Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Die Neuordnung der BMW Altersvorsorge in Deutschland:

Aus „Ruhegeld“ mach „Alterskapital“

Die BMW Group hat im letzten Jahr die in den 70er Jahren eingeführte arbeitgeberfinanzierte Leistungszusage für Tausende von Mitarbeitern abgelöst. 45.000 Mitarbeitern wurde der Wechsel von einem DB-Plan in einen DC-Plan – in Form einer fondsgebundenen kapitalgedeckten Altersvorsorge – angeboten. Monika Hennersberger erläutert Einzelheiten, vorgetragen auf dem Lurse RoundTable „Frauen in der bAV“.

 

 

Das Alt-System: Das BMW Ruhegeld

 

Monika Hennersberger, BMW.

Die abzulösende arbeitgeberfinanzierte Leistungszusage (BMW Ruhegeld), in Form eines DB Plans, gestaltet sich wie folgt:

 

Jeder Mitarbeiter der BMW Group erdient pro Dienstjahr einen Festbetrag, der ab Versorgungsfalleintritt als monatliche lebenslange Rente ausgezahlt wird (z.B. 9 Euro pro Dienstjahr x 35 Dienstjahre ergibt ein monatliches Ruhegeld von 315 Euro). Bei Umgruppierungen erhöht sich der erdiente Anspruch rückwirkend für alle Dienstjahre. Bei Annahme des bestehenden Altersteilzeitangebots wird der Festbetrag im Tarifbereich um 4 Euro rückwirkend für alle Dienstjahre erhöht.

 

In diesem DB Plan mit insgesamt über 100.000 Teilnehmern befanden sich bei Projektstart noch 61.632 aktive Mitarbeiter.

 

Das Neu-System: Das BMW Alterskapital für Neueintritte ab 2014

 

Im Jahr 2014 hatte die BMW Group für Neueintritte bereits einen DC Plan (BMW Alterskapital) eingeführt. Bei diesem Plan erhalten die Mitarbeiter monatlich einen bAV-Beitrag auf ein Ansparkonto.

 

Dieser Grundbeitrag ist nach Entgeltgruppen festgelegt. Bei einem durchschnittlichen Tarifmitarbeiter sind das z.B. 100 Euro pro Monat.

 

Zusätzlich kann der Mitarbeiter im Rahmen eines Opting outs an einem Matching Modell teilnehmen; zu einem Entgeltumwandlungsbetrag des Mitarbeiters leistet der Arbeitgeber hierbei einen Matching Beitrag in gleicher Höhe (Zusatzbeitrag).

 

 

 

Auf die eingezahlten Beiträge garantiert die BMW Group eine dem Kapitallebensversicherungszins entsprechende Mindestverzinsung.“

 

 

 

Sämtliche Beiträge werden in einem fondsbasierten Life Cycle-Modell angelegt. In diesem Kapitalanlagemodell wird in fünfjährigen Abständen das Investment an den jeweiligen Lebensabschnitt des Mitarbeiters angepasst. Je älter der Mitarbeiter wird, desto sicherer wird das Investment umgeschichtet.

 

Auf die eingezahlten Beiträge garantiert die BMW Group eine dem Kapitallebensversicherungszins entsprechende Mindestverzinsung. Der Mitarbeiter entscheidet zu Leistungsbeginn, in wie vielen Jahresraten das Kapital (max. 20 Raten) ausgezahlt wird. Die ausstehenden Raten werden jährlich um 1% erhöht. In der Auszahlungsphase sind die Raten vererbbar.

 

In diesen DC Plan konnten seit 2014 bis zum Start des Neuordnungsprojekts bereits fast 30.000 Mitarbeiter aufgenommen werden. Ziel der Neuordnung im Jahr 2021 war es nun, die vor dem 1. Januar 2014 eingetretenen Mitarbeiter vom Alt-System in das Neu-System zu überführen.

