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REthinking Pensions (I):

„… auch außerhalb eines Sozialpartnermodells“

Selbst Anfang des neues Jahres blickt LEITERbAV noch auf den dichten Tagungsmarathon des Pensionswesens im vergangenen Herbst zurück. Heute einige Kerngedanken einer Tagung, bei der sich Versicherer zu der Zukunft der Garantien in der bAV und zu dem ersehnten Durchbruch des Sozialpartnermodells austauschten. Utta Kuckertz-Wockel und Matthias Edelmann berichten.

 

 

25. November 2020: Der erste Lurse Round Tables REthinking Pensions findet statt – online.

 

Der Round Table ist ein Think Tank für innovatives Denken auf Entscheiderebene. Führungskräfte der Versicherungswirtschaft mit Fokus auf die bAV treffen sich zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch über Brancheninnovationen und Trends am bAV-Markt. Auf der Agenda stehen bei diesem ersten Round Table die Themen:

 

  • Produktgestaltung in der bAV – Brauchen wir 100 % Werterhalt?

  • Sozialpartnermodell quo vadis?

 

Insbesondere der Austausch über Garantien in der bAV ist für die zehn Teilnehmer aus den Versicherern Alte Leipziger, AXA, ERGO, Generali, Gothaer, HDI, SV Sparkassenversicherung, VKB, Württembergische und Zurich wertvoll.

 

Marktführer Allianz hat kurz vor dem Treffen ankündigt, ab 2021 nur noch 90, 80 oder 60% Garantie für Produkte in der privaten Altersvorsorge anzubieten. Zudem wird die Allianz bei der Beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ) in der bAV künftig 90% Beitragserhalt gewähren. Diese für den bAV-Markt überraschende Strategie sorgt für eine gute Diskussionsgrundlage und stellt die folgenden beiden Fragestellungen ins Zentrum des Gesprächs:

 

  • Hat die BOLZ, unabhängig ob arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert, eine Mindestgarantie?

  • Was bedeutet Wertgleichheit in der bAV (100%, 80%, 60% …)?

 

Im Folgenden die getätigten Aussagen und Meinungen einiger Mitglieder des Lurse Round Tables REthinking Pensions dazu:

 

 

Jan Niebuhr, Ergo.

 

Die anhaltende Niedrigzinsphase wird zu einem Umdenken in Bezug auf die Beitragsgarantien in der bAV führen müssen. Eine rechtliche Flankierung ist aus meiner Sicht dringend erforderlich.“

Jan Niebuhr, Mitglied des Vorstandes, ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG

 

 

 

 

Fabian von Löbbecke, HDI Pensionsmanagement.

 

Die juristische Diskussion um die erlaubte Garantiehöhe in der bAV sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich konkretisieren. Nur ein stabiles und rechtssicheres Umfeld gibt Arbeitnehmern, Arbeitgebern sowie Anbietern in Deutschland das notwendige Vertrauen.“

Fabian von Löbbecke, Mitglied des Vorstandes, HDI Lebensversicherung AG

 

 

 

 

Lars Golatka, Zurich und Deutscher Pensionsfonds AG.

Es gibt im Markt unterschiedliche Ansätze und Interpretationen, wie eine Mindestgarantie auszulegen und umzusetzen ist. Unbestritten ist: Die 100%-Garantie ist heute nicht mehr effizient und geht vor allem zu Lasten der Rentenanwartschaft der Mitarbeitenden. Daher ist eine Absenkung der Garantieanforderungen sinnvoll und sachgerecht.

Lars Golatka, Bereichsvorstand Firmenkunden Leben und Pensionen, Zurich Gruppe Deutschland

 

 

 

 

Stefan Opel, Gothaer.

 

Die 90%-Beitragsgarantie findet aufgrund der höheren Ablaufwerte bei unseren Kunden hohen Anklang und kann als hinreichend rechtssicher betrachtet werden, auch in der Entgeltumwandlung. Die Gothaer bietet aber auch weiterhin eine 100 %ige Beitragsgarantie an.“

Stefan Opel, Bereichsleiter, Gothaer Lebensversicherung

 

 

 

 

Michael Reinelt, Alte Leipziger.

 

Eine Absenkung der Beitragsgarantie ist dringend notwendig. Sie fördert Chancen in der Kapitalanlage und erhält die Attraktivität der betrieblichen Vorsorge.“

Michael Reinelt, Betriebliche Altersversorgung, Alte Leipziger Lebensversicherung

 

 

 

 

 

Daniel Strohbach, SV bAV Consulting.

Die aktuelle Kapitalmarktsituation erfordert ein Umdenken beim Garantieniveau, den Anlagemöglichkeiten, den Zusagearten und den damit verbundenen Produktstrategien in den versicherungsförmigen Durchführungswegen der bAV.

Daniel Strohbach, Leiter Vertriebsdirektion bAV, SV Sparkassenversicherung, Sprecher der Geschäftsführung, SV bAV Consulting GmbH

 

 

 

 

 

Björn Achter, Württembergische.

In der bAV-Welt würde man sich mehr Aktivität wünschen, um ein an die aktuelle Zinssituation angepasstes Garantieniveau für die BZML zu definieren. Warum das (noch) nicht passiert, verstehe ich nicht. Hören wir doch immer die Bekenntnisse, die bAV fördern zu wollen – es wäre so einfach!“

Björn Achter, Leiter Firmenkunden Leben, Württembergische Lebensversicherung AG

 

 

 

Folgt Reform auf Reform?

