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Trotz Minizins:

Der Deutsche will weiter sicher wenig

Eine aktuelle Studie zur Haltung der Arbeitnehmer zur bAV unterstreicht den hohen Stellenwert der zweiten Säule. Doch fördert die Untersuchung auch etwas Desillusionierendes zutage.

 

Für 72 Prozent der Deutschen ist die Alterssicherung in den vergangenen Jahren wichtiger geworden. Allerdings schafft es ohne bAV nur rund ein Drittel der Befragten, die geplanten Sparziele zu erreichen. Dabei profitieren von einer bedarfsgerechten bAV sowohl Mitarbeiter als auch Unternehmen. Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Global Benefits Attitude“, für die Willis Towers Watson mehr als 2.000 Arbeitnehmer zu ihrer Sicht auf die bAV befragt hat.

 

 

Nach zehn Jahren Minizins: Sicherheit geht weiter vor

 

Was erwarten die Deutschen von der bAV? Sicherheit, also eine risikofreie Anlage der bAV-Sparbeiträge, stellt mit Abstand die wichtigste Anforderung dar: 78 Prozent legen darauf den größten Wert. Auf Platz zwei: Flexibilität. 69 Prozent möchten ihre bAV bei einem Arbeitgeberwechsel fortführen. Fast genauso viele (68 Prozent) möchten bei Eintritt in die Rente flexibel zwischen einer lebenslangen Rente oder einer sofortigen Kapitalauszahlung wählen. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) bevorzugt eine garantierte lebenslange Rente. Und schließlich 48 Prozent wünschen sich eine Absicherung für den Invaliditäts- oder Todesfall.

 

Heinke Conrads, Willis Towers Watson.

Die Möglichkeit, eine höhere Auszahlung bei Berufsunfähigkeit oder Todesfall zu erhalten, spielte bisher eher eine untergeordnete Rolle. Aber nun gewinnt das Thema Risikoleistungen in der Wahrnehmung der Mitarbeiter an Bedeutung“, sagt Heinke Conrads, Leiterin Retirement Deutschland und Österreich bei Willis Towers Watson. „Bei den Arbeitnehmern steigt etwa das Bewusstsein dafür, dass psychische Erkrankungen ebenfalls zu Berufsunfähigkeit führen können.“ Immer mehr Unternehmen erkennen diesen Bedarf nach zusätzlicher Absicherung und passen die Altersvorsorge-Pläne entsprechend an.

 

 

Bedarfsgerechte bAV hält Mitarbeiter im Unternehmen

 

Der Wunsch nach Sicherheit steht im Gegensatz zu den Bestrebungen des Gesetzgebers: „Unsere Studie legt nahe, dass viele Arbeitnehmer der reinen Beitragszusage skeptisch gegenüberstehen“, sagt Wilhelm-Friedrich Puschinski, Leiter General Consulting bAV bei Willis Towers Watson. „Möchten Unternehmen ihre Mitarbeiter aber davon überzeugen, so sollte der Pensionsplan intelligent gestaltet und mit Fingerspitzengefühl kommuniziert werden.“

 

 

Die Rolle des Arbeitgebers

 

Für drei Viertel (74 Prozent) der Mitarbeiter ist es wichtig, dass ihr Arbeitgeber sie bei der bAV aktiv unterstützt. Auch bei der Erläuterung der bAV sehen Mitarbeiter die Arbeitgeber in der Pflicht: 46 Prozent wünschen sich eine individuelle und persönliche Beratung zu ihrer bAV.

 

Wenn die betriebliche Vorsorge die Bedürfnisse der Mitarbeiter erfüllt, profitieren laut Studie auch Unternehmen davon: Für 57 Prozent der Arbeitnehmer mit einer bedarfsgerechten bAV ist dies ein entscheidender Grund, um bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben. Sogar 72 Prozent der Befragten mit einer bedarfsgerechten bAV geben an, dass sie gerne bis zur Pensionierung bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber bleiben würden. „Spannend dabei ist, dass die Befragten unabhängig vom Alter bis zur Rente bleiben wollen – auch die jüngeren Mitarbeiter. Das zeigt einmal mehr, welch hohen Stellenwert die bAV in der Mitarbeitergewinnung und -bindung hat“, so Puschinski.

 

 

Vorsorgemodell mit Potenzial

 

Grundsätzlich möchte fast jeder zweite Befragte mehr sparen: 48 Prozent wären bereit, eine höhere Summe aus ihrem monatlichen Gehalt in Alterssicherung zu investieren. Doch ohne bAV erreichen nur 29 Prozent ihre Sparziele, mit bAV hingegen 45 Prozent. „Die Studie zeigt, dass die bAV ein gutes Mittel zur Alterssicherung ist: Arbeitnehmer haben Vertrauen in das Modell, sie sind bereit etwas zu tun, doch die Umsetzung gelingt noch nicht. Um die Höhe und Verbreitung der ergänzenden Altersvorsorge zu stärken, ist das BRSG ein guter erster Schritt. Doch sowohl Politik als auch Unternehmen und Mitarbeiter müssen mehr tun, damit die drei Säulen der Alterssicherung weiterhin tragfähig bleiben“, sagt Puschinski.

 

 

Fazit von LEITERbAV

 

Positiv ist, welche starke Rolle die bAV im Bewusstsein der Arbeitgeber spielt. Gleichwohl muss erstaunen und enttäuschen zugleich, dass nach einer Dekade praktischen Nullzinses, einhergehend mit sagenhaften Asset Inflations vor allem bei Aktien, für die Menschen in Deutschland bei ihrer Zusatzversorgung (und trotz der Basisversorgung durch die starke erste Säule) offenbar weiterhin Sicherheit vor Renditeorientierung geht. Volatilität – selbst in der Zusatzversorgung – ist offenbar immer noch ein No-Go.

 

Dass die Kombination aus politisch manipuliertem Zins und hochvolatiler Asset Inflation einerseits und harten Garantien samt strengen Bedeckungsvorschriften andererseits die bAV-Einrichtungen zu einer garantieorientierten Kapitalanlage zwingt, welche das Erreichen eben dieser Garantien zunehmend schwieriger macht, dürfte den allermeisten Betroffenen nach wie vor unklar sein.

 

All das zeigt zweierlei: Erstens bleibt es richtig, dass es sich der Gesetzgeber zur Aufgabe gemacht hat, mit dem BRSG dazu beizutragen, Garantien in der Altersvorsorge ihrer dominierenden Rolle zu berauben. Und zweitens bekräftigt die Studie die verbreitete Annahme, dass die Kommunikation der Zusammenhänge der reinen Beitragszusage eine, wenn nicht: die Schlüsselaufgabe der bAV-Reform darstellt.

 

 

Über die Studie

 

Die Studie „Global Benefits Attitudes“ von Willis Towers Watson skizziert die Einstellung der Arbeitnehmer in Bezug auf ihre Altersvorsorge. Die Studie wurde in 22 Ländern durchgeführt – mit über 31.000 Befragten. In Deutschland haben 2.023 Arbeitnehmer an der Studie teilgenommen. Die Befragten repräsentieren hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen und Branchenzugehörigkeit ein breites Spektrum der deutschen Arbeitnehmerschaft. Um die Repräsentativität der Ergebnisse zu erhöhen, wurden diese durch Gewichtung der tatsächlichen statistischen Verteilung in Deutschland angeglichen. Einige der zentralen Studienergebnisse zeigt folgende WTW-Grafik:

 

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