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6. Berliner bAV-Auftakt (I):

Ampel, Verbände, bAV …

2022 wird spannend wie jeher – denn die aktuellen Themen pressieren weiter. Gleich zu Jahresbeginn wurden einige davon live diskutiert: Niedrigzinsphase, Beitragsgarantien, Sozialpartnermodell sowie die bAV im politischen Blick der neuen Koalition. LEITERbAV-Autor Detlef Pohl war dabei. Teil I einer zweiteiligen Berichterstattung.

 

Mathias Ulbrich, Hochschule Schmalkalden.

Berlin, vergangenen Donnerstag: Geladen zum schon ein klein wenig traditionellen Berliner bAV-Auftakt“hat bereits zum sechsten Mal Prof. Mathias Ulbrich von der Hochschule Schmalkalden. Gekommen sind – wie im Vorjahr erneut virtuell – Vertreter aus Politik, von Sozialpartnern, Ministerien, Verbänden und Gerichtsbarkeit. Regelmäßig bildet die Ulbrich-Veranstaltung den Einstieg in die bAV-Fachtagungen, die sich meist in Frühjahr und Herbst knubbeln.

 

Wegen der Dichte der Informationen die wichtigsten Impressionen in zwei Teilen im lesefreundlichen LbAV-Stakatto (sämtlich im Indikativ der nacheinander auftretenden Referenten). Heute die Statements dreier Parteivertreter, die Haltung dreier Verbände:

 

 

MdB Tanja Machalet, Volkswirtin und für die SPD im BT-Ausschuss für Arbeit und Soziales: „Tarifbindung schafft Vertrauen“

 

Tanja Machalet, SPD MdB.

+++ gesetzliche Rente weiter Grundpfeiler in Altersvorsorge (48% Rentenniveau dauerhaft über 2025 hinaus sichern, Beitragssatz nicht über 20%, Renteneintrittsalter nicht anheben) +++ Einstieg in Kapitaldeckung (10 Mrd. Euro 2022 aus Haushaltsmitteln) ist ergänzender Beitrag, kann aber nur ein Anfang sein, wenn tatsächlich nennenswerter Effekt erzielt werden soll +++ über jährliche Summe und Herkunft der Mittel (Haushalt oder Rentenbeiträge) muss noch verhandelt werden +++ Prämisse: anzulegendes Kapital muss dauerhaft für Kollektiv der Versicherten geschützt sein +++

 

 

 

Die Private Altersvorsorge muss grundlegend reformiert werden, um für untere Einkommensgruppen tatsächlich zur Alterssicherung beizutragen.“

 

 

 

+++ bAV muss als Ergänzung zur GRV gestärkt werden +++ SPM muss stärker umgesetzt werden, insb. durch Ausweitung der Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung +++ Tarifbindung schafft Vertrauen und erhöht Sicherheitsgefühl der Beschäftigten +++ um KMU ohne TV-Bindung und ohne bAV besser einzubeziehen, könnten diese bei einem Staatsfonds „andocken“, wäre eine „Ergänzung der bAV“ +++

 

+++ private Altersvorsorge muss grundlegend reformiert werden, um für untere Einkommensgruppen tatsächlich zur Alterssicherung beizutragen +++ Staatsfonds könnte „Wildwuchs“ bei Riester-Verträgen beenden und Akzeptanz verbessern +++ bei derzeitiger Entwicklung an den Märkten nicht zwingend sinnvoll, Menschen mit niedrigen Einkommen eine Anlage in Aktien zu empfehlen +++

 

 

MdB Markus Kurth, Politologe, Rentenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des BT-Ausschusses für Arbeit und Soziales: Die Aktienrente aus Beitragsmitteln ist ein völliges No-Go“

 

Markus Kurth, MdB Buendnis 90/Die Grünen.

