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3. Berliner bAV-Auftakt – Impressionen im Stakkato (II):

Wie Sozialpartnermodelle fliegen lernen oder nicht

Kollektivmechanismus der bAV sollte wirken, einige denkbare Lösungswege – und eine hätte eigener Aussage zufolge die bAV nicht weiter verkompliziert. Zweiter und letzter Teil eines Impressionen-Beitrages der bAV-Auftakt-Fachtagung „Die bAV im Dialog – offene Fragen und Umsetzung des BRSG“ Ende Januar in Berlin-Dahlem von LbAV-Autor Detlef Pohl. Heute: CDU, AXA und der Moderator.

 

Nachdem LEITERbAV gestern über die Kernaussagen von BMF, Nordmetall und ver.di. berichtet hat, hier diejenigen weiterer Tagungsteilnehmer.

 

 

Podiumsdiskussion mit der CDU: Erfolg hängt von Einbeziehung Nicht-tarifgebundener ab

 

Anja Karliczek, CDU MdB.

+++ Moderator Professor Mathias Ulbrich brachte in der Podiumsdiskussion neben den Referenten auch eine Politikerin aufs Trapez: Anja Karliczek, im Folgenden +++ „Ob BRSG ein Erfolg wird, hängt auch von Einbeziehung nicht-tarifgebundener Unternehmen ab“, so die Parl. Sts der CDU/CSU-Bundestagsfraktion +++ Auf keinen Fall darf Altersarmut steigen, deren Kreis sie derzeit auf drei Prozent der Altersrentner taxierte +++ Anders als der Gesetzgeber hätte sie die Komplexität in der bAV durch das BRSG nicht noch weiter erhöht +++ Viele wollten an einfache Lösungen wie die Direktversicherung anknüpfen, mancher störe sich aber an den anhaltend niedrigen Zinsen +++ Es sei zu früh, um schon an eine Evaluierung des BRSG zu denken; demnächst komm erst mal eine neue Rentenkommission +++ ver.di dazu: Vielen Geringverdienern fehlt schlicht an Geld für eigene Altersvorsorge: Entweder müsste die bAV stärker vom ArbG bezahlt werden oder die Gehälter müssten stärker steigen +++

 

 

Axa: Reine Beitragszusage sehr sicher und vertrauenswürdig

 

Björn Achter, Leiter Geschäftsfeld bAV der Axa-Konzern AG und Leiter Vorsorge Spezialvertrieb Firmenkunden:

 

Bjoern Achter, AXA…

+++ Modell der rBZ wurde von Axa in drei eher konservativen Szenarien mit aktienorientierter Kapitalanlage durchgerechnet +++ Ergebnis: aktienorientierte Startrente schneidet stets besser als Garantierente der klassischen LV ab +++ Kollektivmechanismus der bAV begrenzt Schwankungen am Kapitalmarkt sehr wirksam +++ Ergebnis: Schon bei 20% Anlage des Beitrags in Kollektivtarifen etwa 1,0% höhere Zielrente als bei identischer Vola in Individualtarifen +++ Modell ist auch attraktiv für ältere ArbN, da bei Nutzung kollektiver Ausgleichsmechanismen keine negative Anfinanzierung nötig (generationengerecht) +++ Ohne anspruchsvolle fachliche und kommunikative Begleitung der Sozialpartner durch Versorgungseinrichtungen „werden SPM-Modelle nicht fliegen“ +++ Am besten eignen sich Kapitalisierungsprodukte +++ Bei kollektiven Risikopuffern gehört das Geld nicht „unterwegs“ voll den ArbN, auch deswegen muss Trend bei Tarifverträgen Richtung Versorgungslohn gehen, für Gewerkschaften sicher nicht +++ Aktuelle Diskussion wird zu juristisch geführt, statt auf bessere Chancen gegen Altersarmut zu verweisen +++ Hohe Anlaufkosten amortisieren sich wegen niedriger Margen nur durch große Kollektive +++ Kritische Masse an Teilnehmern lässt sich nicht generell beziffern, weil von individuellen Kosten jedes SPM abhängig +++ Portabilität sei bei kollektiven Systemen nicht gesetzlich geregelt, aber im TV verhandelbar +++ Kompatibilität zu bestehenden Versorgungen lässt sich durch „dosierte Öffnung“ von TV erreichen +++ Statt Haftung gibt es im SPM gemeinsame Verantwortung, etwa bei Governance +++ Gemeinsame Steuerungsregeln sind ex ante zu definieren (zentrales Thema) +++ Langfristigkeit der Entscheidungen muss auch in schwierigen Situationen halten +++ Reine Entgeltumwandlung wird in SPM nicht erfolgreich sein +++ Tarifpolitisch ist Vereinheitlichung der bAV-Regelungen innerhalb einer Branche notwendig (zu Sicherungsbeitrag, aber auch hinsichtlich zusätzlicher Leistungen) +++

 

 

Ulrich: Arbeitsrechtlich noch viele offene Fragen

 

Prof. Mathias Ulbrich, Leiter des Schwerpunktbereichs Personal, Arbeits- und Sozialrecht an der Fakultät Wirtschaftsrecht der Hochschule Schmalkalden, Of Counsel für bAV bei der Kanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr:

 

…und Moderator Mathias Ulbrich, Hochschule Schmalkalden, auf dem 3. Berliner bAV-Auftakt Ende Januar 2018 in Berlin. Beide Fotos: Yvonne Weigert.

