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Im Gespräch – Johannes Vogel (II):

„Das wäre doch eine tolle Errungenschaft …“

Gesetzlich Aktienrente, volle Portabilität Übrigens müssten auch unter FDP Selbständige mit neuen Pflichten rechnen. Susanne Jungblut sprach kurz vor der Bundestagswahl mit dem arbeitsmarkt- und rentenpolitischen Sprecher der FDP im Bundestag, Johannes Vogel. Teil II eines zweiteiligen Interviews.

 

Johannes Vogel, welche Rolle spielt neben den geschilderten Vorschlägen der FDP zur bAV die Gesetzliche Aktienrente?

 

Johannes Vogel, MdP FDP. Foto: © (c) Thekla Ehling.

Die Gesetzliche Aktienrente ergänzt das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung. Paritätisch aufgeteilt soll ein Teil des Beitragssatzes, beispielsweise zwei Prozent des Bruttoeinkommens, in die gesetzliche Aktienrente fließen. So muss niemand mehr zahlen als bisher, und alle Versicherten würden von einer höheren Rendite profitieren.

Eingezahlt wird in einen Non-Profit-Fonds in staatlichem Auftrag, der durch eine unabhängige Stelle verwaltet wird, rechtliche beaufsichtigt zum Beispiel durch die Bundesbank.

Die Guthaben werden individuell für jeden Bürger geführt, mit dem vollen Eigentumsschutz des Grundgesetzes. Dies stellt auch sicher, dass kein ungewollter Zugriff von staatlicher Seite erfolgt. Teil des Modells ist darüber hinaus, durch ein Opting-out-Modell auch andere Kapitalanlage-Angebote im Markt zur Nutzung zu öffnen.

In den Jahren unmittelbar vor dem Renteneintritt werden die individuellen Guthaben der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Ablaufmanagements schrittweise in risikoärmere Anlagen umgeschichtet, damit kurzfristige Kursschwankungen nicht zu Lasten der Rentenansprüche gehen.

 

Und erhält die versorgungsberechtigte Person aus der Gesetzlichen Aktienrente dann eine Rente oder eine Kapitalzahlung?

 

An der grundsätzlichen Systematik, wonach in der ersten Säule lebenslange Renten ausgezahlt werden, wird nichts verändert. Aber das System im Hintergrund wird endlich modernisiert, demographiefester gemacht und mit den Chancen des langfristigen Aktienmarktes verbunden.

 

 

 

Die Rechtsaufsicht soll bei der Bundesbank als unabhängiger Institution liegen.“

 

Trotz grundgesetzlichem Eigentumsschutz: Was antworten Sie misstrauischen Kritikern, die befürchten, dass dennoch der Staat bei Bedarf nicht davor zurückschrecken wird, übergeordnete politische Ziele durch einen Griff in diesen Fonds zu finanzieren?

 

Wir schließen auch durch die systematische Konstruktion inklusive dem Opting-out-Modell aus, dass der Staat sich hier – in welcher Situation auch immer – bedienen kann. Deshalb soll auch die Rechtsaufsicht bei der Bundesbank als unabhängiger Institution liegen. Eine Fachaufsicht durch BMAS gibt es nicht, sondern einen klaren gesetzlichen Auftrag – Eigentumsbildung für die Altersvorsorge – für eine unabhängige Institution.

 

Dann schlägt die FDP In ihrem Wahlprogramm noch ein portables Bausteinsystem aus den drei Säulen vor. Wie soll das im Einzelnen aussehen?

 

Die Lebensläufe werden flexibler, Erwerbstätige wechseln häufiger zwischen Arbeitgebern oder zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit. Dabei können sie nicht alle Altersvorsorgeansprüche mitnehmen. Zudem verlieren viele den Überblick, welche Ansprüche ihnen aus den jeweiligen Altersvorsorgeformen zustehen. Wir wollen deshalb ein flexibles Rentensystem, in dem Ansprüche aus allen Altersvorsorgeformen flexibel über unterschiedliche Lebenslagen hinweg miteinander kombiniert werden können und durch das eingangs erwähnte Online-Vorsorgekonto eine Gesamtübersicht geschaffen wird. Der Beitrag zur GRV bleibt weiterhin obligatorisch und fließt nach unserem Modell fortan in gesetzliche Rente und die beschriebene gesetzliche Aktienrente.

 

Verstehen wir Sie richtig, dass dann nicht nur bAV-Verträge privat weitergeführt, sondern auch private Verträge in der bAV fortgesetzt werden können, man also abgesehen von der gesetzlichen Rentenversicherung eine vollständige Durchlässigkeit hat?

