Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

aba-Aufsichtsrechtstagung (II):

Bedeckung ja …

aber nicht dauernd. Mehr ist weniger, zumindest wenn es um die Wahrscheinlichkeiten von Pensionskassen geht, ihre Leistungen stets im Fälligkeitszeitpunkt erfüllen zu können. Hier fordert ein Fachverband mehr Spielräume. Nicht zum ersten Mal.

 

Nach dem gestrigen Beitrag hier und heute nun einige weitere Informationen zur aba-Aufsichtsrechtstagung, die vorgestern in Bonn stattgefunden hat.

 

Stefan Nellshen, Bayer AG.

Starre Bedeckungsregeln von jederzeit 100% der Verpflichtungen passen nicht zum extrem langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell der Pensionskassen“.


Das sagt
Stefan Nellshen, stellv. Leiter des aba-Fachausschusses Kapitalanlage und Regulatorik der aba, im Rahmen der Tagung, und der Bayer-Pensionschef hat Gründe für diese Forderung:

 

Pensionskassen seien in der Regel keinen Stornorisiken ausgesetzt. Die Ausrichtung der Kapitalanlagestrategie an einer jederzeitigen, vollständigen Bedeckung solcher langfristiger Leistungsverpflichtungen durch Vermögenswerte anstatt an einer Finanzierung der garantierten Leistungen im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt (also dem eigentlichen Geschäftszweck einer Pensionskasse) führe häufig sogar zu geringeren Wahrscheinlichkeiten, die Leistungen stets im Fälligkeitszeitpunkt erfüllen zu können. Dies ließe sich sogar mathematisch beweisen, erläutert Mathematiker Nellshen.


Die diesbezüglichen Anforderungen an Pensionskassen sollten daher grundsätzlich überdacht werden,
so Nellshen weiter. Statt starrer Bedeckungsanforderungen sollte mittels der Instrumente des Asset Liability Managements die Steuerung von Pensionskassen auf die Maximierung der Wahrscheinlichkeit der Leistungserbringung zu den konkreten Fälligkeitsstichtagen der Leistungen hin ausgerichtet werden. Übergangsweise kämen Pufferlösungen in Betracht, welche zeitweilig eine maximale, fest definierte Bedeckungslücke (z.B. 10%) zulassen.

 

 

Bedenke den Vertrag

 

 

Georg Thurnes.

Georg Thurnes, Vorstandsvorsitzender der aba, ergänzt: „Eine entsprechende Anpassung der Regulatorik wäre auch im Sinne der Absichtserklärungen des Koalitionsvertrags, Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen zu ermöglichen.“ Angepasste Bedeckungserfordernisse böten mehr Flexibilität bei der Kapitalanlage, die eine chancenreichere Anlagestrategie begünstigen.

 

Die aba werde entsprechende Vorschläge in den laufenden Fachdialog Betriebsrente zur Umsetzung des Koalitionsvertrags einbringen, zusammen mit weiteren Vorschlägen zu Anpassungen der Anlageverordnung, wie die besondere Berücksichtigung von Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen. Letztere stündenschließlich auch im Zentrum des politischen Interesses, so der Aktuar weiter.

 

 

Fazit von LEITERbAV

 

 

Die Forderung, die Bedeckungsregeln für Pensionskassen zu lockern, ist nicht neu, sondern wird vom Parkett schon seit mehreren Jahren an die Politik herangetragen – bisher freilich vergebens. Druck entstand besonders während der langen Jahre der Niedrig- und Nullzinsen. Nun könnte man argumentieren, dass die Sache mit dem – möglichen – Ende der Phase der Niedrig- und Nullzinsen nicht mehr auf der Tagesordnung zu stehen habe. Das wäre aber ein Irrglaube. Richtig, die Zinsen steigen, und wohl nicht wenige EbAV fahren ihr Fixed Income-Exposure wieder deutlich hoch, weil sie damit ihre in vielen Jahren auf Diät gesetzten Rechnungszinsen kommod bedienen können.

 

Doch abgesehen davon, dass niemand weiss, ob die Zinsen wirklich nachhaltig auf normales Niveauzurückkehren, steht eines fest: Die Zeiten werden schwieriger, viel schwieriger. Das betrifft die realwirtschaftliche Lage, vor allem aber die weiterhin ständig komplexer werdenden Märkte. Nur einige Punkte: Fed geht konsequent bis radikal vor, die anderen großen Notenbanken können/wollen nicht folgen, QE vs. QT, Wechselkurse in starker Bewegung, Europa vor einer Wirtschaftskrise, der Krieg im Osten, Zinsen steigen teils geplant, teils ungeplant, Inflation meets Recession. Und Patentrezepte gibt es nicht. Wenn überhaupt, dann – auch wenn schon fast eine Binsenweisheit – dass die Diversifikation als Tool des Risikomanagements noch unerlässlicher ist als sie es bisher schon war. Insofern tut die Politik gut daran, den Kassen dort, wo es nicht weh tut, diejenigen Spielräume zu geben, die sie brauchen, um sich wetterfest machen zu können für die kommenden Stürme. Denn kommen werden sie.

Der erste Teil der Berichterstattung zur aba-Aufsichtsrechtstagung findet sich auf LEITERbAV hier, der dritte Teil zwischenzeitlich hier, der vierte Teil hier.

Die erste Teil der mehrteiligen Berichterstattung zur aba-Pensionskassentagung findet sich auf LEITERbAV hier.

Der Beitrag kann auf LEITERbAV Dynamics kommentiert werden.


Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück
findet sich hier.

Derzeit aktuell auf pensions.industries hrservices

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.