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21. Handelsblatt Jahrestagung bAV (III): das erste Sozialpartnermodell endlich …

… auf der Zielgeraden?

Der erste SPM-Pilot lässt weiter auf sich warten. Aber vielleicht nur noch zwei Monate? Auf der HB-bAV-Tagung skizzierten Experten den aktuellen Stand. LbAV-Autor Detlef Pohl beobachtete Optimismus wie Pessimismus in der Diskussion – rund um die Kompensationen für die Enthaftung, um fehlende Verfügungsrahmen und um gute Gefühle.

 

Nach den Spitzenbeamten und der Aufsicht heute weitere Berichterstattung – diesmal rund um das Sozialpartnermodell – zur diesjährigen 21. Handelsblatt Jahrestagung bAV, die Anfang vergangener Woche an drei Tagen virtuell stattgefunden hat. Wegen der Dichte der Informationen nutzt LEITERbAV erneut den Telegrammstil (sämtlich im Indikativ nur einiger der Referenten).

 

Marco Arteaga, Partner der Kanzlei DLA Piper: „KMU können gar nicht in SPM einsteigen“

 

Marco Arteaga, DLA Piper.

+++ merkt aktuelle Entwicklungsrichtungen beim Sozialpartnermodell (SPM) an +++ mittels Zielrente soll Versorgungsleistung aus gleichem Aufwand zwei- bis dreimal höher sein – durch Verzicht auf Garantien und niedrigere Kosten +++ weil aber bAV-Flächentarifverträge bisher nicht zustande gekommen, können KMU gar nicht in SPM einsteigen +++ 57% aller Unternehmen in Deutschland sind KMU mit je bis zu 249 Beschäftigten +++ KMU warten aber auf rBZ, da klarer Verpflichtungsumfang, keine nachlaufenden Kosten und keine persönliche Haftung des Inhabers +++ für KMU wird „Ausweichlösung“ benötigt +++

 

+++ häufige gewerkschaftliche Vorbehalte bei Einflussnahme SPM: „Wir können das nicht; Engagement für Nicht-Tarifgebundene fördert Trittbrettfahrerei; zuerst zählt Gewerkschafts-Mitgliedschaft, dann Gehälter, dann Arbeitsbedingungen und erst dann bAV“ +++ Ängste zum Teil übertrieben; Beteiligung an Durchführung und Steuerung (§ 21 BetrAVG) bedeutet nicht direkte Steuerung der Kapitalanlage, sondern nur Festlegung einer Kapitalanlagestrategie durch Auswahl eines Modells zu Beginn und anschließend Überwachung der Anlagestrategie und der eingeschalteten Dienstleister +++ Abwarten keine Lösung, denn Garantien erodieren, und durch Demografie steigt GRV-Beitrag Richtung 25% und mehr +++ Fazit: Strategisch ist „Anflanschen“ eines kompensierenden Instruments für beide Sozialpartner geboten, etwa über ein SPM +++

 

Judith Kerschbaumer: Chefin Sozialpolitik der ver.di-Bundesverwaltung: „ Arbeitgeber muss sich neben angemessenem Sicherungsbeitrag mit substanziellem Betrag beteiligen“

 

Judith Kerschbaumer, ver.di., hier ein Bild von einem Gespräch mit Nikolaus Bora Anfang 2020.

+++ ver.di hatte schon im Februar 2018 für Tarifrunden empfohlen, BRSG zum Thema zu machen und in Bereichen ohne bAV arbeitgeberfinanzierte bAV anzustreben +++ bAV muss dabei lebensstandardsichernde Alterssicherung gewährleisten, ein SPM den ver.di-Rahmenregelungen entsprechen +++ ver.di will nur mit Versorgungseinrichtungen zusammenarbeiten, deren Träger eigenen Beschäftigten attraktive bAV anbietet +++ Arbeitgeber muss sich neben angemessenem Sicherungsbeitrag als Kompensation für Enthaftung mit substanziellem Betrag an bAV beteiligen +++ nur Weitergabe der SV-Ersparnis bei Entgeltumwandlung reicht nicht +++ ver.di wird keine Ablösung oder Verschlechterung bereits bestehender Zusagen durch SPM hinnehmen +++ Finanzanlagen müssen ökologischen, ethischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen +++ meiste Arbeitgeber wollen bislang keine bessere bAV organisieren, obwohl sie enthaftet würden +++ andere AG wollen, aber SPM dürfe nicht zu höheren Kosten führen +++

 

 

Die neuerliche Debatte um obligatorische, allein von den Beschäftigten zu finanzierende und selten zu Ende gedachte private Zwangssparmodelle ist nicht hilfreich.“

 

 

