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bAV bei Banken und Finanzdienstleistern – virtueller Branchentreff:

Chancen in Krisen

Über regulatorische Anforderungen, Auswirkungen der aktuellen Zinslandschaft und Klimaneutralität: Alles, was die bAV-Welt ingesamt bewegt, ist auch für Arbeitgeber in der Finanzdienstleistung deutlich spürbar. In einer dreistündigen digitalen Veranstaltung trafen sich am 20. Mai die Verantwortlichen für Personal, Finanzen sowie Compensation and Benefit von über 100 Banken. Eingeladen hatte wieder der BVV. Mirko Buchwald dokumentiert für LEITERbAV einige der Inhalte.

 

 

Einstandspflichten, Sozialeinrichtungen und Höchstrechnungszinsen – über Auswirkungen von Gesetzgebung und Rechtsprechung auf die bAV

 

Marco Herrmann, BVV.

Ein beherrschendes Thema der Branche ist und bleibt der starke Einfluss von Rechtsprechung und Gesetzgebung auf die bAV, das wird im Vortrag von Marco Herrmann, Vorstandsmitglied des BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G., deutlich.

 

So lassen sich einige Entwicklungen direkt auf regulatorische Vorgaben zurückführen. Hierzu zählen unter anderem die Entwicklung einer digitalen Rentenübersicht, die Einführung der PSV-Beitragspflicht für regulierte Pensionskassen sowie die verbesserte Geringverdienerförderung. Darüber hinaus gibt Herrmann eine Tour d’Horizon über aktuelle bAV-Rechtsprechung.

 

In diesem Zuge behandelt Herrmann auch das bereits vielthematisierte BAG-Urteil vom 22. September 2020, welches die Insolvenzfestigkeit von CTAs bestätigte, gleichzeitig jedoch auch die Diskussion entfachte, ob CTAs als Sozialeinrichtungen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne einzustufen sind. Bestätigt sich die Auffassung des BAG, wäre das bisher mitbestimmungsfreie Finanzierungsvehikel CTA künftig mitbestimmungspflichtig.

 

Vollständige Klarheit besteht hierzu nach dem BAG-Urteil noch nicht. Eins steht jedoch fest: Das Thema wird die Finanzbranche noch lange Zeit beschäftigen, haben doch viele Banken ihre Pensionsverpflichtungen seinerzeit in CTAs gesichert und nutzen diese Lösung in Teilen auch noch heute.

 

Ebenfalls Thema Herrmanns ist die Einstandspflicht des Arbeitgebers im Falle des Absenkens von Rentenfaktoren. Mit Urteil vom 12. Mai 2020 hatte das BAG entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, während des laufenden Arbeitsverhältnisses die zum Ausgleich der Verringerung der Rentenleistung notwendigen Zusatzbeiträge zu erbringen. Vielmehr greife eine Einstandspflicht erst bei Renteneintritt.

 

Mit gleichem Urteil bekräftigte das BAG seine Einschätzungen, dass die besagte Einstandspflicht eben nur dann für Leistungen sowohl aus den Arbeitgeberbeiträgen als auch aus den „Eigenbeiträgen“ des Arbeitnehmers greife, wenn eine so genannte Umfassungszusage vorliege. Hierfür trage der Versorgungsberechtigte die Beweislast, so der Referent abschließend.

 

Kapitalanlage im Niedrigzinsumfeld: „Hope for the best and prepare for the worst.”

 

Frank Egermann, BVV.

Frank Egermann, seit April diesen Jahres Vorstandsmitglied des BVV und dort zuständig für das Resort Kapitalanlage, nutzt seine Vortragszeit, um für das Thema „Kapitalanlage im Niedrigzinsumfeld“ weiter zu sensibilisieren, und macht damit deutlich, worunter die gesamte bAV-Branche nach wie vor leidet. Angesichts der gegenwärtigen, weiter herausfordernden Bedingungen für die Kapitalanlage betont er die Bedeutung, für besondere Situationen gewappnet zu sein.

 

Zur Verdeutlichung bedient Egermann sich der Seefahrt. „Stellen Sie sich vor: Sie sind auf hoher See und geraten in Seenot. Wenn der Kapitän erst jetzt anfängt, im Bordbuch nach dem Kapitel ‚Notfall‘ zu suchen, dann scheint dies keine angenehme Situation für Sie zu werden.“ Jedoch: Auch wenn weiterhin nicht abzusehen ist, wie lange die Niedrigzinsphase noch anhalten wird, bekräftigt Egermann, dass sich in Krisenzeiten auch immer Chancen ergeben, die es zu nutzen gilt.

