Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Gezillmert oder nicht gezillmert…

…das ist hier die Frage!

Diese oder ähnliche Gedanken könnten dem einen oder anderen Personalleiter nach Veröffentlichung und Durchsicht des Nikolaus-BMF-Schreibens zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung vom 6. Dezember 2017 durch den Kopf gegangen sein. Andre Cera auch.

 

 

Andre Cera, Otto Group.

Viele Fragen sind auch nach der Veröffentlichung des langerwarteten BMF-Schreibens zum BRSG noch offen. Insbesondere in Bezug auf den Förderbetrag für Geringverdiener nach § 100 EStG – neben dem Sozialpartnermodell einer der wesentlichen Änderungen in der bAV-Landschaft der „alten Welt“ – sind diverse Sachverhalte noch nicht ganz klar.

 

Der Gesetzgeber hat sich mit dem Förderbetrag das Ziel gesetzt, bAV auch für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiv zu machen und die Neueinführung arbeitgeberfinanzierter Versorgungssysteme zu erreichen. Es gibt aber bereits Millionen von bestehenden Direktversicherungs-, Pensionskassen- und Pensionsfonds-Verträgen. Und Arbeitgeber, die sich bereits in der Vergangenheit für die spätere Absicherung ihrer Arbeitnehmer eingesetzt haben, fragen sich jetzt, ob auch für sie die Möglichkeit zur Nutzung der Förderung besteht.

 

 

Was im Entwurf fehlte…

 

In der Entwurfsfassung des BMF vom 28. September 2017 war in Randnummer 363b denn auch zu lesen, was nach dem Gesetzeswortlaut zu erwarten war:

 

Nach § 100 Abs. 3 Nr. 5 EStG kommt die steuerliche Förderung nur in Betracht, wenn sichergestellt ist, dass die Abschluss- und Vertriebskosten des Vertrages über die betriebliche Altersversorgung nur als fester Anteil der laufenden Beiträge einbehalten werden und nicht zulasten der ersten Beiträge einbehalten werden („Zillmerung“).“

 

Für Arbeitgeber mit nach Auffassung des Gesetzgebers äußerst effektiven Direktzusagen, bei denen zum Beispiel im Rahmen der Entgeltumwandlung die eingesparten Sozialversicherungsbeiträge nicht weitergegeben werden müssen, bleibt eine doppelte Enttäuschung: Nicht nur, dass arbeitgeberfinanzierte Direktzusagen nicht förderfähig sind, nein, auch für in der Praxis häufig vorkommende, bereits bestehende arbeitgeberfinanzierte Direktversicherungsverträge ist ein Erreichen der Förderung nicht möglich, weil diese typischerweise gezillmert sind.

 

 

…klang gut im Schreiben…

 

Umso überraschter war wohl der eine oder andere Arbeitgeber, als er die Randnummer 137 der finalen Fassung des BMF-Schreibens las, die plötzlich einen nicht unwesentlichen Zusatz enthielt:

 

Nach § 100 Abs. 3 Nr. 5 EStG kommt die steuerliche Förderung nur in Betracht, wenn sichergestellt ist, dass die Abschluss- und Vertriebskosten des Vertrages über die betriebliche Altersversorgung nur als fester Anteil der laufenden Beiträge einbehalten werden; die Finanzierung der Abschluss- und Vertriebskosten zulasten der ersten Beiträge („Zillmerung“) ist förderschädlich. Bei am 1. Januar 2018 bereits bestehenden Verträgen kann die steuerliche Förderung ausnahmsweise in Anspruch genommen werden, sobald für die Restlaufzeit des Vertrages sichergestellt ist, dass

die verbliebenen Abschluss- und Vertriebskosten und

die ggf. neu anfallenden Abschluss- und Vertriebskosten

jeweils als fester Anteil der ausstehenden laufenden Beiträge einbehalten werden.

 

Diese erfreuliche und vor allem für die meisten Beteiligten völlig unerwartete Regelung lässt darauf hoffen, dass das bisherige Engagement der Arbeitgeber gegebenenfalls doch nicht ganz ins Leere läuft. Nach dem Wortlaut wäre somit eine Förderung möglich, sofern der Arbeitgeber einen bestehenden Vertrag aufstockt und für die Zukunft sichergestellt ist, dass die verbliebenen Abschluss- und Vertriebskosten nicht zu Lasten der ersten Beiträge gehen.

 

Zillmerung bedeutet, dass Vertriebs- und Abschlusskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden. Läuft der Vertrag also bereits länger als fünf Jahre, sollten die Kosten abgezogen und die neuen Voraussetzungen der Randnummer 137 erfüllt sein. Das entspräche faktisch einer Möglichkeit zur Nutzung der Förderung für gezillmerte Verträge (und damit für den wesentlichen Teil der am Markt bestehenden Verträge). Damit wäre also gegebenenfalls eine kostenneutrale Erhöhung der bestehenden Beiträge möglich, und der Wirkungsgrad des BRSG würde an dieser Stelle mit einem Schlag um ein Vielfaches erhöht!

