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Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):

De-Risking mit und ohne EBIT-Power

Weiter geht es auf LEITERbAV mit der enorm inhaltsdichten aba-Tagung der Mathematiker. Heute berichten Caroline Braun und Günter Hainz über Regulierung und Unregulierung im De-Risking. Und kann man als Arbeitgeber die bAV in ein Profitcenter wandeln? Indem man sie los wird?

 

Frankfurt, 23. September 2021, diesjährige aba-Tagung der Fachvereinigung Mathematische Sachverständige, als Hybridveranstaltung mit gleichzeitigem Videostream. Heute der Berichterstattung zweiter Teil:

 

Ceconomy: wenige für viele, und vom Buy-out zum Profitcenter

 

Christian Brüning, Ceconomy.

Der letzte Themenkomplex des Vormittags widmet sich in drei Vorträgen den Themen Buy-Out und Rentnergesellschaft. Zunächst berichtet Christian Brüning von der Ceconomy AG zu den Erfahrungen mit der Ausgliederung einer Rentnergesellschaft. Die Ceconomy hatte nach der Abspaltung der heutigen Metro bei ca. 70 aktiven Mitarbeitern rund 20.000 Rentner und ausgeschiedene Mitarbeiter. Es handelte sich um Direktzusagen und Zusagen über eine Unterstützungskasse.

 

Bereits bei der Planung der Abspaltung wurden Überlegungen zu De-Risking angestellt. Im Jahr 2016 wurde den Begünstigten eine Abfindung angeboten, begleitend wurden aufgrund des hierdurch bedingten Selektionseffektes die Sterblichkeiten der Alters- und Invalidenrentner in den Rechnungsgrundlagen für die Bilanzierung für einen Zeitraum von fünf Jahren reduziert. Die Annahmequote der angebotenen Abfindungen lag bei etwa 35%.

 

Im Jahr 2018 fand dann die Gründung einer Rentnergesellschaft mit anschließendem Buy-Out statt: Zunächst wurden die U-Kassenzusagen in Direktzusagen umgewandelt. Danach erfolgte die Ausgliederung eines geeigneten Teilbestandes von über 3.000 jüngeren Rentnern und Ausgeschiedenen mit entsprechender, BAG-konformer Kapitalausstattung auf eine Rentnergesellschaft, die als GmbH & Co. KG gestaltet wurde. Diese wurde sodann an das Schweizer Unternehmen Vedra verkauft. Der Kaufpreis wurde anhand des HGB-Rechnungszinses auf Basis der Duration der übertragenen Verpflichtungen von 12,5 Jahren ermittelt, zzgl. eines Aufschlags von 5,7% auf den Kaufpreis.

 

 

 

Unter IFRS konnte die Ausgliederung trotz der einer solchen Konstruktion immanenten 10-jährigen Nachhaftung als Settlement behandelt werden.“

 

 

 

Die Bestandsverwaltung erfolgt bis auf die Payroll weiterhin in der Ceconomy. Für die Rentner ergab sich daher kein Wechsel der Ansprechpartner. Die Ceconomy hat weiterhin den Kontakt zu den Berechtigten und würde Fehlentwicklungen schnell bemerken, so dass das Reputationsrisiko gering gehalten wird. Zudem wurde so das Costcenter „Pensionsverwaltung“ zum Profitcenter.

 

Als Vorteil für die Rentner nennt Brüning die vollständige Ausfinanzierung der Verpflichtungen in der Rentnergesellschaft. Unter IFRS konnte die Ausgliederung trotz der einer solchen Konstruktion immanenten 10-jährigen Nachhaftung als Settlement behandelt werden.

 

Pensionsfonds ohne EBIT-Power?

 

Friedemann Lucius, IVS und Heubeck.

Dem Vortrag folgt eine angeregte Diskussion. Heubeck-Vorstand Friedemann Lucius fragt nach den Gründen, warum hier kein Pensionsfonds zur Auslagerung gewählt wurde. Diese hätte laut Brüning jedoch kein EBIT-Potential gehabt. Auf die langfristige Auskömmlichkeit der Kapitalausstattung angesprochen, verweist Brüning zum einen auf die BAG-konforme Ausstattung der Rentnergesellschaft sowie auf das Eigenkapital der Vedra selbst; im Kaufvertrag sei zudem vereinbart, dass die Vedra gewisse Kapitalanlagebedingungen erfüllt. Weitere Einflussmöglichkeiten seitens der Ceconomy bestehen hier aber nicht mehr.

 

Insgesamt wurde das Projekt – alle Kapazitäten bindend – in der Rekordzeit von zweieinhalb Monaten Ende September 2018 mit der Vertragsunterzeichnung zum Abschluss gebracht, berichtet der Referent.

 

In. Out. UK.

 

Graham Pearce, Mercer.

Graham Pearce, Partner und Global Defined Benefit Segment Leader bei Mercer, berichtet als nächster über die Rolle von Buy-Outs in Großbritannien. Dort sind steuerbegünstigte Pläne durch verantwortliche Treuhänder (Trustees) gesichert, die weitreichende Sicherheiten bei Risikoverlagerungsmaßnahmen verlangen.