 

Kopf in den Sand stecken? Oder Erfolg nur in der Achterbahn der Aktienmärkte suchen? Das hält der Referent für zwei Extrempositionen, die im anspruchsvollen Anlageumfeld zwischen Niedrigzins, Pandemiegeschehen und Wirtschaftskrisen keine Lösung versprechen. Egermanns Antworten auf die aktuellen Herausforderungen holen weiter aus, er zählt auf:

 

  • stringente Prozesse für schnelle Analysen und Entscheidungen

  • leistungsgerechte Konditionen entlang der Wertschöpfungskette

  • gezielte Portfolioausrichtung auf alternative Ertragsquellen

  • systematische Vermeidung von Risiken mangelnder Nachhaltigkeit.

 

Aus diesen Gründen setzt der BVV auf eine globale Diversifikation der Anlagen – und auf regelmäßige Stresstests, mit denen diese Anlagen extremen Szenarien ausgesetzt werden. Ergebnis ist gewissermaßen ein Allwetterportfolio, in dem illiquide Assets wie Infrastrukturprojekte und Immobilieninvestments genauso ihren Platz haben wie Anleihen und Aktien.

 

Auf die Teilnehmer-Frage, wie das Jahr 2020 für den BVV lief, gibt Egermann Einblicke in die aktuellen Geschäftsergebnisse und sagt, dass Anlageprozess und Anlageportfolio des BVV diesen besonderen Stresstest bestanden haben und der BVV das Jahr sehr gut abgeschlossen habe.

 

Dreieck, Viereck …

 

Nicht aus dem Blick dürfe dabei auch der immer wichtiger werdende Faktor Nachhaltigkeit verloren werden. Nachhaltigkeit ist für den BVV ein gleichrangiges Ziel, es steht aber auch in der Konkurrenz zu den anderen Zielen Rentabilität, Sicherheit und Liquidität. So gesehen, wird das „magische Dreieck“ aus Rentabilität, Sicherheit und Liquidität um das Thema Nachhaltigkeit zu einem „magischen Viereck“ erweitert, schließt Egermann ab.

 

und klimaneutral bis 2050

 

Christian Wolf, BVV.

Der Branchenversicherer BVV hat sich das Ziel gesetzt, sein Anlageportfolio spätestens bis zum Jahre 2050 klimaneutral zu gestalten. Christian Wolf, Leiter Risikomanagement im BVV, hat erläutert auf der Tagung die Nachhaltigkeitsaspekte der Kapitalanlage und betont eingangs: ESG steht für Environment, Social, Governance – und betrifft damit nicht nur ökologische Aspekte.

 

Unternehmen der bAV sind als langfristige Investoren im Markt aktiv und können dazu beitragen, das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft stärker zu verankern. Wolf erläutert, dass es wichtig sei, die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten und im Rahmen der ESG-Faktoren alle Chancen und Risiken abzuwägen.

 

Institutionelle Investoren sieht Wolf dabei durchaus in der Pflicht, über gezielte Maßnahmen der Kapitalanlage wie auch im konstruktiven Dialog mit Unternehmen einen gesamtgesellschaftlichen Wandel zu unterstützen. Der BVV befindet sich mit anderen Unternehmen und externen Asset Managern im Austausch mit dem Ziel, die eigene ESG-Strategie mit denen der Unternehmen und Asset Manager abzugleichen und ggf. auf eine Anpassung hinzuwirken.

 

Der Risikomanager bedauert, dass es aktuell keine einheitlichen Standards bei ESG-Ratings gibt. Daher sei es besonders wichtig, die jeweiligen Bewertungsmethoden und Datengrundlagen zu verstehen und die Ratings lediglich als Inputfaktor für die eigene Bewertung zu verwenden.

 

Ein gängiges Instrument, über das Investoren wie der BVV Einfluss nehmen können, sind Ausschlüsse. Der BVV sieht sich in der Verantwortung, Investments auszuschließen oder zurückzuführen, wenn diese nicht definierten ESG-Standards entsprechen.

 

Vom Funding und Outsourcing – was wirklich hilft und wohin die Reise geht

 

Mirko Buchwald, BVV.

Der Vortrag des Autors dieses Beitrages spannt den Bogen von den zuvor diskutierten großen Megatrends der bAV zum Tagesgeschäft in den Mitgliedsunternehmen, also zu den pensionsrelevanten Fragen von Banken und Finanzdienstleistern. Vor dem Hintergrund besonders herausfordernder ökonomischer Rahmenbedingungen zeichnet der Prokurist und Abteilungsleiter Firmenkunden des BVV ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch der Banken nach De-Risking einerseits und der Notwendigkeit attraktiver bAV im Kampf um die klügsten Köpfe, bspw. für den digitalen Wandel der Banken.