 

 

…ist es aber offenbar nicht…

 

Steigt man jedoch tiefer in die Materie und das bestehende Vertragswerk der Tarife ein, wird man leider eines besseren belehrt:

 

Bei gezillmerten Tarifen ist es in der Regel so, dass auch Veränderungen der Beitragshöhe im laufenden Vertrag zu neuen Vertriebs- und Abschlusskosten führen. Denkt man jetzt, dass das Problem ja endlich ist und die Förderung dann zumindest nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums in Anspruch genommen werden kann, irrt man. Der neu hinzugefügte Absatz in Randnummer 137 gibt bei näherer Betrachtung klar vor, dass auch ggf. anfallende Abschluss- und Vertriebskosten, zu denen es womöglich faktisch gar nicht mehr kommt, weil der Arbeitgeber keine zweite Erhöhung der Beiträge mehr umsetzt, nur als fester Anteil der ausstehenden laufenden Beiträge einbehalten dürften. Dies ergibt sich aus der Formulierung „muss sichergestellt sein, dass…“. Im Klartext heißt das also: gezillmerte Tarife müssen auf ungezillmerte Tarife umgestellt werden, sonst ist bei alten Verträgen eine Inanspruchnahme der Förderung nicht möglich.

 

 

…sondern verfängt sich in mehr Bürokratie…

 

Ob solch eine Umstellung praktikabel und sinnvoll ist, wird jeder Arbeitgeber selbst prüfen und individuell – in Abhängigkeit von der Höhe der in Aussicht gestellten Förderung – entscheiden müssen. In der Praxis würde eine Umstellung vermutlich dazu führen, dass der bestehende Vertrag unverändert fortbesteht und die zusätzlichen Beiträge in ein neues Tarifwerk (oder gar einen neuen Vertrag?) eingebracht werden müssten, was im Ergebnis dazu führt, dass es für den Mitarbeiter zukünftig nicht mehr nur eine, sondern zwei Mitteilungen über den erreichten Stand der Altersversorgung am Jahresende geben wird. Auf entsprechende Rückfragen des Mitarbeiters sollte der Arbeitgeber dann jedenfalls vorbereitet sein.

 

Je nach Umsetzung dürften sich zudem auch noch einige andere Dinge verdoppeln, denn voraussichtlich müssten auch die Beiträge (bisheriger Beitrag und Aufstockung) im Abrechnungssystem gesondert erfasst und überwiesen werden, und ein neues Vertragswerk mit abweichenden Konditionen zum bisherigen Vertragswerk wird mit Sicherheit ebenfalls notwendig sein. Möchte der Arbeitgeber diesen administrativ aufwendigen Weg gehen, sollte er sich mit dem Versorgungsträger in Verbindung setzen und klären, welche Möglichkeiten bestehen und wie diese umzusetzen wären, um eine Förderfähigkeit für bestehende Versorgungswerke zu erreichen. Lediglich wenn der Versorgungsträger – also der Versicherer – im bestehenden Vertrag die Umstellung vornähme, würde die Regelung von Randnummer 137 greifen. Dies wird aber in der Praxis vermutlich nur dann vorkommen, wenn der Arbeitgeber entsprechenden Einfluss auf die Tarifierung des Versicherers nehmen kann.

 

 

…und dürfte sich kaum auswirken

 

Auch wenn die anfängliche Illusion einer leichten Umsetzbarkeit für Altverträge wie eine Seifenblase zerplatzt ist, kann man dennoch nachvollziehen, was das Bundesfinanzministerium zum Einschlagen dieses Weges veranlasst hat: Nur durch die Umstellung auf ungezillmerte Tarife kann final sichergestellt werden, dass die Förderbeiträge vornehmlich beim Versorgungsberechtigten landen und nicht zur Finanzierung des Vertriebs verwendet werden. Ob dies dann gleichwohl auch zu einer Erhöhung der bestehenden Versorgungsbeiträge führt oder als Hemmschuh wirkt, wird die Zukunft zeigen – angesichts des erläuterten Mehraufwandes im Bestand für alle Beteiligten darf man hier aber skeptisch sein.

 


Der Autor ist Aktuar und Bereichsleiter Altersversorgung, Vergütung & Controlling bei der Otto Group in Hamburg.

 

Von ihm sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

20. September 2021:

Absenkung der BBG ab 2022:

Willkommen im Dschungel

 

28. November 2018:

Der Arbeitgeberzuschuss im Abrechnungssystem:

Fünf vor Zwölf!

 

27. Juni 2018:

Der Arbeitgeberzuschuss in der Praxis:

Alles ganz einfach?!

 

16. April 2018:

EU-Verordnung ante portas:

Ein Schreckgespenst namens DSGVO

 

7. März 2018

Gezillmert oder nicht gezillmert…

das ist hier die Frage!


6. Juli 2017:

Förderbetrag, 40b, Doppelverbeitragung, Dokumentation:

Die Teufel in Details

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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