 

Rahmenbedingungen der Neuordnung

 

Zwecks Neuordnung bot die BMW Group ihren Mitarbeitern ab dem Jahrgang 1965 (ca. 45.000 Mitarbeiter) an, vom BWM Ruhegeld in das BMW Alterskapital zu wechseln. Parallel wurden im BMW Alterskapital die Arbeitgeberbeiträge attraktiver gestaltet.

 

Im Rahmen einer kollektivrechtlichen Neuordnung sind Unternehmen an rechtlich gesetzte Mindestanforderungen wie das dreistufige Prüfungsschema des BAG gebunden. Daraus folgte für die BMW Group, dass eine zwangsweise Umstellung von einer lebenslangen Renten- auf eine Kapitalleistung nicht rechtssicher umsetzbar ist.

 

Daher wurde den betroffenen Mitarbeitern ein freiwilliges Überführungswahlrecht eingeräumt. Das Wahlrecht galt einmalig, und die Mitarbeiter mussten sich bis zum Umstellungsstichtag entscheiden, ob sie in das BMW Alterskapital wechseln oder im Alt-System verbleiben möchten. Mitarbeiter, die nach mehrmaliger Aufforderung zum Stichtag keine Entscheidung trafen, verblieben im Alt-System.

 

Grundlage der Neuordnung ist die äquivalente Überführung der BMW Ruhegeld-Zusage in das BMW Alterskapital, d.h. der Mitarbeiter erhält im Alter 63 im Rahmen des BMW Alterskapitals eine gegenüber dem BWM Ruhegeld gleichwertige Leistung.

 

Für jeden in das BMW Alterskapital gewechselten Mitarbeiter wurde hierzu zum Stichtag der Kapitalwert des aus dem BMW Ruhegeld unter Berücksichtigung des individuellen Eintrittsdatums in den Konzern und sämtlicher persönlicher Daten des Mitarbeiters auf das Alter 63 hochgerechnet. Dieser Wert wird nach der Überführung in das BMW Alterskapital über verschiedene Komponenten abgebildet:

 

Zum einen wird den Wechslern ein mit einem festen Zinssatz von 1,39% jährlich verzinster Besitzstand (Past Service) aus dem BMW Ruhegeld aufrechterhalten, welcher bei Karrieresprüngen neu berechnet wird. Neben Grundbeiträgen können im Wege des Matching-Modells Zusatzbeiträge in das BMW Alterskapital fließen, wobei unterstellt wird, dass jeder Wechsler am Matching-Modell teilnimmt.

 

Zudem erhalten diese Mitarbeiter einen Wechselbaustein für das BMW Alterskapital. Mit diesem wird gewährleistet, dass der Kapitalwert im Alter 63 im Neu-System dem Kapitalwert entspricht, der bei Verbleib im Alt-System im Alter 63 erreichbar gewesen wäre. Zudem wurde die Erwerbsminderungsleistung im BMW Alterskapital verbessert.

 

Für im Alt-System verbliebene Mitarbeiter wurden die Festbeträge der BMW Ruhegeldzusage dauerhaft „eingefroren“, d.h. nach dem Neuordnungsstichtag werden diese nach Umgruppierungen nicht mehr angepasst. Zum Ausgleich wird den im BMW Ruhegeld verbliebenen Mitarbeitern zusätzlich ein kleiner DC-Beitrag mit der Möglichkeit in begrenztem Umfang am Matching Modell teilzunehmen, gewährt.

 

Umsetzung der Neuordnung

 

Als Berater und Dienstleister unterstützen das umfangreiche Großprojekt die H2B Aktuare und Lohoff Pension Services GmbH:

 

Konzeption, Verhandlungen und Berechnung, Dokumentation sowie Klärung rechtlicher und steuerlicher Fragen und auch das Kommunikationskonzept erfolgte in Zusammenarbeit mit H2B Aktuaren. Lohoff Pension Services betreibt das BMW Altersvorsorgeportal, das zur Kommunikation und zur Wahlausübung eingesetzt wurde und auch zur Einzelkontenadministration genutzt wird.