+++ rBZ im SPM ist vorläufiger Endpunkt einer Entwicklung von der Leistung zum Beitrag ohne jegliche Mindestleistung (Verpflichtung des ArbG durch Zusage einer bAV) +++ Daneben bleibt alte bAV mit Garantien parallel bestehen und wird ebenfalls besser gefördert +++ SPM verlangt dagegen Regelung in oder aufgrund TV in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Tarifexklusivität), wo bei ArbG-Finanzierung und/oder Entgeltumwandlung möglich sind +++ Noch viele arbeitsrechtliche Fragen offen, etwa: Haftung für ArbG außerhalb der eigentlichen bAV-Versorgung +++ Ausweg: Begrenzung der Haftung auf Verstöße gegen Gleichbehandlung, Informationspflichten (nach § 241 BGB) oder Einbeziehung nicht-tarifgebundener ArbG +++ Sozialpartner müssen sich an Steuerung der Versorgungseinrichtung (VE) beteiligen, substantiell z.B. bei Kapitalanlage, aber Form und Folgen bei Verstößen unklar +++ Ausweg: Mitgliedschaft im Aufsichtsrat anstreben, sofern VE das zulässt; oder Einschaltung Dritter +++ Sozialpartner sollen bestehende bAV-Lösungen berücksichtigen, aber das passt arbeitsrechtlich und tarifexklusiv längst nicht immer +++ Ausweg: Lösungen für bestehende bAV-Systeme z.B. Öffnungsklauseln im TV fixieren oder allein durch ArbG festlegen +++ Sozialpartner sollen Nicht-tarifgebundenen Nutzung tariflicher Lösungen nicht verwehren und dürfen der VE dazu keine sachlich unbegründeten Vorgaben machen – rechtlich schwammig +++ Ausweg: im TV Benachteiligung Nicht-tarifgebundener ausschließen und wegen Gerichtsrisiken auf Eintrittsgebühr verzichten, weil Nicht-tarifgebundene sonst im SPM nicht mitmachen werden +++ Unklar auch, unter welchen Umständen Öffnung von TV zum SPM für andere Zusagearten (alte bAV) erfolgreich ist, denn Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag können durchaus mit neuem TV kollidieren +++ Salomonische Antwort: Sozialpartner müssen darauf achten, dass Regelungen des TV auch passen, wenn ein ArbG von der Möglichkeit „alter bAV“ Gebrauch macht, z.B. auf den Sicherungsbeitrag verzichten +++ Umstieg von bestehenden Versorgungszusagen in das SPM ist rechtlich Änderung der Versorgungszusage +++ Seit 1.1.2018 besteht im SPM Pflicht zur Weitergabe von ersparten SV-Beiträgen bei Entgeltumwandlung, in der alten bAV Welt erst ab 2019 bzw. 2022, doch was gilt für Beiträge oberhalb der BBG oder für Entgeltumwandlungs-Vereinbarungen vor 2002? +++ Antwort: Laut BMAS soll es nur auf das im Falle der Nichtumwandlung tatsächlich beitragspflichtige Entgelt ankommen +++ Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung müssten laut Gesetzestext ebenfalls berücksichtigt werden, BMAS „hat hier aber Gesprächsbereitschaft signalisiert“, so Ulbrich +++

 

 

Fazit des Autors: Gute Absicht, Ausführung abwarten

 

+++ BRSG ist Türöffner zur Stärkung der freiwilligen bAV +++ Enthält gute Ansätze und Chancen durch steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Änderungen, insbesondere für die alte bAV +++ Noch viel Skepsis aus arbeitsrechtlicher Perspektive, ob das SPM geeignet ist, Ziel des Gesetzes zu erreichen +++ Ob SPM greift im Moment noch völlig offen. Auf der bAV-Konferenz wurde kein einziges Projekt als spruchreif eingeschätzt +++ Offen auch, ob und wie die Sozialpartner bei anstehenden Tarifverhandlungen überhaupt rBZ vereinbaren; in der Metallindustrie zeichnet sich das derzeit nicht ab +++

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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