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Die Effekte der Inflation außerhalb der Direktzusage:

Auch mittelbar teuer

Die Geldentwertung hat in diesen Monaten lange nicht gesehene Stände erklommen. Dies hat Auswirkungen in der bAV auch dort, wo vermutlich nicht jeder Arbeitgeber sofort damit rechnet, namentlich in der rückgedeckten Unterstützungskasse. Claudia Veh erläutert das Zusammenwirken von Auslagerungen, nicht versicherten Escape-Klauseln und unerwarteter Bilanzberührung.

Claudia Veh, KPMG.

Die Inflation ist in vielen Unternehmen zur Zeit DAS beherrschende Thema im Zusammenhang mit der anstehenden bzw. gerade durchgeführten Erstellung der versicherungsmathematischen Gutachten über die Höhe der Pensionsrückstellungen. Gehalts- und Rententrend stehen aufgrund der hohen Inflationsraten dieses Jahr besonders im Fokus – bisweilen noch stärker als der Zins.

Doch es gibt auch nicht so offensichtliche „Nebeneffekte” der Inflation außerhalb der Direktzusage. Denn auch bei mittelbaren Durchführungswegen können sich unerwartete Folgen ergeben; gegebenenfalls sogar – was für das ein oder andere Unternehmen überraschend sein mag – auch bei der rückgedeckten Unterstützungskasse.

Wie kongruent ist voll kongruent?

Unternehmen, die in der deutschen (Steuer- und) Handelsbilanz keinen Ausweis von Pensionsrückstellungen wünschen, haben sich häufig explizit gegen den Durchführungsweg Direktzusage und stattdessen für einen mittelbaren Durchführungsweg entschieden, für den handelsbilanziell gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 2 EGHGB nur ein Passivierungswahlrecht und folglich in der Steuerbilanz ein Passivierungsverbot besteht.

 

 

Unternehmen gehen regelmäßig davon aus,

dass sich mit der Zahlung der Beiträge

ihre finanzielle Pflicht erschöpft.“

 

 

Gerade wenn man höhere Versorgungszusagen erteilen wollte, für die die Dotierungsgrenzen des § 40b EStG (bei Zusagen vor 2005) bzw. § 3 Nr. 63 EStG (bis Ende 2017 waren hier lediglich 4% der BBG, ggf. zuzüglich des Aufstockungsbetrags von 1.800 Euro jährlich, steuerfrei dotierbar) zu niedrig waren, ist die Wahl auf eine U-Kasse gefallen, häufig auf eine versicherungsrückgedeckte U-Kasse.

Die Rückdeckungsversicherung der U-Kasse wurde hier in der Regel kongruent zur zugesagten Leistung abgeschlossen. Das Trägerunternehmen wendet an die U-Kasse jeweils den Betrag zu, der dem Beitrag der U-Kasse für die RDV entspricht.

Unternehmen gehen regelmäßig davon aus, dass sich mit der Zahlung der Beiträge ihre finanzielle Pflicht erschöpft, schließlich sind bei Eintritt eines Leistungsfalls die zugesagten Leistungen über die RDV der U-Kasse abgedeckt.

Bei vorzeitigem Ausscheiden ist bei einer Leistungszusage – die Zusageform für alle Zusagen, die vor dem 1. Januar 1999 erteilt wurden – und beitragsorientierten Leistungszusagen vor dem 1. Januar 2001 (vgl. § 2 Abs. 5 i.V.m. § 30g Abs. 2 BetrAVG) – zwar damit zu rechnen, dass die die unverfallbare Anwartschaft noch nicht über den Stand der RDV zum Ausscheidezeitpunkt ausfinanziert ist. Das ist bekannt und bewusst. Doch wie sieht es in der Leistungsphase aus?

Gerade bei Zusagen aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 (§ 30c Abs. 1 BetrAVG) hat die Anpassungsprüfungs- und entscheidungspflicht bei laufenden Leistungen nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG zu erfolgen, also auf Basis des Verbraucherpreisindexes oder der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. Erst bei Zusagen ab dem 1. Januar 1999 wurde und wird sehr häufig auf die Escape-Klausel des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG abgestellt. Das bedeutet, laufende Leistungen werden garantiert um (mindestens) 1% jährlich erhöht.

Wie sind diese Regelungen nun in den aktuellen Inflationskontext einzuordnen?

Wenn die Überschüsse nicht reichen …

Laufende Leistungen eines Unternehmens im Durchführungsweg U-Kasse sind – wie bei einer Direktzusage – alle drei Jahre einer Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht zu unterziehen. Diese Pflicht trifft das Unternehmen, nicht die Unterstützungskasse.