 

 

 

 

Selbstständige treffen jeden Tag unternehmerische Entscheidungen und können auch selbst am besten entscheiden, welche Altersvorsorgeform für sie am besten geeignet ist.“

 

 

 

Das wäre doch eine tolle Errungenschaft für den gesamten Bereich der zusätzlichen Altersvorsorge! Allerdings sollten Entscheidungen die bAV betreffend hier nicht ohne das Einverständnis des Arbeitgebers getroffen werden können. Zusätzlich wird es künftig immer wichtiger werden, Altersvorsorge so zu gestalten, dass sie zumindest auch in anderen EU-Staaten begonnen oder fortgeführt werden kann, Stichwort: PEPP.

 

Themenwechsel: Was halten Sie von der Vorsorgepflicht für Selbstständige?

 

Selbstständige treffen jeden Tag unternehmerische Entscheidungen und können auch selbst am besten entscheiden, welche Altersvorsorgeform für sie am besten geeignet ist. Deshalb wollen wir eine echte Wahlfreiheit für Selbstständige in der Altersvorsorge. Damit diese Vorsorge für das Alter ausreicht, sollen Selbstständige in der von ihnen gewählten Vorsorgeform verpflichtend Mindestansprüche in Höhe des Grundsicherungsniveaus erreichen. Zwingend sind für uns zudem Karenzfristen in jeder Gründungsphase.

 

Das heißt, Selbständigen stehen also gesetzliche Rentenversicherung, bAV und private Vorsorge gleichberechtigt offen, um eine geeignete Versorgung anzusparen? Aber auch unter der FDP würde dies verpflichtend?

 

Dass Selbstständige für das Alter vorsorgen, ist sinnvoll, ja. Aber die Art und Weise, wie sie das machen, sollen sie selbst entscheiden.

 

Wir haben nun viel über kapitalgedeckte Vermögensbildung und Altersvorsorge gesprochen. Über all dem schwebt doch aber das Problem der anhaltenden Niedrig- wenn nicht Nullzinsen, verbunden mit „Geldschwemmen“, und dies ohne Aussicht auf eine Änderung und Exit-Strategie. Wie steht die FDP zu dieser Problematik? Soll die derzeitige Geldpolitik fortgesetzt werden?

 

Die Unabhängigkeit der Geldpolitik ist ein hohes Gut. Die Niedrigzinsphase wird aber allem Anschein nach auf absehbare Zeit nicht enden. Deshalb erscheint es uns zwingend, künftig bei der individuellen kapitalgedeckten Altersvorsorge noch stärker in Realkapital zu investieren. Deshalb schlagen wir mit unserem Rentenkonzept und insbesondere mit der Gesetzlichen Aktienrente ein innovatives Konzept vor, wie die Rendite von allen Sparerinnen und Sparern erhöht werden kann und insbesondere Geringverdienende überproportional profitieren.

 

 

 

 

Wir treten für eine schnellstmögliche Normalisierung der Geldpolitik ein.“

 

 

 

 

 

Wenn Sie sagen, dass die Niedrigzinsphase auf absehbare Zeit voraussichtlich nicht enden wird: Kann denn diese Geldpolitik mit Niedrig-, Null- und Negativzins auf absehbare Zeit so weitergehen – nicht nur, gerade aber auch mit Blick auf die Altersversorgung?

 

Dass dies leider möglich ist, zeigt der Blick nach Japan, wo das Nullzinsumfeld schon deutlich länger als bei uns anhält. Dennoch treten wir Freie Demokraten für eine schnellstmögliche Normalisierung der Geldpolitik ein, damit Investitionsentscheidungen wieder anhand vernünftiger Kriterien getroffen werden können und Preisblasen an den weltweiten Finanz-, Rohstoff- und Immobilienmärkten unwahrscheinlicher werden.

 

Neben Niedrigzins und Geldschwemme erschweren zunehmende Regulierung und ständig neue Vorschläge aus der Politik die bAV. Sehen Sie die Gefahr, dass Arbeitgeber das Interesse an der bAV verlieren könnten? Wenn ja, wie gedenkt die FDP dem gegenzusteuern?

 

Sie sagen es ja selbst, und ich bekräftige: Gerade für KMU ist die bAV häufig zu aufwendig und schwer administrierbar. Wir wollen die Bedingungen vereinfachen und entbürokratisieren, um die betriebliche Altersvorsorge sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer wieder attraktiver zu machen.

 

Schweben Ihnen hier neben den bereits erläuterten Maßnahmen weitere Änderungen vor?

 

Durchaus. Wie wäre es – natürlich erst nach einer erfolgreichen Modernisierung der bAV – mit einem Moratorium für jegliche neue Regulierung?!

 

 

 

Teil I des Interviews mit Johannes Vogel findet sich auf LEITERbAV hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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