+++ Aktienrente aus Beitragsmitteln der GRV ist völliges No-Go für Bündnisgrüne +++ wenn Aufstockung, dann nur über Haushaltsmittel oder arbeitgeberfinanzierten Zusatzbeitrag +++

 

+++ langfristige Schuldenfinanzierung für Aktienrente ist diskutiert worden, aber FDP will nichts an Schuldenbremse ändern +++

 

 

 

Die bAV bleibt erstmal freiwillig.“

 

 

 

+++ SPM raus aus TV auf Betriebsebene erlauben? Nein, in bAV kann sich nicht jeder sein Risiko aussuchen, zumal es staatliche Förderung gibt +++ Einflussnahme der öffentlichen Hand nötig +++ bAV bleibt erst mal freiwillig (kein Opt-out im Koalitionsvertrag genannt) +++ Obligatorium kommt aus Sicht der Grünen nicht +++

 

 

MdB Pascal Kober, Militärseelsorger und für die FDP im BT-A für Arbeit und Soziales: Falls Obligatorium nötig, dann mit Rahmen“

 

Pascal Kober, FDP MdB.

+++ bleibt bei seinen Aussagen nahe bei denen wie früher Johannes Vogel auf LEITERbAV +++ Aktien in GRV langfristig sinnvoll und ohne Alternative +++ Gesamtsystem muss stabil sein, da muss man sich ehrlich machen und auch Vielfalt anbieten +++ bAV: SPM muss raus aus TV-Ebene auch auf Betriebsebene erlaubt werden, um Durchbruch zu schaffen +++

 

 

Die Betriebsrente muss einfach und attraktiv gemacht werden.“

 

 

+++ Obligatorium in bAV? Betriebsrente muss einfach und attraktiv gemacht werden +++ falls dazu Obligatorium nötig, dann unter Umständen Rahmen dafür schaffen +++

 

 

Peter Schwark, Volkswirt und Vize-Hauptgeschäftsführer des GDV: „Keine Tür mit viel Potential zuschlagen“

 

Peter Schwark, GDV.

+++ Deutsche keine Vorsorgemuffel, Quote der Nicht-Vorsorger beträgt nur 25%, viel weniger als in anderen europäischen Ländern, so Umfrage des europäischen Versichererverbandes +++ Spanne der Nicht-Vorsorgenden reicht von 10% (Schweden) bis 60% (Finnland) +++ bei bAV ist Abstand geringer, weil anderswo quasi-obligatorische bAV vorherrscht (etwa Niederlande, Schweden, Schweiz) +++

 

 

 

Es ist nicht kohärent, wenn bei der BZML verlangt wird, was gleichzeitig aufsichtsrechtlich quasi verboten ist, nämlich 100% vor Kosten zu garantieren.“

 

 

 

+++ Prüfanträge im Koalitionsvertrag (KoaV) noch nicht entschieden +++ zur bAV viel Interpretationsspielraum und Rechtsunsicherheit +++

 

+++ Anpassung der BZML wegen Kalkulationszins nötig und wegen Missmatch zwischen Aufsichts- und Arbeitsrecht +++ nicht kohärent, wenn bei der BZML verlangt wird, was gleichzeitig aufsichtsrechtlich quasi verboten ist, nämlich 100% vor Kosten zu garantieren +++ Markt wird 100%-Garantie kaum noch bieten, auch wenn Gewerkschaften das gern hätten +++ man sollte keine Tür mit viel Potential zuschlagen, zumal 80% Garantie am Ende mehr Leistung bringen +++

 

+++ Tarifvorbehalt für rBZ engt Möglichkeiten ein +++ GDV für Opt-out auch auf betrieblicher Ebene +++ Klarstellungen zu Pflichten der Tarifpartner bei Beteiligung an Durchführung und Steuerung nötig, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden +++ Portabilität unbefriedigend, da bei Übernahme durch neuen AG Nachhaftung rechtlich offen +++

 

 

Karsten Tacke, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Pfälzischen Metall- und Elektroindustrie Pfalzmetall: Die BZML war für Arbeitgeber bisher ein Rundum-Sorglospaket“

 

+++ KoaV wirft viele Fragen, gibt aber wenig Antworten +++ zur bAV fehlt es der Ampel an Visionen +++ viele unbestimmte Rechtsbegriffe und Fehlanreize +++ Niedrigzins und Leistungsplanaspekte bisher ignoriert +++

 

