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Heute im ECON:

ÄA allerorten

 

Am heutigen 25. Januar stimmt der ECON über seine Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag der neuen Pensionsfondsrichtlinie ab. LbAV hat sich im Vorfeld umgehört.

 

 

Brian Hayes. MdEP.
Brian Hayes.
MdEP.

Der Berichterstatter im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlamentes (ECON) in Sachen „Richtlinienvorschlag über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (RL-Vorschlag EbAV-II)“ – der Ire Brian Hayes – hatte bereits im vergangenen Juli einen Berichtsentwurf zum RL-Vorschlag EbAV-II mit 267 Änderungsanträgen vorgelegt. Nicht zuletzt wandte sich der EVP-Abgeordnete gegen Solvency-II-artige Eigenkapitalregime für EbAV, ausdrücklich auch gegen eine Einführung durch die HBS-Hintertür.

 

Im Herbst 2015 haben dann die Abgeordneten des ECON-Ausschusses über 470 Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag abgegeben.

 

 

Cornelia Schmid. aba.
Cornelia Schmid.
aba.

Zwei der wesentlichen bAV-Stakeholder in Deutschland – die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. aba und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA – begrüßen grundsätzlich die in den meisten Änderungsanträgen (ÄA) des Ausschusses deutlich gewordene Auffassung, dass der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission grundlegend überarbeitet werden muss. Im Vorfeld der heutigen Abstimmung haben die beiden Verbände gegenüber den deutschen ECON-Mitgliedern die zentralen Punkte kommentiert, im Einzelnen:

 

 

EbAV sind keine reinen Finanzinstitutionen, sondern erfüllen vor allem einen sozialen Zweck; sie werden in der Regel von den Sozialpartnern verwaltet und gesteuert“

 

 

Florian Swyter. BDA.
Florian Swyter.
BDA.

EbAV könnten nicht mit Finanzdienstleistern gleichgesetzt werden, wie es die Kommission in ihrem Vorschlag in den Erwägungsgründen 18, 20 und 40 sowie in den Art. 6c, 23 und 25 immer noch tue, so aba und BDA. Der soziale Zweck der bAV, die Rolle der Sozialpartner sowie die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und EbAV müssten angemessen berücksichtigt werden.

 

Die Abgeordneten Thomas Mann, Sven Schulze, Dieter-Lebrecht Koch, Heinz K. Becker hatten analog im Herbst gefordert, den schon legendären Erwägungsgrund 20 als 20a wie folgt zu fassen:

 

(20a) Einrichtungen der bAV unterliegen oftmals der gemeinsamen Führung und Kontrolle durch die Sozialpartner. Diese kollektive Organisation unterscheidet sie grundlegend von Finanzdienstleistern.“

 

Thomas Mann. MdEP (CDU/EVP).
Thomas Mann.
MdEP (CDU/EVP).

Mann (CDU/EVP), der den Hayes-Bericht als „Mammutwerk“ lobt, hat letzte Woche seine Position noch einmal gegenüber LbAV bekräftigt:

 

Die Kompromisse lassen keinen Zweifel: EbAV sind keine Finanzdienstleister, sondern erfüllen vor allem einen sozialen Zweck. Die EU-Kommission liegt also falsch, wenn sie die bAV als 'Anbieter von Finanzdienstleistungen' definiert. Leider hat der Rat diesen Fehler bisher nicht korrigiert.“

 

Der heutigen Abstimmung sieht Mann hier optimistisch entgegen, da auch die EVP-Fraktion seine Formulierung unterstütze.

