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Neulich in Erfurt:

Altersteilzeit kann Teilzeit sein

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Januar die Handhabung einer Teilzeittätigkeit in der Leistungsermittlung einer Versorgungsordnung zu bewerten. Hier kommt es auf jedes Detail an. Für LEITERbAV bewertet Günter Hainz das Urteil.

 

 

Betriebliche Versorgungswerke sehen bei Teilzeitbeschäftigung regelmäßig reduzierte Leistungen im Vergleich zu durchgehender Vollzeitbeschäftigung vor, um den geringeren Umfang der Arbeitsleistung des Teilzeitbeschäftigten zu berücksichtigen.

 

Die zulässigen Arten, die Dauer und den Umfang der Teilzeittätigkeit in die Berechnung der Leistungshöhe einfließen zu lassen, waren in der Vergangenheit bereits häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.

 

Im vorliegenden Urteil 3 AZR 565/18 vom 21. Januar 2020 befasst sich das BAG mit der Frage, ob Beschäftigungszeiten im Altersteilzeitarbeitsverhältnis als Teilzeitbeschäftigung im Sinne eines Versorgungswerks zu interpretieren sind, oder ob die Altersteilzeit anders als „normale“ Teilzeittätigkeit bei der Leistungsermittlung zu behandeln ist.

 

2012 galt fiktive Vollzeit…

 

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 (Urteil vom 17. April 2012, 3 AZR 280/10) war das BAG noch zu dem Schluss gekommen, dass bei der damals maßgeblichen Pensionszusage die Altersteilzeit bei der Berechnung der Betriebsrente nicht als Teilzeit, sondern wie eine fiktive Vollzeitarbeit in die Rentenberechnung einzubeziehen wäre. In dieser Zusage war die Teilzeittätigkeit jedoch – anders als im vorliegenden Fall – nicht für die gesamte Dienstzeit, sondern nur für die letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, was die beiden Versorgungsregelungen nicht vergleichbar mache (Rn. 22).

 

…doch muss das heute…

 

Die Versorgungsordnung (VO), die dem aktuellen Urteil des BAG zu Grunde liegt, gewährt eine unmittelbare Pensionszusage mit u.a. einer lebenslangen Altersrente, deren Höhe (für eine Grundrente) 0,3% des pensionsfähigen Diensteinkommens für jedes Dienstjahr beträgt (abgesehen von Rentenabschlägen bei Inanspruchnahme der Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres). Das pensionsfähige Diensteinkommen ist dabei i.W. das im Durchschnitt der letzten 3 Jahre vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers bezogene Arbeitsentgelt. Bei teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern „wird die aus dem pensionsfähigen Diensteinkommen errechnete Betriebsrente im Verhältnis der persönlichen zur vollen tariflichen Arbeitszeit während der gesamten Dienstzeit erhöht oder gemindert“ (Nr. 2.4.1 Abs. 4 VO).

 

Die klagende Betriebsrentnerin schloss eine Vereinbarung über Altersteilzeitarbeit im Blockmodell ab, nach deren Ende sie ihre vorzeitige Altersrente bezog, deren Höhe strittig ist. Der Arbeitgeber berechnete die Rentenhöhe unter Ansatz eines pensionsfähigen Diensteinkommens in Höhe des durchschnittlichen fiktiven Vollzeiteinkommens der letzten 36 Beschäftigungsmonate, also insoweit ohne Berücksichtigung der Altersteilzeit. Den Zeitraum der Altersteilzeit berücksichtigte er durch Multiplikation mit dem durchschnittlichen Beschäftigungsgrad über die gesamte Dienstzeit, welcher aufgrund der 64 Monate dauernden Altersteilzeit nur etwa 90% beträgt. Außerdem wurde der Rentenabschlag für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente angewandt.

 

Die Rentnerin wendet sich gegen die Berücksichtigung der Altersteilzeit als Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 50% mit der Begründung, dass die Regelung der Nr. 2.4.1 Abs. 4 VO nicht auf Altersteilzeit anwendbar sei.

 

…nicht so sein

 

Dienstsitz des BAG in Erfurt. Foto: BAG.

Das BAG schließt sich dieser Auffassung jedoch nicht an. Bei der gebotenen Auslegung der Versorgungsordnung spreche bereits der Wortlaut, darüber hinaus aber „auch der Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck“ von Nr. 2.4.1 Abs. 4 VO für die Behandlung der Altersteilzeit als Teilzeitbeschäftigung im Sinne der VO (Rn. 15ff.).

 

Da die Versorgungsordnung im Juli 1989 geschaffen worden sei und es zu diesem Zeitpunkt bereits eine gesetzliche Regelung zur Altersteilzeit gegeben habe, spreche auch die in der VO fehlende Sonderregelung für den Fall der Altersteilzeit dafür, dass letztere entsprechend der Regelung für Teilzeitbeschäftigung behandelt werden sollte (Rn. 24).

 

Auch die gesetzlichen Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes und des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge stünden dieser Auslegung der VO nicht entgegen (Rn. 27f.).

 

Da die Definition des pensionsfähigen Diensteinkommens auf das Entgelt abstellt, das der Arbeitnehmer in den letzten 36 Monaten vor seinem Ausscheiden bezogen hat, ließe sich der Wortlaut der Zusage auch so interpretieren, dass die Berechnung des pensionsfähigen Diensteinkommens ggf. bereits auf Basis eines tatsächlich bezogenen Teilzeitentgelts erfolgt (Rn. 20). Dies würde allerdings zu einer doppelten Berücksichtigung der Teilzeittätigkeit dieses Zeitraums führen, da nach der VO der durchschnittliche Beschäftigungsgrad über die gesamte Dienstzeit noch zusätzlich zu berücksichtigen ist. Da der Arbeitgeber jedoch tatsächlich bei der Rentenberechnung sinnvollerweise vom fiktiven Vollzeiteinkommen ausgeht, muss sich das BAG mit der Zulässigkeit einer derartigen Auslegung dieser Regelung nicht befassen (Rn. 29).

 

Details zählen

 

Trotz dieses Urteils ist es ratsam, in der Versorgungszusage oder der Altersteilzeitvereinbarung klar zu regeln, ob und ggf. wie die Altersteilzeit als Teilzeitbeschäftigung behandelt werden soll, denn die diesbezügliche Auslegung einer Versorgungsregelung ist mit beträchtlichen Unsicherheiten behaftet und sehr von den Details der Regelung abhängig.

 

Günnter Hainz, H2B.

Der Autor ist Aktuar und Geschäftsführer der H2B Aktuare GmbH in München.

 

Von ihm bzw. anderen Autorinnen und Autoren der H2B sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

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Neulich in Berlin – aba-Jahrestagung 2023 (III):
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Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (III):
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Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (II):
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Deutschland im Herbst – aba-Mathetagung (I):
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Neulich in Erfurt:
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Die aba neulich in Königswinter (II):
Wir brauchen ein bAV-PEPP“
von Caroline Braun, 2. Oktober 2018

Die aba in Königswinter (I):
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BMF-Schreiben vom 30. November 2017:
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von Dr. Günter Hainz, 17. Oktober 2017

Neues BMF-Schreiben:
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von Dr. Günter Hainz, 28. September 2017

BGH zum Versorgungsausgleich:
Externe Teilung fondsgebundener Zusagen
von Dr. Günter Hainz, 7. September 2017

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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