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Sperrfeuer – der Kommentar auf LEITERbAV:

Das Risiko des Rechtsrahmens

 

Die Vorschriften zur Zinszusatzreserve können bei deregulierten Pensionskassen deren Zweck in ihr Gegenteil verkehren. Christof Heinrich bezieht Stellung.

 

Christof Heinrich. Koelner Pensionskasse VVaG .
Christof Heinrich.
Koelner Pensionskasse VVaG .

Pensionskassen sind grundsätzlich deregulierte Altersversorgungseinrichtungen, unabhängig von ihrer Rechtsform. Nach Paragraf 233 VAG können Pensionskassen in der Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit beantragen, reguliert zu werden. Pensionskassen in der Rechtsform des VVaG sind heute in der Mehrheit regulierte Kassen. Bei den deregulierten Versicherungsvereinen ist meist ein Kriterium des Paragrafen 233 VAG nicht erfüllt. Beispielsweise werden nicht ausschließlich Personen versichert, die Paragraf 17 BetrAVG unterfallen (z.B. Angehörige der freien Berufe oder Mitglieder von Ordensgemeinschaften), oder es wird eine Vergütung für die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen gewährt.

 

Deregulierte Pensionskassen unterfallen den Vorschriften der Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV). Als Folge haben sie

 

a) den jeweiligen Höchstrechnungszins zu beachten und

b) für die deregulierten Tarife eine Zinszusatzreserve zu bilden.

 

Beide Vorschriften verbessern die Risikosituation einer solchen Pensionskasse in Zeiten niedriger Kapitalmarktzinsen erheblich. Durch Bestandswachstum verringert sich der mittlere Garantiezins, und die Zinszusatzreserve ist – ähnlich wie Eigenkapital – ein zusätzliches Sicherheitspolster. Allerdings sollten zusätzliche Reserven in Zeiten gebildet werden, in denen eine auskömmliche Ertragssituation herrscht. Soweit die gute Nachricht.

 

 

Wenn die Zinszusatzreserve zu Lasten des Eigenkapitals geht

 

Das Eigenkapital von Pensionskassen VVaGs besteht in erster Linie aus dem Gründungsstock, der Verlustrücklage und dem freien Teil der RfB. Solange eine auskömmliche Ertragssituation herrscht, wird die Zinszusatzreserve aus den Überschüssen der Pensionskasse finanziert. Ist die Ertragssituation knapp, weil im Wesentlichen Kapitalerträge fehlen, gehen die Aufwendungen für die Zinszusatzreserve eines Tages zu Lasten des Eigenkapitals. Der Puffer „Eigenkapital“, der eigentlich dafür benötigt wird, in ertragreichere, aber schwankungsanfälligere Kapitalanlagen zu investieren, wird über diesen Mechanismus geschwächt. Bei weiter steigenden Aufwendungen für die ZZR werden die Eigenkapitalvorschriften nicht mehr erfüllt. Im schlimmsten Fall sind Eingriffe in das Leistungsrecht erforderlich. Die Vorsorge verkehrt sich in ihr Gegenteil. Das ist die schlechte Nachricht.

 

Statt der gut gemeinten, in letzter Konsequenz aber schlecht gemachten Vorschrift der DeckRV wäre es sinnvoller, die Aufwendung für die ZZR stattdessen zur Stärkung des Eigenkapitals zu verwenden. Damit würde sich der Puffer verstärken für ein deutlich erhöhtes Investment in die Teilhabe am Produktivkapital oder an Infrastruktur, also beispielsweise in Aktien oder Immobilien. Damit hätte man eine echte Alternative für die festverzinslichen Papiere mit ihren schwachen Erträgen.

 

 

Ein Zweck wie Solvency II

 

Stattdessen wird über die ZZR ein ungeeignet gewordenes Investment subventioniert, nämlich die Finanzierung der Öffentlichen Hände (im Übrigen: Solvency II verfolgt den gleichen Zweck). Zu Ende gedacht: Zuerst fehlen die Überschüsse, dann geht’s ans Eigenkapital, zuletzt an die Leistungen, obwohl die Pensionskasse wohlhabend ist. Dummerweise steht das Geld in der „falschen“ Bilanzposition – in der Reserve statt im Eigenkapital.

 

 

Die Welt hat sich verändert

 

Glaubhafte Aussagen von Vertretern der Versicherungsaufsicht belegen, dass am althergebrachten Instrumentarium, das bis vor wenigen Jahren wenigstens keinen Schaden angerichtet hat, eisern festgehalten wird. In der neuen gegenwärtigen Zeit sind, so mag es scheinen, nicht die niedrigen Zinsen das größte Risiko, sondern der Rechtsrahmen, der nicht auf die neue Welt reagiert.

 

Der Blick in Forschung und Wissenschaft zeigt, dass es längst vernünftige Varianten zu den bisherigen Regeln gibt. Beispielhaft: Collective Defined Contribution Schemes, Professor Oskar Goecke (TH Köln), vorgetragen anlässlich der Jahrestagung der DAV am 27. April 2016 in Bremen.

 

 

Der Autor ist Sprecher des Vorstandes der Kölner Pensionskasse VVaG und Vorsitzender des Vorstandes der SELBSTHILFE Pensionskasse der Caritas VVaG.

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