 

Pearce stellt zunächst die Strategien Buy-In und Buy-Out gegenüber. Unter Buy-In ist hierbei der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung (RDV) zu verstehen, der letztlich nur eine Änderung in der Investmentstrategie darstellt, die auch nicht an die Planteilnehmer zu kommunizieren ist.

 

Ein Buy-Out entspricht eher einer Liquidations-Direktversicherung (Plan-Liquidation), die die vorhandenen Verpflichtungen vollständig beseitigt. Pearce stellt im Laufe des Vortrags die Entwicklung des Risikotransfermarktes in Großbritannien und weitere Instrumente zum Risikotransfer vor, unter anderem auch die Longevity Swaps zur Abgabe des Langlebigkeitsrisikos.

 

 

Die Regulierung in Großbritannien ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.“

 

 

Schwierigkeiten, welche einem Buy-Out entgegenstehen, sind laut Pearce die deutlich höhere Lebenserwartung von Begünstigten mit höheren Renten sowie insb. die hohen Kosten, die wegen der nötigen genauen Klärung der bestehenden Ansprüche entstehen. Diese Arbeit ist wegen der stark gestiegenen Regulierung und der hohen Komplexität der Regelungen (z.B. hinsichtlich der erforderlichen Rentenanpassungen) sehr kostenträchtig und dennoch mit Unsicherheiten hinsichtlich des Ergebnisses behaftet. Hinzu kommen allgemeine Probleme, insbesondere natürlich die Niedrigzinsen. Die Regulierung in Großbritannien ist, so Pearce, ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.


Und unreguliert in D.

 

Heinke Conrads, WTW.

Im nächsten Vortrag schildert Heinke Conrads die Situation in Deutschland. Die Leiterin Retirement Deutschland & Österreich bei Willis Towers Watson beschreibt die Rentnergesellschaft zunächst als eine von mehreren Möglichkeiten – neben Abfindungen, Liquidationsversicherungen, Schuldbeitritten, CTAs, Pensionsfonds oder der Rückdeckung durch Versicherungsverträge – Pensionsverpflichtungen bzw. mit ihnen verbundene Risiken auszulagern.

 

Im weiteren Vortrag geht Conrads dann auf die Spezifika von Rentnergesellschaften ein: Zielsetzung ist oftmals die Verbesserung der Bilanzkennzahlen oder die Vorbereitung eines M&A-Vorhabens.

 

 

Es gibt in Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien keine spezifische Regulierung für Pension-Buyouts.“

 

 

 

Die Bündelung der Pensionsverpflichtungen durch Ausgliederung oder Abspaltung in eine Rentnergesellschaft ist zunächst ein normaler umwandlungsrechtlicher Vorgang. Es besteht kein Zustimmungserfordernis der Berechtigten oder des PSV, der Betriebsrat ist lediglich zu informieren. Ausgegliedert werden können aber nur Inaktive. Es besteht eine 10-jährige Nachhaftung des Unternehmens für die Verpflichtungen gegenüber den ehemaligen Mitarbeitern.

 

Ziel eines Pension-Buyouts ist dann die vollständige wirtschaftliche und rechtliche Enthaftung des Unternehmens, verbunden mit der Ausbuchung der Verpflichtungen aus der Bilanz. Im Rahmen eines Share-Deals wird die Rentnergesellschaft an einen Erwerber, einen überbetrieblichen Anbieter, übertragen.

 

Es gibt in Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien keine spezifische Regulierung für Pension-Buyouts. Entsprechend gibt es am Markt verschiedene Anbieter mit unterschiedlichen Modellen, die sich jeweils in Details unterscheiden. Das Marktpotenzial für den Buyout über Rentnergesellschaften ist durchaus groß: allein die auf laufende Rentenverpflichtungen entfallenden Deckungsmittel liegen – selbst bei der niedrigen steuerlichen Bewertung – bei ca. 166 Mrd. Euro. Im Vergleich dazu sind in den Pensionsfonds, auf die bereits einige große Verpflichtungsbestände übertragen wurden, bisher insgesamt nur ca. 49 Mrd. Euro Deckungsmittel zu verzeichnen.

 

Conrads nennt ferner als wesentliche Aspekte, die bei der Ausgestaltung eines Pension-Buyouts zu beachten sind, unter anderem die steuerliche Gestaltung, die bilanziellen Auswirkungen, das Reputationsrisiko, eine BAG-konforme Kapitalausstattung im Hinblick auf die rechtliche Enthaftung und die Sicherstellung der Administration.

 

Sodann geht Conrads auf die angemessene Dotierung der Rentnergesellschaft ein: Auf Basis des BAG-Urteils vom 11. März 2008 (3 AZR 358/06) bestehen folgende Mindestanforderungen:

 

  • DAV-Sterbetafeln

  • Berücksichtigung eines Rententrends entsprechend dem Durchschnitt der Entwicklung des Verbraucherpreisindex der letzten 20 Jahre

  • ein Rechnungszinssatz am unteren Rand der HGB-Bandbreite.