+++ rBZ passt nur bedingt zu Entgeltumwandlung +++ Sicherungsbetrag: „kann“ heißt „muss“, Wahlrecht zwischen unattraktiven Alternativen +++ offene Rechtsbegriffe bergen Risiken +++ Metall-AG haben trotzdem „aufmerksame Zuwendung“ für rBZ +++ rBZ künftig auch besser nicht auf Betriebsebene: „große Kollektive besser“ +++

 

 

 

Dem Arbeitnehmer ist weniger Garantie kaum zu vermitteln, der Arbeitgeber will nicht mehr Haftung übernehmen.“

 

 

 

+++ BZML war für AG bisher Rundum-Sorglospaket +++ nun Rückzug der Versicherer auf bis zu 60% der Garantie und weniger, was nicht mehr zur arbeitsrechtlichen Zusage passt +++ AN ist weniger Garantie kaum zu vermitteln, AG will mehr Haftung nicht haben +++ Spannungsverhältnis zwischen Versicherungs- und Arbeitsrecht erhöht AG-Haftung +++ kann nicht von Gesetzgeber gewollt sein +++

 

Karsten Tacke, Pfalzmetall.

+++ Probleme auch bei Weitergabe SV-Ersparnis +++ Versicherer können Ersparnis bei AG-Zuschuss für Entgeltumwandlung nicht mehr in Bestandspolicen aufnehmen +++ neue Policen mit niedrigerem Zins gefährden ebenfalls arbeitsrechtliche Zusagen +++

 

+++ BOLZ mit rechtlichen Risiken beim abgesenkten Garantiezins +++ Absenkung der Beitragsorientierung unter die Mindestleistung rechtlich nicht abgesichert und bei kurzer Vertragslaufzeit fraglich +++ BOLZ dennoch praktisch möglich, denn wer bei rBZ dem AN erklärt, dass null Garantie höhere Leistung bringt, dürfte das auch bei BoLZ mit 80% Garantie schaffen +++

 

 

Michael Mostert, Jurist und im Vorstandsbereich Tarifpolitik der IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE) für bAV zuständig: Die Leistungserwartung 2021 liegt gegenüber 2002 nur noch bei 1/3 bis zu 1/4“

 

Michael Mostert, IG BCE.

+++ durch Zinsverfall immer schwieriger, bestehende Versorgungszusagen zu erfüllen +++ drastische Erhöhung des Arbeitgeberbeitrags bei Pensionskassen, Schließung von Versorgungswerken und deutlich sinkendes Zusagen-Niveau +++ Leistungserwartung von Neuanwärtern 2021 liegt gegenüber denen aus 2002 nur noch bei 1/3 bis zu 1/4 +++ DAV-Einschätzung macht Sorge: „Bei 0,5% Kalkulationszins oder weniger ist Garantieniveau von 100% der Beitragssumme und damit auch BZML mit üblichen rechnungsmäßigen Kostenansätzen nicht mehr darstellbar“ +++ ist auch in Chemiebranche so +++

 

 

+++ aber „Rabatt“ auf 100%-Garantie in BZML wird von allen Gewerkschaften rundheraus abgelehnt +++ würde Risiko für AN erhöhen und Vertrauensverlust bringen, womöglich Ende der Entgeltumwandlung bedeuten +++

 

+++ Ausweg könnten vermehrt rückgedeckte Direktzusagen sein +++ Nachfrage in Chemie dazu steigt +++ bis zu 45% höhere Startrenten denkbar +++ Rückstellungen aber noch rechtlich zu klären +++

 

 

 

In einem erstem Schritt soll der Chemie-Pensionsfonds rBZ anbieten können“

 

 

 

+++ rBZ bisher nicht in BCE-Bereich umgesetzt +++ bisherige Ansätze nur unternehmensbezogen (Haustarif) +++ dazu auch ein Projekt in Energiewirtschaft unter gewerkschaftlicher Beteiligung von IG BCE und ver.di in Arbeit +++ Zeitrahmen ungewiss +++ Beschluss des IG-BCE-Gewerkschaftstages (10/21): grünes Licht für SPM im Flächentarifvertrag TEA +++ in erstem Schritt soll Chemie-Pensionsfonds rBZ anbieten können +++

 

Ende des ersten Teils der Berichterstattung zum 6. Berliner bAV-Auftakt. Teil II findet sich zwischenzeitlich hier auf LEITERbAV.

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Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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