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Neulich in Erfurt:

Dabei ist dabei …

das gilt auch für Befristete: Vergangenen Dienstag in Erfurt, Bundesarbeitsgericht, Dritter Senat: Ein Arbeitnehmer verlangt Zutritt zu einem Versorgungswerk, doch sein Arbeitgeber hält ihn für zu alt. Der wiederum findet sich jung genug respektive sieht sich ausreichend lange im Unternehmen – wenn man die anfängliche Befristung des Arbeitsverhältnisses außer Acht lässt. Der Arbeitgeber scheiterte in allen Instanzen. Das kann man kritisch sehen.

 

In den Worten des Gerichts klingt die Zurückweisung der Revision in dem Fall 3 AZR 433/19 so:

 

Bertram Zwanziger, Dritter Senat. Foto: BAG.

Eine in AGB enthaltene Versorgungsregelung, wonach befristet Beschäftigte nicht und Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, nur dann versorgungsberechtigt sind, wenn sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist dahin zu verstehen, dass sie auf das Lebensalter bei Beginn der Beschäftigung abstellt, wenn eine unbefristete Beschäftigung unmittelbar einer befristeten folgt. Werden Leistungen der bAV in einer Versorgungsordnung davon abhängig gemacht, dass eine schriftliche Vereinbarung über die Versorgungszusage zu treffen ist, ist dies keine echte Anspruchsvoraussetzung.“

 

Zusage einer Versorgungszusage ist Versorgungszusage“

 

Zu der Genese des Falls:

 

Der Kläger, damals jünger als 55 Jahre, wurde von dem beklagten Arbeitgeber zunächst befristet, dann ohne Übergang unbefristet beschäftigt.

 

Sein Arbeitgeber operierte mit einer Versorgungsordnung in Form von AGB. Danach ist versorgungsberechtigt, wer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht sowie zu dessen Beginn noch nicht 55 ist. Außerdem muss die Vereinbarung über die Versorgungszusage schriftlich erfolgen. Nicht teilnahmeberechtigt sind befristet Beschäftigte.

 

Der Kläger meinte, es komme nicht auf das Alter bei Beginn der unbefristeten Beschäftigung an, sondern auf das bei Beginn des Arbeitsverhältnisses an sich. Schon beide Vorinstanzen (zuletzt LAG Niedersachsen am 5. September 2019 – 4 Sa 5/19 B) hatten der Klage stattgegeben. Dem hat sich am Dienstag der Dritte Senat angeschlossen und schreibt:

 

Die Versorgungsordnung der Beklagten war dahin auszulegen, dass das Höchstalter bei Beginn der Betriebszugehörigkeit maßgeblich ist. Das gilt unabhängig davon, ob zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis vorlag, sofern sich eine unbefristete Beschäftigung unmittelbar an das befristete Arbeitsverhältnis anschließt.

 

Die Voraussetzung einer schriftlichen Vereinbarung über die Versorgungszusage ist nicht konstitutiv für den Versorgungsanspruch des Klägers. Dies hat nur bestätigende, d.h. deklaratorische Wirkung.

 

Dienstsitz des BAG in Erfurt. Foto: BAG.

Die Zusage einer Versorgungszusage ist bereits als Versorgungszusage iSv. § 1 Abs. 1 BetrAVG anzusehen, wenn und soweit das Erstarken einer Anwartschaft zum Vollrecht nur noch vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und vom Eintritt des Versorgungsfalles abhängt, dem Arbeitgeber also kein Entscheidungsspielraum mehr über den Inhalt und den Umfang der zu erteilenden Zusage bleibt.“

 

Mit der Frage einer möglichen Diskriminierung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern durch die fragliche Versorgungsordnung habe sich der Senat dabei nicht auseinandersetzen müssen, teilt das Gericht weiter mit.

 

Der Senat hat in einem weiteren im wesentlich gleich gelagerten Fall die Revision der Beklagten aus den gleichen Gründen ebenfalls zurückgewiesen.

 

Fazit von LEITERbAV: Man kann das Urteil vertretbar, richtig und gerecht finden. Wenn es also nicht um Diskriminierung ging, kann man es aber auch als Eingriff in die Vertragsfreiheit interpretieren. Sozialpolitisch kann es jedenfalls nicht wünschenswert sein, wenn Arbeitgeber, die sich in diesen Zeiten in der bAV genügend und v.a. teuren, politikgemachten Herausforderungen gegenübersehen, von Politik respektive Rechtsprechung gezwungen sehen, wider ihrer Versorgungsordnungen bzw. ihres Willens Personen in ihre Versorgungswerke aufzunehmen – ein Phänomen, das man aus dem Komplex Versorgungsausgleich schon länger kennt.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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