Das Urteil stammt allerdings aus der Zeit vor BilMoG, damals lag der handelsbilanzielle Zins in der Spanne zwischen 3 und 6%. Das Ergebnis der Bestimmung des Dotierungsbetrages ist typischerweise ein Kapitalbetrag zwischen den Kosten einer versicherungsförmigen Ausfinanzierung und der DBO nach IFRS. Während eine niedrige Dotierung aus bilanztechnischen Gründen (Stichwort: Settlement unter IFRS) attraktiv erscheint, erscheint im Hinblick auf das 10-jährige Nachhaftungsrisiko eine höhere Dotierung vorteilhaft.

 

Nach diesem mit Themen vollgepackten Vormittag (der erste Teil der Berichterstattung findet sich auf LEITERbAV hier) werden die Teilnehmer der Mathe-Tagung in Frankfurt in die gemeinsame Mittagspause entlassen. Die Online zugeschalteten Teilnehmer (so auch die Autoren) müssen sich selbst verköstigen. Und die weitere Berichterstattung zu der aba-Tagung der Fachvereinigung Mathematische Sachverständige findet sich zwischenzeitlich auf auf LEITERbAV hier.

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Anm. d Red.: Die Tagungsberichterstattung auf LEITERbAV erfolgt regelmäßig im Indikativ der Referenten.

 

Caroline Braun, H2B.

Caroline Braun und Günter Hainz sind beide Aktuare und Geschäftsführer der H2B Aktuare GmbH in München.

 

Guenter Hainz, H2B.

Von ihnen bzw. anderen Autorinnen und Autoren der H2B sind zwischenzeitlich auf LEITERbAVerschienen:

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (II):
Alle für eine
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022

aba-Tagung Mathematische Sachverständige (I):
Zwischen Hoffnungsschimmer und ...
von Korbinian Kolb, 23. Oktober 2022

Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (IV):
Zurück zur Sieben?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 28. Juni 2023

Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (III):
Quo vadis, lebenslang?
von Lisa Martin und Sven Scholz , 13 Juni 2023

aba-Tagung Mathematische Sachverständige:
Kostenlose Vertragsprüfung von Amts wegen
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 24. Oktober 2022

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
Von DRÜ und doppelten Steuern, von Wiki UND IAS 19 ...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
De-Risking mit und ohne EBIT-Power
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 19. Oktober 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
Alte Welten, neue Welten, dritte Quartale
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2021

Versorgungsausgleich:
Karlsruhe konkretisiert Karlsruhe …
von Jan Hartloff, 14. Juni 2021

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (IV):
Rückwirkende Disqualifikation?
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 26. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
Live and let die...
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 21. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
Aktuare pandemiefest
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 16. Oktober 2020

Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
Von 79 Milliarden, Optimisten, Pessimisten …
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 15. Oktober 2020

Neulich in Erfurt:
Altersteilzeit kann Teilzeit sein
von Dr. Günter Hainz, 25. März 2020

aba-Pensionskassentagung in Bonn (II):
Auch rückwirkend Schluss mit Privilegien ...
von Caroline Braun und Günter Hainz, 10. Oktober 2019

aba-Pensionskassentagung in Bonn (I):
Ora live on Stage
von Caroline Braun und Dr. Günter Hainz, 2. Oktober 2019

81. aba-Jahrestagung in Bonn (III):
Wenn best practices Druck machen…
von Dr. Günter Hainz, 11. Juni 2019

81. aba-Jahrestagung in Bonn (II):
Kaum mehr zu bewerkstelligen“
von Sven Scholz, 28. Mai 2019

Die aba neulich in Königswinter (IV):
Von Einstandspflichten und Portfolios. Und ein Abschied.
von Caroline Braun, 22. Oktober 2018

Die aba neulich in Königswinter (III):
Von Vaus und Feldberg
von Caroline Braun, 15. Oktober 2018

Die aba neulich in Königswinter (II):
Wir brauchen ein bAV-PEPP“
von Caroline Braun, 2. Oktober 2018

Die aba in Königswinter (I):
Der Aktuar in der Funktion
von Caroline Braun, 27. September 2018

BGH zum Versorgungsausgleich:
Was wie zu teilen wäre...
von Jan Hartloff, 24. Mai 2018

BMF-Schreiben vom 30. November 2017:
Auf BFH folgt AIFM folgt BMF
von Dr. Günter Hainz, 7. Dezember 2017

aba-Tagung Fachvereinigung Pensionskassen:
Kein Strom aus der Steckdose
von Dr. Günter Hainz, 17. Oktober 2017

Neues BMF-Schreiben:
Zwischen praktikabel und kompliziert
von Dr. Günter Hainz, 28. September 2017

BGH zum Versorgungsausgleich:
Externe Teilung fondsgebundener Zusagen
von Dr. Günter Hainz, 7. September 2017

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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