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Umfragen unter Unternehmen:

Dann sag es ihnen doch!

Aller Makro-Unbill zum Trotz nehmen Arbeitgeber die bAV offenbar weiter ernst, das zeigen zwei Umfragen von Consultants unter Unternehmen. Ganz im Sinne der unruhigen Zeiten treten traditionelle Zins- und Langlebigkeitsrisiken offenbar etwas in den Hintergrund, während es Inflationsschutz sowie Absicherung von Familie und Arbeitskraft sind, die an Bedeutung gewinnen.  Und etwas zu Kassandra.

 

Zum ersten WTW: War die bAV in der Vergangenheit meist mit lebenslangen Leistungen assoziiert, gilt dies künftig nicht mehr unbedingt. Zumindest halten nur 9% der bAV-Verantwortlichen dies weiterhin für zwingend – das ergab zumindest eine Umfrage auf der 16. WTW bAV-Konferenz, die dieses Jahr unter dem Motto „Krisen | Umbruch | Aufbruch – Neuorientierung für die bAV“mit 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, überwiegend bAV-Verantwortliche aus großen und mittleren Unternehmen (an der Umfrage während der Konferenz hatten knapp 60 Personen teilgenommen).

 

Abb. 1: Rente, Kapitalleistung oder beides – auch auf Raten?!

 

Quelle: wtw. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Die überwiegende Mehrheit (77%) spricht sich dabei dafür aus, den Berechtigten die Wahl zwischen einmaligen Kapitalleistungen, befristeten Ratenzahlungen und lebenslanger Rente einzuräumen – vorausgesetzt, die damit für das Unternehmen verbundenen Risiken lassen sich eingrenzen. Auch De-Risking bleibt also auf der Tagesordnung.

 

Nicht Rente per se

 

Thomas Jasper, Willis Towers Watson.

Die Frage ist nicht, ob bAV per se eine lebenslange Leistung beinhalten muss, sondern was am besten für Unternehmen und Beschäftigte passt“, sagt auch Thomas Jasper, Leiter des Geschäftsbereich Retirement Kontinentaleuropa bei WTW. „Beschäftigte wertschätzen die bAV am stärksten, wenn sie ihren Versorgungsbedarf trifft. Dies lässt sich gewährleisten, indem sie aus Rente, Ratenzahlungen oder Kapitalleistungen das für sich passende wählen können“.

 

 

 

 

 

Bislang dachten Beschäftigte beim Stichwort ‚Sicherheit‘ meist an traditionelle Zinsgarantien und noch nicht so sehr an Inflationsschutz…“

 

 

 

 

 

Unternehmen prüften hingegen – gerade im aktuell angespannten wirtschaftlichen Umfeld – genau, ob und wie sie die mit lebenslangen Leistungen verknüpften Langlebigkeits- und Zinsrisiken tragen möchten. „Es gilt also, eine Lösung zu finden, die auch für das jeweilige Unternehmen passt“, so bAV-Experte Jasper. In der Praxis sei dies entweder unternehmensintern oder durch über den Kapitalmarkt finanzierte Gestaltungsoptionen gut umzusetzen.

 

Abschied von der Garantie zielführend, muss aber vermittelt werden


Auch garantierte Zinsversprechen halten nicht mehr alle Unternehmen in der bAV für zwingend notwendig. Nur gut ein Fünftel (21%) der Unternehmensvertreter stuften sie als höchste Priorität der Beschäftigte ein. Aber genauso viele halten dagegen, dass Beschäftigte Rendite und Inflationsschutz für wichtig hielten.

 

Hanne Borst, WTW.

Bislang dachten Beschäftigte beim Stichwort ‚Sicherheit‘ meist an traditionelle Zinsgarantien und noch nicht so sehr an Inflationsschutz und auskömmliche Renditen“, sagt Hanne Borst, die bei WTW ab Oktober den Geschäftsbereich Retirement in Deutschland leitet. „Heute dürften aber Pensionspläne, deren Wertentwicklung an den Kapitalmarkt gekoppelt ist, dem Bedürfnis nach einer werthaltigen bAV eher gerecht werden. Allerdings erschließt sich das nicht auf den ersten Blick. Hier liegt eine weitere Herausforderung – denn Beschäftigte können nur wertschätzen, was sie auch verstehen.“

 

bAV weiter mit Relevanz in der HR

 

Immerhin: Knapp ein Drittel der auf der WTW-Tagung befragten bAV-Verantwortlichen (29%) betont, dass die bAV gerade für die Mitarbeitergewinnung eine wesentliche Rolle spielt. Ein Drittel bestätigen die Bedeutung für die Mitarbeiterbindung (32%), und 36% sehen sie für beides als relevant an. Nur für 4% spielt die bAV hier eine untergeordnete Rolle. Diese Zahlen überraschen bei WTW offenbar nicht:


Während Unternehmen über große Schwierigkeiten bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung klagten, zähle die bAV zu den beliebtesten Benefits aus Mitarbeitersicht. Borst resümiert: „Es lohnt sich, wenn Unternehmen zeitgemäße Pensionspläne entwickeln und sie ihren Beschäftigten und Bewerbern ansprechend vermitteln, sei es per App, im Beratungsgespräch oder in bewährter Broschürenform. In dem aktuell hart umkämpften Arbeitgebermarkt kann dies den Ausschlag für die Entscheidung zugunsten eines Arbeitgebers bedeuten.“


Risiken: Es geht nicht nur um das Alter …

 

Zum zweiten Aon: Arbeitgeber unterschätzen die Bedeutung von Risikoleistungen in der bAV. Während Unternehmen die Altersvorsorge im Vordergrund sehen, steht für Arbeitnehmer die Absicherung bei Berufsunfähigkeit/Invalidität und der Familie im Todesfall gleichrangig neben der Alterssicherung – auch das ist ja irgendwie durchaus im Stile unsicherer werdender Zeiten nachvollziehbar.

 

Die Aon-Experten haben die Antworten von 60 Unternehmen unterschiedlicher Größenordnungen und Branchen ausgewertet, die im Juni und Juli 2022 befragt wurden – und haben ermittelt:

 

Angelika Brandl, Aon.

Für Unternehmen ist es weithin selbstverständlich, dass sie ihren Mitarbeitern im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung auch eine Absicherung im Todesfall und/oder bei Berufsunfähigkeit bzw. Invalidität anbieten. Nur 7% der Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern keinerlei Risikoleistungen an und planen auch nicht, solche einzuführen. Alle anderen haben diese entweder bereits eingeführt oder planen es.


Rund 70% der befragten Unternehmensvertreter sehen die Risikoabsicherung als „State of the Art”, also selbstverständlichen Teil der bAV, und wichtige Ergänzung zur gesetzlichen Absicherung an. Außerdem sehen 36% darin einen Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter.

 

 

 

 

 

Den Arbeitnehmern ist die Absicherung gegen BU und Invalidität wichtiger als Leistungen im Todesfall.“

 

 

 

 

 

So weit, so gut. Aber: Im Rahmen der bAV liegt die Risikoabsicherung allerdings außerhalb des Fokus’ der Arbeitgeber, so dass es eine gesonderte Mitarbeiterkommunikation hierzu nur bei 9% der Unternehmen gibt. „Hier gibt es deutliches Verbesserungspotenzial, denn die Unternehmen tun Gutes und reden nicht darüber,” bemerkt dazu Aon-Partnerin Angelika Brandl, die gemeinsam mit Senior Consultant Stephanie Zelosko die Studie verantwortet.

 

sondern auch um BU und Familie

 

Wir wissen aus anderen Befragungen, dass Arbeitnehmer großen Wert auf die Absicherung bei BU und ihrer Familie im Todesfall legen. Sie sind auch bereit, dafür auf Teile ihrer Altersbezüge zu verzichten”, ergänzt Zelosko. Den Arbeitnehmern sei dabei die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit und Invalidität wichtiger als Leistungen im Todesfall.


Abb. 2: Was Arbeitgebern und -nehmern wichtig ist.


Quelle: Aon. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Auf Arbeitgeberseite gibt es jedoch noch Unternehmen, die nur eine Absicherung für den Todesfall bieten. Auch im Hinblick auf die Finanzierung zeigt sich, dass Unternehmen häufiger (zusätzliche) Beiträge für die Todesfallabsicherung als für den BU-Schutz leisten. Hier sieht Aon noch Möglichkeiten, durch gezielte Kommunikation und insb. Modifikation der Leistungen das Angebot im Sinne der Arbeitnehmer zu optimieren. In diesem Zusammenhang lohne es sich, auch über andere Zusatzleistungen nachzudenken (Gesundheit etc.), für die Arbeitnehmer durchaus offen seien.

 

Bei den Risikoleistungen sind flexible Lösungen mit Wahlmöglichkeiten für die Mitarbeiter gefragt, die aber bisher nur rund 20% der Unternehmen ganz oder teilweise anbieten, hat Aon festgestellt. „Flexibilität steht bei Arbeitnehmern ganz oben auf der Wunschliste. Das wissen wir aus mehreren anderen von uns durchgeführten Studien. Es lohnt sich also, kreative Lösungen zu entwickeln”, stellt Brandl fest.

 

IN EIGENER SACHE: Die freitäglichen Kommentare der Kassandra finden sich ab nun häufiger auf LEITERbAV Dynamics. Dort kann die Kröte auch nach Herzenslust in den Kommentaren beleidigt werden.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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