Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

aba-Tagung Aufsichtsrecht (II):

Come together am Rhein…

hieß es jüngst in Bonn, zumindest für diejenigen der Teilnehmer, die vor Ort sein konnten. Verena Menne und Cornelia Schmid dokumentieren in zwei Teilen für LEITERbAV die wichtigsten Inhalte der aba-Tagung Aufsichtsrecht. Heute Teil I: die informellen Kontakte der EbAV-Staaten sowie die MaGo in der Praxis eines Pensionsfonds.

 

Bonn, 5. Oktober 2021, einen Tag vor der aba-Pensionskassentagung: rund 140 Interessierte nehmen an der aba-Tagung „Aufsichtsrecht für EbAV“ teil, davon gut 50 physisch vor Ort, die weiteren via Livestream.

 

Global, national und…

 

Georg Thurnes.

Moderiert von Georg Thurnes (Vorstandsvorsitzender der aba; ThurnesbAV GmbH) beginnt der Vormittag mit einem Vortrag über die aktuellen Entwicklungen in der Aufsicht über EbAV von Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFin (hier schon in Kurzform auf LbAV dokumentiert).

 

Grund geht auf globale Einflüsse wie die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie und das anhaltende Niedrigzinsumfeld ein, das er als „Dauerzinstief“ charakterisiert. Sein Fokus liegt aber zunächst auf nationalen Fragen wie dem neuen § 234 Abs. 7 VAG, der bei Pensionskassen Unterstützungszahlungen von Trägerunternehmen erleichtern kann, und dem Sozialpartnermodell.

 

Grund betont, dass es bei dem Sozialpartnermodell darum geht, die Nachteile der Garantiewelt zu vermeiden. Davon können sowohl die Begünstigten profitieren als auch Anbieter reiner DC-Modelle und die einzubeziehenden Tarifvertragsparteien. Dabei könnten sich auch prozyklische Effekte vermindern lassen, da es bei DC-Modellen ohne Garantien nicht dazu kommt, dass das Risikobudget aufgebraucht ist und bestimmte Anlagen verkauft werden müssen.

 

Leider gibt es bei der Zulassung des ersten Sozialpartnermodells Verzögerungen. Grund appelliert daher an Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, schon vor Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages möglichst gemeinsam mit der BaFin in Kontakt zu treten, um wichtige Fragen bereits im Vorfeld zu klären.

 

… europäisch, aber dabei nicht überraschen lassen

 

Frank Grund, BaFin. Foto: Frank Beer.

Für EbAV wichtige europäische Entwicklungen bilden einen weiteren Schwerpunkt von Grunds Vortrag. Mit Blick auf den EIOPA-Stresstest für EbAV im kommenden Jahr geht er davon aus, dass das im Sommer 2021 konsultierte Diskussionspapier, das sich mit den Methoden künftiger EbAV-Stresstests befasst und einen Werkzeugkasten mit verschiedenen Methoden vorsieht, berücksichtigt werden wird.

 

Zudem kommentiert Grund, dass es keine Überraschung sein sollte, wenn das Thema Klimawandel im Stresstest berücksichtigt wird.

 

Mit dem Grundsatz der EU-Minimalharmonisierung bei der EbAV-II-Richtlinie, die der Vielfalt der bAV in der EU Rechnung trägt, hat man gute Erfahrungen gemacht, so Grund. Der Aufseher berichtet weiter, dass die EIOPA-Stellungnahmen zum Kostenberichtswesen für EbAV und dem DC Risk Assessment, deren Entwürfe im Sommer 2021 konsultiert wurden, vom Rat der Aufseher der EIOPA Ende September angenommen wurden (am 7. Oktober 2021 erfolgte die Veröffentlichung durch die EIOPA, zusammen mit den Auswirkungsuntersuchungen – Cost impact assessment; DC impact assessment – und den Feedback-Erklärungen zu den Konsultationsantworten).

 

DC Risk Assessment

 

Die Umsetzung der EIOPA-Stellungnahme DC Risk Assessment, in der es um die Risikobewertung aus Sicht der Versorgungsberechtigten bei DC-Altersversorgungssysteme geht, könnte sich laut Grund in Deutschland auf die reine Beitragszusage beschränken. Bestehende Systeme sind hier also außen vor.

