teuer, gab Rürup zu bedenken. Denn dann müssten über weite Strecken beide Systeme finanziert werden. Deshalb rechne ein kompletter Systemwechsel sich in der Regel nicht, so Rürup.
Stärken statt Schlechtreden, und Riester ohne Garantie

Ein weiterer Fürsprecher der Kapitaldeckung ist die FDP. Ihr Vertreter Vogel vertrat denn auch forsch die These, dass der Kapitalmarkt seit der Finanzkrise zu Unrecht und einseitig verteufelt werde. Er steht im Gegensatz zur AfD allerdings zum Drei-Säulen-System. Dabei dürfe die private Vorsorge nicht schlechtgeredet werden. Im Gegenteil, er plädierte dafür, diese zu stärken, etwa über die Riester-Rente. So sei nach dem BRSG nicht einzusehen, warum bei Riester-Renten immer noch Garantien vorgeschrieben seien.
Wichtig sind Vogel zudem eine Abkehr vom starren Renteneintrittsalter hin zu einem Korridor sowie mehr Transparenz in der Altersvorsorge, etwa durch eine (im Koalitionsvertrag angesprochene) säulenübergreifende Renteninformation.
Im Gegensatz zur Position der FDP und teilweise zu der noch nicht finalisierten Meinung der AfD sehen die anderen Parteien allesamt weiterhin die entscheidende Säule in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und wollen diese stärken, nachdem mit dem BRSG ja gerade erst die zweite Säule erweitert worden sei.
Uneinigkeit bei Selbstständigen-Einbezug

Konkret ist die Partei von Markus Kurth, dem Rentenpolitischen Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, beispielsweise für eine Stärkung der GRV, indem die versicherungsfremden Leistungen über Steuergeld finanziert werden sollten. Ferner müsse die GRV als Grundlage der Altersversorgung mit den verschiedenen Wechseln in den Erwerbsbiographien kompatibel gemacht werden. Das heiße explizit auch, die Selbstständigen in die GRV einzubeziehen. Dagegen argumentiert vor allem die FDP, doch auch Meuthen betonte mit Blick auf die Selbständigen, dass „Versicherungspflicht“ nicht „Pflichtversicherung“ heißen dürfe. In einem Punkt aber sind FDP und Grüne nah beieinander: „Das längere Arbeiten im Alter darf kein Tabu sein“, forderte auch Kurth.
Rürup wies in der Frage der Versicherungspflicht der Selbständigen darauf hin, dass das Rad ja nicht unbedingt neu erfunden werden müsse. Es gebe schließlich das funktionierende System der Handwerksvorsorge. Dort müsse jeder Selbstständige in die GRV einzahlen, zunächst zu verminderten Beiträgen. Nach frühestens 18 Jahren dürften sie austreten, wenn sie mindestens einen Rentenanspruch auf Höhe der Grundsicherung erreicht haben. Rürup kann sich sogar vorstellen, dass auch die Beamten künftig in die GRV einbezogen würden – allerdings mehr theoretisch, weil das den Staat viel kosten würde.
Abstiegsängsten entgegenwirken

Wie Kurth ist auch die Linke von der GRV überzeugt. Allein mit der Anhebung des Rentenniveaus könne die Altersarmut zwar nicht bekämpft werden, aber „es ist eine Prophylaxe dagegen“, sagte Linken-Politiker Matthias W. Birkwald. Deshalb spricht er sich für eine Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent aus. Das lohne sich selbst gegen steigenden Beitrag, rechnete er für einen Verdiener mit 3.092 Euro Bruttolohn vor, der dafür 52 Euro mehr Beitrag stemmen müsse. „Es bleibt trotzdem deutlich günstiger“ als zusätzlich in ein kapitalgedecktes System zu investieren, relativierte Birkwald. Er sprach sich zudem für eine solidarische Mindestrente aus, was nicht zu verwechseln sei mit der Grundsicherung.
Der SPD-Politiker Ralf Kapschack beobachtet, dass viele Menschen Abstiegsängste hätten, „und die wollen wir nicht verstärken“. Eine ordentliche Alterssicherung sei ein zentrales Versprechen des Sozialstaats. Dies müsse notfalls auch mit Steuergeldern gehalten werden. Er verteidigte zudem die im Koalitionsvertrag festgehaltene Ausweitung der Mütterrente. Dies sei ein Gebot der Gleichbehandlung. Demgegenüber vertritt FDP-Mann Vogel die Ansicht, eben dies sei „politics at its worst“, weil beispielsweise nicht einzusehen sei, warum es nur für Mütter mit mindestens drei Kindern gelten solle.

Das deute ein erschreckend konservatives Familienbild an, so Vogel.
Die Presseschau entfällt.