+++ ver.di ist bislang erste Gewerkschaft, die Verhandlungen zu SPM aufgenommen hat und um gute Lösung ringt +++ zuversichtlich, Verhandlungen mit Talanx-Konzern auf der Zielgeraden +++ Abschluss bis Jahresende 2020 erwartet +++ fehlende Garantien nicht springender Punkt bei offenen Fragen, da Deutsche Betriebsrente gute Lösung bietet +++ essentieller AG-Beitrag bei fehlender Garantie von Talanx geboten +++ wichtig ist auszuhandelndes Finanzvolumen und Frage, wer was wie finanziert +++ Durchführungsvertrag muss Fragen zu „Anschlussfähigkeit“ für weitere Sozialpartner, Anwendung von Sterbetafeln, Auf- und Abbau kollektiver Puffer, Kapitalanlage, Verrentung und Anpassung der Renten sowie Sicherstellung der gesetzlich geforderten „Durchführung und Steuerung“ klären +++ nicht hilfreich: neuerliche Debatte um obligatorische, allein von den Beschäftigten zu finanzierende und selten zu Ende gedachte private Zwangssparmodelle +++ bAV ist bessere, weil kollektive und Arbeitgeber einbeziehende Alternative zur privaten Vorsorge +++ Assekuranz will noch keinen Flächen-TV +++ Start daher mit Haus-TV +++

 

Fabian v. Löbbecke, Vorstandsvorsitzender von HDI Pensionsmanagement: „Gute Gefühle mit ver.di“

 

Fabian von Löbbecke, HDI Pensionsmanagement.

+++ SPM-Abschluss bei Talanx bis Ende 2020 realistisch +++ Verhandlungsstand besser als vor einem Jahr, als Vollzugsmeldung zu optimistisch war +++ Umsetzung wird 2021 beginnen über Deutsche Betriebsrente, Joint Venture der Talanx mit der Zurich +++ zu viele Sicherheitselemente würden merklichen Renditeschub verhindern +++ daher besser höheren AG-Beitrag als Kompensation für den Garantieverzicht +++

 

+++ Kostenvorteile von 4% durch automatisierte/digitale Verwaltung und verringertes Solvenzkapital +++ reduzierte Abschlusskosten durch digitale Beratung und Kostendruck in Ausschreibungen +++ schlanke Strukturen mit digitaler Strecke von Front- bis Backend inzwischen vorhanden +++ fühlt sich richtig gut an mit ver.di +++

 

Lars Golatka, Chef des Deutschen Pensionsfonds und bAV-Bereichsvorstand bAV Zurich: „Hohe Transparenz gegen Vorbehalte erreicht“

 

Lars Golatka, Zurich und Deutscher Pensionsfonds AG.

+++ Ziel ist 30 bis 50% mehr Rente für als mit traditioneller bAV +++ seriöse Simulation weist höhere bAV-Rente als bisher in 93% der Fälle sogar ohne Sicherungsbeitrag des AG aus +++ durch Sicherungsbeiträge in Höhe von 5% kann Wahrscheinlichkeit auf 95% erhöht werden +++ Detailverhandlung dennoch schwierig, weil Garantieverbot und Risiko bei Gewerkschaften schlechte Gefühle auslöst +++

 

+++ hohe Transparenz im praktischen Angebot gegen Vorbehalte erreicht +++ Mitwirkung der Sozialpartner bei Steuerung der Kapitalanlage nur für generelle Richtung im Asset Management nötig (Mischung und Streuung) +++ Tarifabschluss bei Talanx würde SPM-Abschluss mit ver.di auch für Beschäftigte bei Zurich Deutschland beschleunigen +++

 

 

Karsten Tacke, Hauptgeschäftsführer der Pfalz-Metall: „Aktuell kein Verfügungsrahmen“

 

Karsten Tacke, Pfalzmetall.

+++ Metallindustrie bei SPM zurückhaltend, weil Tarifverhandlungen auf Zukunftssicherung und Beschäftigung in der Krise abzielen +++ Entgeltumwandlung ist ein Thema, aber SPM dafür nicht geeignet +++

 

+++ Versorgungswerk MetallRente schon stark ambitioniert in bAV +++ beide Tarifpartner tun sich schwer +++ AG-Beiträge für SPM müssen erst mal verdient werden, aktuell aber kein Verfügungsrahmen +++ Gewerkschaften müssen kommunikative Herausforderung bei AN schaffen, dass am Ende ohne Garantien trotzdem mehr Rente rauskommen soll +++

 

Kerstin Schminke, Politische Sekretärin beim IG-Metall-Vorstand Schminke u.a. für bAV: „SPM nicht oben auf Agenda“

 

Kerstin Schminke, IG Metall.

+++ es gibt schon viel bAV in Metall/Elektro, aber noch ausbaufähig +++ fehlende Flächen-TV hinderlich +++ SPM nicht oben auf Agenda neuer Tarifverhandlungen +++ bAV generell in Verhandlungen zu Beginn 2021 eher im Hintergrund +++ Beschäftigung, Zukunft und Einkommenssicherung im Vordergrund +++

 

+++ SPM hat nur mit nennenswertem AG-Beitrag eine Chance +++ Sicherheitsnetz im Hintergrund enorm wichtig für AN +++ eigener Sicherungsfonds für rBZ wäre hilfreich +++ Vertrauensbeweis in der Praxis fehlt noch +++ erster Abschluss daher für Vertrauensbildung und Nachahmung so wichtig +++

 

 

Weitere Berichterstattung zur diesjährigen 21. Handelsblatt Jahrestagung bAV findet sich wie oben erwähnt zwischenzeitlich auf LEITERbAV hier und hier, weitere folgt in Kürze.

 

 

Anm. der Redaktion: Die Berichterstattung zu Veranstaltungen erfolgt auf LEITERbAV regelmäßig im Indikativ der Referentinnen und Referenten, nicht im Konjunktiv.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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