 

Die in der Branche diesbezüglich diskutierten Lösungsansätze sind dabei vielschichtig und unternehmensindividuell – von der reinen Beitragszusage bis zum smarten Outsidefunding der Direktzusagen. Hier zeigt der Autor auf, wie ein möglicher Zinsanstieg das Risikobudget einer Bank belasten könnte. Das von Herrmann zuvor bereits aus rechtlicher Sicht thematisierte CTA kommt auch hier nicht gut weg, denn in einem sich ändernden Umfeld schütze ein Funding über ein CTA oftmals nicht vor Zinsänderungen, so der Referent. Problem sei, dass hier lediglich eine Saldierung der Verpflichtungen und Vermögen vorgenommen werde und die Bewertungen auf Aktiv- und Passivseite unterschiedlich seien. Dies erfordere eine permanente Nachjustierung zur passgenauen Ausgestaltung der Vermögen zu den zu bewertenden Verpflichtungen.

 

Doch es gehe besser, führt der Autor aus, und verweist auf Möglichkeiten zur Umgestaltung unmittelbarer Versorgungszusagen hin zu mittelbaren. Als problematisch werden auch die in der Branche insb. für Entgeltumwandlungen bisweilen noch etablierten Modelle der BZML im Zusammenhang mit der bevorstehenden Absenkung des Höchstrechnungszinses von 0,9 auf 0,25% identifiziert, so der Referent abschließend.

 

Die Dialog-Veranstaltung am 20. Mai war der Auftakt einer Reihe virtueller Veranstaltungen des BVV: Am 24. Juni folgt eine Online-Fachtagung zur Zukunft der bAV, bevor am 25. Juni die Mitgliederversammlungen stattfinden, für die neben der virtuellen Ausrichtung auch ein Online-Vollmachtsverfahren eingeführt wurde, über das die Versicherten ihre Delegierten benennen können.

 

Weitere Informationen zu den Inhalten der Veranstaltung „Im Dialog 2021“ finden sich hier.

 

Der Autor ist Prokurist und Abteilungsleiter Firmenkunden des BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. in Berlin.

 

Von ihm und anderen Autoren des BVV bzw. der betavo sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

 

Die Zeit ist reif…
für die reine Beitragszusage“
von Christoph Lotz, 10. November 2022

Inside Industry:
Bei den Banken eine Bank
von Mirko Buchwald und Branko Kovač, in der Tactical Advantage Vol 10, Oktober 2022

BVV im Gespräch (II):
Wie kommunizierende Röhren“
Interview mit Frank Egermann und Marco Herrmann, 19. Juli 2022

BVV im Gespräch (I):
Mehr als Flut und Boote
Interview mit Frank Egermann und Marco Herrmann, 26. Juli 2022

bAV bei Banken und Finanzdienstleistern – virtueller Branchentreff:
Chancen in Krisen
von Mirko Buchwald, 11. Juni 2021

Beitragspflicht von Renten in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR):
Doppelverbeitragung von Betriebsrenten und deren Umsetzung bei Versorgungsträgern
von Marco Herrmann und Branko Kovač, im Mai 2019 in der Tactical Advantage Vol 1

Der Arbeitgeberzuschuss ab 2019 (II):
Pauschal ist immer noch nicht immer pauschal. Und spitz noch immer nicht wirklich spitz.
von Marco Herrmann und Branko Kovač, 25. März 2019

Der Arbeitgeberzuschuss ab 2019:
Pauschal ist nicht immer pauschal. Und spitz nicht wirklich spitz.
von Marco Herrmann und Branko Kovač, 22. November 2018

Karlsruhe kassiert Kassel (II):
Nicht im institutionellen Rahmen
von Marco Herrmann, 12. September 2018

Von Weichen, Vola und Risikokapital:
Flexible Anlagepolitik, hohe Diversifikation“
Interview mit Rainer Jakubowski, 19. Juni 2018

Bankenbranche diskutiert über Zukunft der bAV:
Zwischen DSGVO, Ausfinanzierung und rBZ
von Marco Herrmann, 23. Mai 2018

40b und Beitragsfreiheit:
Vereinfacht und verbessert?
von Marco Herrmann und Michael Ries 25. Oktober 2017

BVV legt Jahresabschluss vor (II):
Irgendeinen Tod muss man sterben“
Interview mit Rainer Jakubowski, 24. Mai 2017

Rainer Jakubowski (BVV) über die Märkte
Die EM-Story stimmt nach wie vor.“
Interview mit Rainer Jakubowski, 25. September 2013

 

 

 

Anm. der Redaktion: Die Berichterstattung zu Veranstaltungen erfolgt auf LEITERbAV regelmäßig im Indikativ des Referenten, nicht im Konjunktiv.

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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