 

In der zweiten Hälfte des Online-Treffens geht es um die Zukunft des Sozialpartnermodells. Die reine Beitragszusage ist ihr wesentliches Element. Ziel des Modells ist es, die Arbeitnehmer an den Erträgen des Kapitalmarktes zu beteiligen. Das Sozialpartnermodell ist das modernste bAV-Produkt und wurde mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführt. Doch zwei Jahre nach der Einführung gibt es noch keinen Durchbruch.

 

Tritt das Sozialpartnermodell auf der Stelle? Diese Meinungen vertreten die Mitglieder des Round Tables REthinking Pensions:

 

 

Björn Achter, Württembergische.

Die Versicherungsbranche hat ihre Hausaufgaben zur Umsetzung der bAV-II-Welt gemacht, die Sozialpartner haben natürlich aktuell ein paar andere Themen. Die Zukunft des Sozialpartnermodells ist für mich nach wie vor offen, aber ich befürchte, dass wir in die nächste Rentenpolitische Debatte eintauchen, bevor wir das erste Sozialpartnermodell sehen. Hier scheint die Politik Reform auf Reform setzen zu wollen.“

Björn Achter, Leiter Firmenkunden Leben, Württembergische Lebensversicherung AG

 

 

Lars Golatka, Zurich und Deutscher Pensionsfonds AG.

Die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die neue bAV-Welt im Rahmen des Sozialpartnermodells war die logische Konsequenz auf das nachhaltig anhaltende Niedrigzinsumfeld. Das Ziel, den Menschen zu einem höheren zusätzlichen Alterseinkommen mit einem gleichzeitig hohen Maß an Sicherheit zu verhelfen, ist mit dieser Lösung zu verwirklichen. Der unfreiwillige Covid-19-Praxistest der Sicherungsmechanismen hat dies bewiesen. Damit das Sozialpartnermodell auch ein Erfolgsmodell wird, benötigt es jetzt Vertrauen und Mut auf allen Ebenen. Gewerkschaft, Arbeitgeberverbände und auch der Politik.“

Lars Golatka, Bereichsvorstand Firmenkunden Leben und Pensionen, Zurich Gruppe Deutschland

 

Jan Niebuhr, Ergo.

 

 

Das Sozialpartnermodell ist nicht gescheitert, der Start ist aber gleichzeitig nicht geglückt.“

Jan Niebuhr, Mitglied des Vorstands, ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG

 

 

 

 

 

Fabian von Löbbecke, HDI Pensionsmanagement.

Das Sozialpartnermodell ist die richtige Antwort auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld, denn es wird für steigende Renten sorgen. Auch wenn der Weg zum ersten Sozialpartnermodell manchmal mühsam ist, lohnen die Anstrengungen – zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.“

Fabian von Löbbecke, Mitglied des Vorstandes, HDI Lebensversicherung AG

 

 

 

 

 

Stefan Opel, Gothaer.


„Sozialpartnermodelle überzeugen aktuariell, investment-seitig (höherer Sachwertanteil möglich) und durch die höchste Rechtssicherheit für den Arbeitgeber. Es bleibt zu hoffen, dass die Sozialpartner die in den nächsten Jahren eventuell drohende, privat finanzierte ‚Deutschland-Rente‘ noch durch entsprechende Initiativen bei den betrieblich finanzierten Sozialpartnermodellen abwenden.“

Stefan Opel, Bereichsleiter, Gothaer Lebensversicherung

 

 

 

 

Michael Reinelt, Alte Leipziger.

 

Die Branche bekennt sich klar zum Sozialpartnermodell, jedoch ist die Tarifvertragsbindung ein Hindernis.“

Michael Reinelt, Betriebliche Altersversorgung, Alte Leipziger Lebensversicherung

 

 

 

 

 

Daniel Strohbach, SV bAV Consulting.

 

Eine schnelle und attraktive Lösung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre die Einführung der reinen Beitragszusage, auch außerhalb eines Sozialpartnermodells.“

Daniel Strohbach, Leiter Vertriebsdirektion bAV, SV Sparkassenversicherung, Sprecher der Geschäftsführung, SV bAV Consulting GmbH

 

 

 

 

Die Autoren:

 

Utta Kuckertz-Wockel, Lurse. Foto: Dietmar Gust.

 

 

Utta Kuckertz-Wockel ist Senior Managerin bei Lurse.

 

 

 

 

 

 

 

Matthias Edelmann. Lurse.

 

 

Matthias Edelmann ist Managing Partner bei bei Lurse.

 

 

 

 

 

 

 

Von ihnen und anderen Autorinnen und Autoren der Lurse erschienen zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV:

 

 

Studie: Das BRSG …

und der Verlauf der Entgeltumwandlung

von Miroslaw Staniek und Björn-Schütt-Alpen, 9. November 2020

 

REthinking Pensions:

auch außerhalb eines Sozialpartnermodells

von Utta Kuckertz-Wockel und Matthias Edelmann, 8. Januar 2021

 

Round Table Frauen in der bAV (I):

Zwischen Eis und Pipeline

von Utta Kuckertz-Wockel und Isabel Noe, 8. Juni 2021

 

Round Table Frauen in der bAV (II):Covid, Frauen, bAV …

Corona vertieft Pension Gap

von Utta Kuckertz-Wockel, 12. Juli 2021

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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