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Auch das noch:

Arbeitgeber muss für Beitragspflicht haften

Das LAG Hamm hat im Dezember ein Urteil gefällt, das bisher fachöffentlich kaum diskutiert worden ist, einen sehr spezifischen Sachverhalt betrifft, aber durchaus Brisanz birgt – und das nicht zu knapp. Es geht um Entgeltumwandlung, Aufklärungspflicht, Schadensersatz und vor allem wieder um das leidige Thema Beitragspflicht.

 

6. Dezember 2017, Hamm, die Vierte Kammer des örtlichen LAG fällt ein Urteil in der Sache 4 Sa 852/17:

 

Die Beklagte wird verurteilt, den [sic!] Kläger 1.253,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. August 2016 zu zahlen.“

 

Zu dem Fall: Der 1950 geborene Kläger war von 1983 bis 2014 bei der Beklagten, einem Mitglied in der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände VKA, angestellt. Wie das Gericht erläutert, stritten die Parteien über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Entgeltumwandlung. Wichtig: In dem hier relevanten Zeitraum ab dem Jahr 2003 lag das Arbeitsentgelt des Klägers durchgängig deutlich oberhalb der jeweiligen BBG für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.

 

Die Beklagte ist an die für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträge gebunden. 2003 haben VKA und ver.di einen „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer im kommunalen Öffentlichen Dienst“ (TV-EUmw/VKA) geschlossen. Darin wird auf Grundlage des § 17 Abs. 5 BetrAVG für die vom tariflichen Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer die Möglichkeit der Entgeltumwandlung eröffnet.

 

Die Beklagte hatte zur Umsetzung die „neue leben Pensionsverwaltung AG“, die zur Sparkassenfinanzgruppe gehört, gewählt und schloss mit dieser einen bAV-Rahmenvertrag zu Pensionskasse bzw. Direktversicherung ab. Im April fand auf Einladung des Betriebsrates der Beklagten eine Betriebsversammlung statt, in welcher der „Fachberater für bAV“ einer Sparkasse über Fragen der Entgeltumwandlung informierte.

 

In der schließlichen Vertragsurkunde der Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht findet sich der Satz:

 

Steuerrechtliche und beitragsrechtliche Änderungen in der Zukunft gehen nicht zu Lasten des Arbeitgebers.“

 

Der Kläger erhielt von dem Versicherer jährlich eine Mitteilung über den Stand seiner Anwartschaft. Seit 2009 war darin ein Hinweis auf die Beitragspflichtigkeit von Einmalzahlungen aus einer bAV enthalten. Während der Laufzeit der Entgeltumwandlung wandelte der Kläger insgesamt Arbeitsentgelt in Höhe von 30.704 Euro brutto um. Die Rentenversicherung bei der neue leben Pensionsverwaltung AG übernahm er vereinbarungsgemäß bei Ausscheiden und kündigte sie nachfolgend Anfang 2015. Ihm wurde daraufhin der Kapitalbetrag in Höhe von 35.101 Euro überwiesen, auf den an Steuern 8.362 Euro zu entrichten waren.

 

Neben dem FA wollte auch die Techniker Krankenkasse ihre Anteil. Insgesamt zahlte der Kläger infolge der Einmalzahlung für die Jahre 2015 und 2016 Beiträge in Höhe von 1.253,16 Euro. Anschließend zog er vor Gericht.

 

Nun hat das LAG Hamm den Arbeitgeber verurteilt, seinem Ex-Arbeitnehmer den weiteren Schaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihn bei Abschluss der Vereinbarung über die Entgeltumwandlung nicht über die bevorstehende Beitragspflicht von einmaligen Kapitalleistungen aus einer bAV ab dem 1. Januar 2004 aufgeklärt hat, zu ersetzen. Das betrifft ausdrücklich auch die von ihm ab 2017 weiterhin zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

 

Die Leitsätze des Gerichtes, mit denen es der Berufung stattgegeben hat, lauten:

 

1. Verlangt der Arbeitnehmer, einen bestimmten Teil seiner künftigen Entgeltansprüche nach §1a BetrAVG umzuwandeln, können den Arbeitgeber Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen (hier: Hinweis auf eine anstehende Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V), deren Verletzung Schadensersatzansprüche begründen können.“

 

2. Überträgt der Arbeitgeber die Information und Beratung über den von ihm gewählten Durchführungsweg einem Kreditinstitut, ist dieses als Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 Satz 1 BGB anzusehen.“

 

Das gesamte Urteil findet sich hier.

 

Revision ist zugelassen. Vorinstanz war das Arbeitsgericht Dortmund, 3 Ca 852/17.

 

Weitere Berichterstattung auf LEITERbAV folgt.

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