 

 

Eine solche Steigerung der laufenden Rente

aus der Rückdeckungsversicherung dürfte

in der Regel nicht darstellbar sein.“

 

 

Nun gibt es durchaus Unternehmen, bei denen die Erhöhungen bei laufenden Rentenversicherungen aus Überschüssen bislang ausgereicht haben, um die laufenden Renten nach § 16 Abs. 2 BetrAVG anzupassen. Schließlich waren die jährlichen Inflationsraten in der mittleren Vergangenheit niedrig, in den Jahren 2015, 2016 und 2020 sogar unter 1%.

Das hat sich Ende 2021 drastisch geändert. So war bereits von 2020 auf 2021 ein Sprung von 0,5% auf 3,1% feststellbar; für das Jahr 2022 wird die Inflationsrate voraussichtlich sogar bei 7,9% liegen. Eine solche Steigerung der laufenden Rente aus der RDV dürfte in der Regel nicht darstellbar sein.

Die Folge ist, dass der Arbeitgeber die Lücke aus eigenen Mitteln schließen muss, wenn es seine wirtschaftliche Lage erlaubt (vgl. § 16 Abs. 4 BetrAVG). Alternativ kann er prüfen, ob über eine zusätzliche Dotierung der U-Kasse der Versicherungsschutz erhöht werden kann. In jedem Fall kommen auf ihn zusätzliche finanzielle Aufwände zu, mit denen er vermutlich nicht gerechnet hat. Außerdem muss der Arbeitgeber, wenn er nun direkt in Anspruch genommen wird, die Lücke auch handelsbilanziell erfassen (vgl. IDW RS HFA30 n.F., Rz. 37).

oder ein Prozent nicht garantiert wurde

Analoges gilt im Übrigen auch in den Fällen, in denen das Unternehmen die Zusage nach 1998 erteilt hat und die Escape-Klausel mit einer 1%-igen Erhöhung laufender Leistungen gewählt hat, jedoch der Versicherungstarif diese 1%-ige Erhöhung nicht garantiert. Tarife mit einer garantierten Rentensteigerung um 1% standen nicht von vornherein und bei allen Gesellschaften zur Verfügung. Zudem ist das Unternehmen ggf. auch davon ausgegangen, dass die Überschusszuteilung die 1%-ige Anpassung durchaus dauerhaft ermöglichen wird und man diese Rentensteigerung von (nur) 1% jährlich nicht zwingend mit versichern müsse.

Hingewiesen sei weiter darauf, dass nicht selten gerade zu Rentenbeginn Unternehmen mit einer Direktzusage die Zusage auf eine rückgedeckte U-Kasse gegen Zahlung eines Einmalbeitrags ausgelagert haben, wenn Präferenz für eine Versicherungslösung besteht. Im Vergleich zur Auslagerung auf den Pensionsfonds entfällt die steuerliche Verteilung des Betriebsausgabenabzugs über insgesamt 11 Jahre. Auch hier dürfte das ein oder andere Unternehmen überrascht sein, dass sich nun zusätzliche Aufwände aus der Anpassung laufender Leistungen ergeben und ggf. wieder ein Bilanzausweis resultiert – den man ja gerade durch die Auslagerung auf die U-Kasse komplett beseitigen wollte …

Auch du, Pensionskasse?

Erwähnt sei, dass die Effekte aus der Anpassung laufender Leistungen bei den mittelbaren Durchführungswegen auch keineswegs auf die U-Kasse begrenzt sind. So existieren z.B. auch Zusagen im Durchführungsweg Pensionskasse, bei denen der Arbeitgeber sich zur Anpassung laufender Renten gemäß der § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG verpflichtet hat; keineswegs immer wird hier auf die Escape-Klausel des § 16 Abs. 3 Nr. 2 zurückgegriffen.

Und generell können sich auch bei aktiven Arbeitnehmern aufwandserhöhende Effekte der Inflation ergeben. Denn häufig sind Pläne gehaltsabhängig ausgestaltet, wonach z.B. der Beitrag in eine externe Versorgungslösung sich auf einen Beitrag in Höhe von x% des anrechenbaren Gehalts beläuft. Wird das Gehalt inflationsbedingt angehoben, erhöhen sich die Beiträge für die bAV.

Fazit

Die Auswirkungen von Inflation auf die bAV in Unternehmen sind vielschichtig und betreffen grundsätzlich alle Durchführungswege. Auch Unternehmen, bei denen die bAV nicht als Direktzusage durchgeführt wird, sollten prüfen, ob und welche Auswirkungen die Inflation auf ihre Versorgungswerke hat.

 

Die Autorin ist Aktuarin und 
Director 
Deal Advisory Pensions
 in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
.

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