 

Kostenberichtswesen

 

Die zweite EIOPA Stellungnahme sieht ein umfassendes jährliches aufsichtliches Kostenberichtswesen für EbAV vor, das u.a. indirekte Kapitalanlagekosten bei Investmentfonds und von Trägerunternehmen übernommene Aufwendungen umfasst. Vor der Umsetzung will die BaFin die in der EIOPA-Stellungnahme vorgesehenen Möglichkeit einer vorherigen Untersuchung nutzen, bekräftigt der Chefaufseher abschließend.

 

Brexit, Individualisierung und die neue EIOPA-Vorsitzende

 

Matti Leppälä, PensionsEurope.

Matti Leppälä, CEO der PensionsEurope, greift das Thema der EIOPA-Stellungnahmen auf, stellt ihren Entwicklungsprozess dar und skizziert die Positionierung der PensionsEurope zu den aufgeworfenen Fragen. Es folgt eine Diskussion zwischen den Referenten und Thurnes u.a. zu diesen Stellungnahmen, den Auswirkungen des Brexits auf die bAV-Landschaft der EU und dem Trend hin zu einer Individualisierung der Altersversorgung.

 

Ausführlich geht Grund in dieser Diskussion auf die Frage ein, wie die BaFin damit umgeht, dass es zwar in allen EU-Mitgliedstaaten einen Versicherungsmarkt gibt und damit alle nationalen Aufsichtsbehörden bei EIOPA mitreden können, aber nicht alle EIOPA-Mitglieder EbAV beaufsichtigen. Dieses Problem ist laut Grund den relevanten Akteuren sehr bewusst. Es gibt daher seit langem informelle Kontakte zwischen den „EbAV-Ländern“ und Überlegungen, diese Beziehungen unter dem Dach von EIOPA zu formalisieren. Schließlich betont der Aufseher noch, dass die neue Vorsitzende von EIOPA, Petra Hielkema, aus einem EbAV-Land kommt, was als gutes Signal gewertet werden kann.

 

Praxisteil MaGo für EbAV

 

Die konkreten Auswirkungen von Regulierung auf EbAV stellt im Anschluss Hansjörg Müllerleile (derzeit noch bei der Robert Bosch GmbH, künftig bei der MetallRente) vor:

 

Aufbauend auf den Erfahrungen beim Bosch Pensionsfonds gibt er praktische Hinweise, wie die Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation (MaGo) für EbAV – die letztlich auf der EbAV-II-RL basieren – in EbAV umgesetzt werden können. Er zeigt zunächst im Rückblick die lange Genese, die 2011 mit dem Konsultationsersuchen der EU-Kommission zur Überarbeitung der EbAV-RL begann und über zahlreiche Regulierungsschritte nun ihren vorläufigen Abschluss mit der Umsetzung der MaGo für EbAV fand. Wie die meisten Themen, die ihren Ursprung auf der europäischen Ebene haben, war also auch die Entwicklung der Anforderungen an die Geschäftsorganisation ein Marathon und kein Sprint.

 

Müllerleile veranschaulicht, dass im Risikomanagementsystem die MaGo für EbAV, die Eigene Risikobeurteilung für EbAV (ERB) sowie ESG-Regulierung (BaFin-Merkblatt) eine zentrale Rolle spielen und sich teilweise auch überlappen. Durch fortlaufende Änderungen sowie neue Impulse auf nationaler und europäischer Ebene in diesen Bereichen wird die Umsetzung zum Moving Target für jede EbAV.

 

Als wesentliche Handlungsfelder identifiziert Müllerleile Aufbauorganisation (insb. Geschäftsleitung und Aufsichtsrat), Ablauforganisation (insb. Leitlinien und automatisierte Geschäftsabläufe), Schlüsselfunktionen, Risikomanagementsystem und Internes Kontrollsystem, Ausgliederung sowie das Notfallmanagement. In seinem Vortrag geht Müllerleile die einzelnen Abschnitte der MaGo für EbAV durch und zeigt, wie der Bosch Pensionsfonds die genannten Themen – Randziffer für Randziffer – bearbeitete.

 

Pro effiziente Organisation bei EbAV

 

Hansjoerg Muellerleile, Robert Bosch GmbH.

Abschließend bewertet der Referent die MaGo für EbAV zunächst aus Sicht des Bosch Pensionsfonds, für den im Ergebnis zwar keine grundsätzliche Neuausrichtung erforderlich, die Umsetzung jedoch mit erheblichem Einsatz personeller und zeitlicher Ressourcen verbunden war. Die Umsetzung des BaFin Rundschreibens erforderte die grundlegende Überarbeitung aller Leitlinien und teilweise Anpassungen der Aufbauorganisation, was erheblichen Abstimmungsbedarf in den Gremien der EbAV auslöste und dementsprechend Zeit kostete. Die durch die BaFin angemessen gesetzte Umsetzungsfrist konnte und musste bei der Umsetzung im Bosch Pensionsfonds voll ausgenutzt werden.