 

 

Streichung der Ermächtigungsnormen für die EU-Kommission“ – „Hintertür für Solvency II schließen“

 

aba und BDA begrüßen außerdem, dass der Berichtsentwurf die Streichung der ursprünglich vorgesehenen Ermächtigungsnormen zum Erlass delegierter Rechtsakte für die EU-Kommission vorsieht:

 

Die im Kommissionsvorschlag enthaltenen Regelungen für delegierte Rechtsakte (Erwägungsgrund 59, Art. 77) bzw. für EIOPA zum Erlass von Leitlinien und Empfehlungen (EG 60a, Art. 73 Abs. 4a) sind nicht erforderlich. Sie stehen vor allem dem Grundsatz entgegen, dass die EbAV-II-RL aufsichtsrechtliche Mindeststandards sicherstellen und im Gegensatz etwa zur Solvency-II-RL keine Vollharmonisierung anstreben soll.“

 

Wachsam in dieser Frage ist auch Mann, wie er gegenüber LbAV erläuterte:

 

Die EU-Kommission versucht unverdrossen, eine Ermächtigung von Rat und EP zu erhalten, um selbstständig über delegierte Rechtsakte die Vorgaben für die Risikobewertungen konkretisieren zu dürfen.“

 

Mann verweist hier auf die Ermächtigung in Art. 24, 30 und 54 des Kommissionsentwurfes:

 

Im EMPL haben wir diesem Wunsch bereits im Mai 2015 eine klare Absage erteilt, und das über die Fraktionsgrenzen hinweg. Brian Hayes hat die Ermächtigung in seinem Berichts-Entwurf bei dem Erwägungsgrund 59 sowie Artikel 24, 30 und 54 ebenfalls gestrichen. Er hat mir versichert, dass die EVP-Fraktion in der Abstimmung heute auf der Streichung bestehen wird. Die Chancen, dass die anderen Fraktionen mitziehen, stehen gut. Damit wäre eine weitere Hintertür für die Anwendung von Solvency II geschlossen.“

 

 

Grenzüberschreitende Bestandsübertragungen erleichtern.“

 

Wenn auch die Verbände grundsätzlich „die Absicht der Kommission, grenzüberschreitende Bestandsübertragungen zu erleichtern, begrüßen“, so haben sie erhebliche Zweifel, dass dies wirklich gelingt. Auch wenn man „nur“ die Zustimmung der Mehrheit der Berechtigten oder deren Vertreter (Artikel 13 Abs. 3) statt jedes einzelnen für eine Bestandsübertragung voraussetzt, dürfte die praktische Umsetzung von Bestandsübertragungen schwierig werden:

 

Die zwingende Zustimmung der Berechtigten ist weder praktikabel noch schützt sie die Belange der Berechtigten im ausreichenden Maß. Sie verhindert vor allem eine effiziente Organisation der bAV.“

 

Daher sollte die Genehmigung durch die betroffenen Berechtigten und Versorgungsempfänger zumindest dann entfallen können, wenn der weiter haftende Arbeitgeber der Übertragung zustimmt und die Berechtigten wirtschaftlich und rechtlich nicht schlechter gestellt werden. Nicht einmal die Solvency-II-Richtlinie fordert bei Übertragungen von Versicherungsbeständen die Zustimmung der betroffenen Versicherungsnehmer, betonen die Verbände, denn hier sieht man deren Interessen durch eine Zustimmung der Aufsichtsbehörde des abgebenden Versicherers als gewahrt an, die sich bei der Aufsichtsbehörde des aufnehmenden Versicherers zu erkundigen hat, ob der Bestand dort sachgerecht aufgenommen werden kann. Eine Entscheidungsbefugnis für die EIOPA ist hier – im Gegensatz zum neuen Art. 3a – nicht vorgesehen. Daher sollte – so die Verbände – auf den Zustimmungsvorbehalt der Berechtigten verzichtet und dieser durch ein Genehmigungserfordernis der zuständigen Aufsichtsbehörde der abgebenden EbAV ersetzt werden.