 

 

 

Große Aufmerksamkeit fand das Projekt durch die Unterstützung der Kommunikation durch den Vorstand und dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden auf einer zentralen digitalen Informationsveranstaltung.“

 

 

 

Nach der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung zur Neuordnung im April 2021 wurden die Überleitungsberechnungen für die Mitarbeiter vorgenommen und ein umfassendes Kommunikationskonzept zur Information der Mitarbeiter in die Praxis umgesetzt. Letzteres gestaltete sich aufgrund der Corona Pandemie und der daher entfallenden Live-Veranstaltungen als Herausforderung. Gleichwohl wurden zahlreiche Informationswege genutzt, wie Plakate, Infostände und Broschüren, das Intranet bzw. das digitale bAV-Portal, eine Service-Hotline und eine gezielte Ansprache von Führungskräften. Große Aufmerksamkeit fand das Projekt durch die Unterstützung der Kommunikation durch den Vorstand und dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden auf einer zentralen digitalen Informationsveranstaltung.

 

Jeder Mitarbeiter mit einer BMW Ruhgeldzusage erhielt zudem ein persönliches Anschreiben mit einem individuellem Angebot, in dem jeder Rechenschritt der angebotenen Überleitung aufgeführt und ausführlich erläutert wurde. Die angeschriebenen Mitarbeiter hatten ca. zwei Monate Zeit, ihre Wahl zu treffen. Die Wahloption konnte über das bAV-Portal oder über ein Papierformular ausgeübt werden. In dieser Entscheidungsphase gingen über E-Mail und Hotline über 3.300 zum Teil sehr komplexe Anfragen zur Funktionsweise des Neu-Systems ein.

 

Insgesamt konnten 65% der Mitarbeiter überzeugt werden, vom Alt-System in das Neu-System zu wechseln. 79% der angeschriebenen Mitarbeiter gaben eine Rückmeldung zum Angebotsschreiben. Beides wurde als sehr großer Erfolg gewertet.

 

Erfolge der Neuordnung

 

Mit der Neuordnung der bAV verfolgte die BMW Group sowohl finanz- als auch personalpolitische Ziele.

 

Mit der Umsetzung konnten finanzielle Risiken wie Langlebigkeit, Zinsen und Inflation aus dem alten Plan reduziert werden. Demgegenüber lässt sich ein beitragsorientierter Plan besser steuern. Die Prozesse zwischen der Gehaltsabrechnung, dem externen Provider, der Kapitalanlage und den Konten der Beschäftigten sind kürzer und komplett automatisiert.

 

Zum anderen wurde die bAV attraktiver, marktgerechter und moderner gestaltet. Insbesondere jüngere Mitarbeiter haben die Chance erhalten, im Rahmen des DC-Plans an den Erträgen der Kapitalmärkte zu partizipieren und das im Alt-System hohe Inflationsrisiko zu reduzieren. Zudem diente die Neuordnungsaktion der Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung bei der BMW Group.

 

Es war zu beobachten, dass sich mit dieser Neuordnungsaktion viele Mitarbeiter erstmals mit der betrieblichen Altersversorgung beschäftigt und diese bewusst wahrgenommen haben. Grundsätzlich machte und macht die BMW Group auch die Erfahrung, dass sich Mitarbeiter intensiver mit ihrer bAV beschäftigen und diese auch mehr zu schätzen wissen, wenn sie kapitalmarktorientiert ausgestaltet und mit einem Matching-Modell verknüpft ist.

 

Die Autorin ist Referentin Personal bAV, Altersteilzeit, Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in der BMW Group.

 

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag, den sie auf dem Lurse RoundTable „Frauen in der bAV“ im Dezember 2021 gehalten hat.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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