 

Aufsicht und aba

 

Danach gibt Müllerleile ein Fazit aus Sicht der aba. Er hebt positiv hervor, dass das Proportionalitätsprinzip und der Wesentlichkeitsgrundsatz den dringend benötigten Spielraum für unternehmensindividuelle Umsetzung lassen. Besondere Erwähnung findet die konstruktive Zusammenarbeit zwischen aba und BaFin, durch die einige Besonderheiten der Unternehmens-EbAV adressiert und praxisgerechte Übergangszeiträume erreicht werden konnten. Er kritisiert aber auch die starke Orientierung am Versicherer-Rundschreiben MaGo – da Geschäftsorganisation, Berichtswege, Verantwortlichkeiten eines Versicherungsunternehmens nicht zu einer (mitarbeiterlosen) Unternehmens-EbAV passen können – und außerdem den starken Fokus der MaGo für EbAV auf Formalisierung und Dokumentation. Müllerleile schließt mit zwei Fragen:

 

Ist das für EbAV einschlägige Leitprinzip der „effizienten Organisation“ in der MaGo für EbAV noch erkennbar?

 

Und: Müssen EbAV-Vorstände künftig stärker auf Checklisten-Management fokussieren, statt die Einrichtung als „Prudent Person“ im Sinne der Begünstigten und ihrer Altersversorgung zu führen?

 

Bonn: aba-Tagung Aufsichtsrecht in Teilpräsenz – mit gehörigem Abstand und 3G.


Anm. der Redaktion: Die Berichterstattung zu Veranstaltungen erfolgt auf
LEITERbAV regelmäßig im Indikativ der Referentinnen und Referenten, nicht im Konjunktiv. Mehr zur aba-Pensionskassentagung in Kürze auf LEITERbAV. Und das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

 

Cornelia Schmid betreut bei der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung aba die Fachvereinigungen Pensionskasse und Pensionsfonds, den Fachausschuss Kapitalanlage und Regulatorik, die Europaarbeit sowie den Bereich Statistik.

 

Verena Menne betreut bei der aba ebenfalls die Europaarbeit sowie die OECD-Arbeit im Bereich Private Pensions.

 

Von ihnen sind (in unterschiedlicher Mit-Autorenschaft) zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

Umfangreiches EU-Meldewesen für EbAV:

Zu viel für die EIOPA-Verordnung!

von Dr. Cornelia Schmid und Dr. Roberto Cruccolini, Berlin; München, 24. Oktober 2017

 

EZB-Meldewesen für Altersvorsorgeeinrichtungen:

Verordnung veröffentlicht, Meldebeginn verschoben

von Dr. Roberto Cruccolini und Dr. Cornelia Schmid, München; Berlin, 6. März 2018

 

aba-Fachtagung „Aufsichtsrecht:

Was 2019 wichtig wird…

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 30. Oktober 2018

 

Anforderungen der Offenlegungsverordnung für EbAV (I):

Q and some A“

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 12. August 2019

 

Anforderungen der Offenlegungsverordnung für EbAV (II):

Some more Q and A“

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 13. August 2019

 

EbAV-Aufsichtsrechttagung der aba in Bonn:

Nachhaltigkeit, Informationsanforderungen, aktuelle anderthalb Stunden und mehr…

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Bonn; Berlin, 23. Oktober 2019

 

Sustainable Finance – Überblick über den aktuellen EU-Stand:

Löwenanteil geschafft?

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 14. Januar 2020

 

aba-Aufsichtsrechtstagung (I):

Vom Sechsklang der Hoffnung …

von Dr. Cornelia Schmid und Verena Menne, Berlin, 9. Dezember 2020

 

aba-Aufsichtsrechtstagung (II):

Eine To-Do-Liste nicht nur für EbAV …

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, Berlin, 11. Dezember 2020

 

ESG Offenlegung – proportional, wesentlich, rechtssicher und mit verfügbaren Daten:

Mehr Zeit für Wesentliches

von Verena Menne, Dr. Cornelia Schmid und Dr. Roberto Cruccolini, Berlin; München, 15. Dezember 2020

 

aba-Tagung Aufsichtsrecht (II):

Come together am Rhein

von Verena Menne und Dr. Cornelia Schmid, 16. November 2021

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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