 

 

Bestandsübertragungen den nationalen Aufsichtsbehörden überlassen“

 

aba und BDA lehnen hier den letzten in den Kompromissverhandlungen neu vorgeschlagenen Artikel 3a „Duty of Care“ ab, wonach bei Bestandsübertragungen die zuständige Aufsichtsbehörde der abgebenden EbAV die EIOPA auffordern kann, zu prüfen ob mit der Bestandsübertragung systemische Risiken verbunden sind und ob die Interessen der betroffenen Begünstigten langfristig gewahrt werden. Die beiden Verbände sprechen sich dagegen aus, der EIOPA Aufgaben und Kompetenzen zu übertragen, die durch die nationalen Aufsichtsbehörden besser bewältigt werden können. Dies sei insbesondere bei der Wahrung der Interessen der von der Bestandsübertragung betroffenen Begünstigten der Fall:

 

Aus diesen Gründen lehnen wir Artikel 3a ab. Die Wahrung der Interessen der betroffenen Begünstigten bei Bestandsübertragungen sehen wir am besten durch die nationalen Aufsichtsbehörden gewährleistet. Die künftigen EIOPA-Aufgaben bei Bestandsübertragungen 'at the request of the competent authorities' sollten daher zumindest auf systemische Risiken beschränkt werden.“

 

 

Überprüfungszeitraum auf wenigstens 6 Jahre festlegen“

 

Auch LbAV hat bereits des öfteren gemahnt, dass die Staaten und Wirtschaften der Europäischen Union keine Spielwiese und kein Experimentallabor sind. Analog begrüßen die beide Verbände, dass der Berichtsentwurf und die Mitgliedstaaten eine längere Frist zur Überprüfung der Richtlinie vorsehen als der Kommissionsvorschlag:

 

Die Überprüfungsfrist muss wenigstens 6 Jahre betragen, um den EbAV und ihren Trägerunternehmen Planungssicherheit in einem verlässlichen Rechtsrahmen zu geben.“

 

Es sollte auch nicht jetzt schon für das Ende dieser Periode eine Überprüfung der quantitativen Anforderungen (unter anderem Eigenmittelbedarf) festgeschrieben und damit der EIOPA die Rechtfertigung für weitere aufwändige, EbAV belastende Aktivitäten hinsichtlich der Anwendung von HBS geben werden – denn nach jahrelanger Diskussion um neue Eigenmittelanforderungen benötigten EbAV und vor allem Trägerunternehmen endlich wieder Rechtssicherheit.

 

 

Kein europäisches Regulierungskorsett“

 

Burkhard Balz. MdEP (CDU/EVP). Foto: Christian Wyrwa.
Burkhard Balz.
MdEP (CDU/EVP).
Foto: Christian Wyrwa.

Grundsätzlichen Optimismus zeigt auch der ECON-Abgeordnete Burkhard Balz, wie Mann von der CDU/EVP, gegenüber LbAV am Vorabend der Abstimmung:

 

Mit der EU-Richtlinie kann es gelingen, dass betriebliche Pensionen besser übertragbar werden und dass die Pensionsberechtigen in ganz Europa auf regelmäßige, zielgerichtete Informationen über ihre Pensionsansprüche zählen können und sich hohe, europaweite Standards beim Risikomanagement und bei der Organisation der Einrichtungen etablieren. Gleichzeitig halte ich es für unabdingbar, dass die nationalen Sicherungssysteme – wie die Subsidiärhaftung und der PSV – berücksichtigt und positiv angerechnet werden, wenn es um die Stabilität und Finanzstärke der Einrichtungen geht. EU-weite Eigenkapitalanforderungen für die bAV-Einrichtungen sind zu Recht vom Tableau genommen.“

 

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss werde heute ein klares Votum in diese Richtung abgeben und den Standpunkt in den Verhandlungen mit den anderen EU-Institutionen sicherlich standhaft vertreten, so Balz weiter zu LbAV. Sein grundsätzliches Fazit:

 

Ich möchte das System der bAV als funktionierendes System erhalten und fördern, und eben nicht durch ein europäisches Regulierungskorsett reduzieren oder klein halten.“

 

 

Zu den Änderungsanträgen geht es hier und hier.

 

Die in den letzten Monaten formulierten Kompromissanträge waren zum Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht.

 

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