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19. Handelsblatt Jahrestagung bAV (IV):

Von Leitplanken, Bündelungen und Renaissancen

Nicht nur Podium, sondern auch Publikum hat und macht Meinung. Die Aufgabe, ebendiese zu evaluieren, hat auf der Tagung ein bAV-Consultant übernommen. Im Mittelpunkt naturgemäß das Sozialpartnermodell. Doch die Antworten zeigen wenig überraschend: Handlungsbedarf gibt es auch außerhalb des BRSG.

 

Anfang vergangener Woche in Berlin, 19. Handelsblatt Jahrestagung bAV. Immer wenn die lebhaften Diskussionen auf dem Podium Pause hatten, hat die Longial das gut 350 Köpfe starke Publikum über Einzelfragen zur bAV, vor allem zum BRSG abstimmen lassen. Im Folgenden einige der Ergebnisse:

 

Trotz der positiven Resonanz auf das neue Gesetz sehen 54 Prozent weiterhin die Doppelverbeitragung von Beiträgen und Leistungen als eine der großen bAV-Baustellen. Nur bei einem konsequenten Abbau der Doppelverbeitragung bestehe eine Chance, dass die bAV im Allgemeinen sowie bei KMU und Geringverdienern im Besonderen gestärkt wird.

 

20 Prozent blicken zudem gespannt nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht, welches zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des steuerlich vorgegebenen Abzinsungszinssatzes von 6 Prozent bei Pensionsrückstellungen (§ 6a Einkommensteuergesetz) angerufen wurde:

 

Sie erhoffen sich eine Anpassung des Rechnungszinses an die Marktgegebenheiten – und da der Gesetzgeber dies bislang ignoriert, wird auf die Verfassungsrichter gesetzt. Für Rechtssicherheit bei Optionsmodellen plädieren 17 Prozent der Teilnehmer.

 

 

Gebündeltes Know-how – geteilte Risiken: Lösungen für das Sozialpartnermodell

 

Kernstück des BRSG ist das Sozialpartnermodell: Zwar sind hierfür in den letzten Wochen erste Lösungen vorgestellt worden.

 

Michael Hoppstaedter, Longial, auf der Tagung. Foto: Gust / Euroforum.

Dennoch herrscht bei den Beteiligten weiter Gesprächsbedarf über die konkrete Umsetzung“, kommentiert Longial-Chef Michael Hoppstädter die Umfrageergebnisse: Mehr als die Hälfte der befragten Teilnehmer legten demnach grundsätzlich Wert darauf, dass die Sozialpartner zunächst Leitplanken, zum Beispiel Mindestanforderungen an Produkte, definieren. Bei der konkreten Form eines Modells lagen Konsortiallösungen von etablierten Anbietern mit knapp einem Fünftel vorne. Insgesamt knapp 90 Prozent stimmten hier den Aussagen zu, dass Know-how gebündelt werde, kostengünstige Lösungen entstünden und sich verschiedene Risiken wie etwa bei Ausfall und Kapitalanlage auf mehrere Anbieter verteilten.

 

 

Am ehesten pauschal: Verpflichtende Weitergabe der SV-Ersparnis

 

Eine weitere Auswirkung des BRSG: Arbeitgeber müssen die im Rahmen der Entgeltumwandlung ersparten Sozialversicherungsbeiträge weitergeben. Sie dürfen diesen Zuschuss exakt aus der individuellen Ersparnis errechnen oder einen pauschalen Betrag in Höhe von 15 Prozent der gezahlten Beiträge gewähren. „Die große Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass der Zuschuss pauschal berechnet werden wird. Das war bei der Komplexität einer individuellen Berechnung auch zu erwarten“, kommentiert Michael Hoppstädter. Nur 18 Prozent erwarten, dass die Arbeitgeber den Aufwand der exakten Berechnung auf sich nehmen.

 

 

(K)eine Renaissance der Riester-Förderung?

 

Mit dem BRSG wurde die Sozialversicherungspflicht auf Leistungen aus Riester-bAV-Verträgen abgeschafft. Die Konferenzteilnehmer sind sich hier jedoch nicht einig, ob dies zu einem Schub bei Riester-bAV-Abschlüssen führt: 48 Prozent rechnen nicht mit einer Steigerung, 39 Prozent dagegen schon.

 

 

Wehret den Anfängen“: Europäische Bestrebungen rund um die bAV

 

Nicht nur, aber auch mit dem europaweiten Altersvorsorgeprodukt PEPP, dem „Pan European Personal Pension Product“, sorgt die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA für Diskussion, nicht zuletzt auf der Tagung selbst.

 

Mehr als 60 Prozent der Befragten stimmt zu, dass die Aufgabe der Behörde darin bestehe, sich auf Aufsicht und Regulierung zu konzentrieren. „Diese klare Absage an die Ambitionen der EIOPA überrascht nicht, denn die Branche in Deutschland kommentiert die Initiative der Behörde seit einiger Zeit sehr kritisch. Allerdings kann PEPP für Mitgliedsstaaten, die nicht über einen etablierten und entwickelten Markt für Altersvorsorge verfügen, durchaus eine sinnvolle Lösung sein und die Mobilität von Arbeitnehmern innerhalb der EU fördern“, beurteilt Hoppstädter die Lage. Diesen Aussagen stimmten rund 30 Prozent der Konferenzteilnehmer zu.

 

 

Noch mehr Eigenverantwortung: Potenzial für „pure DC“?

 

Mit der reinen Beitragszusage – Defined Contribution (DC) – und dem damit verbundenen regulatorischen Rahmen wird teilweise auch von „DC German style“ gesprochen. Der nächste logische Schritt könnte eine echte, eine „pure DC“ sein – analog beispielsweise zur Schweiz: Der Versorgungsanwärter bekommt mehr Anlagemöglichkeiten geboten, zugleich wird ihm mehr Eigenverantwortung abverlangt. „Die Unsicherheit, wie weit die deutsche Versorgungslandschaft hier zu gehen bereit ist, zeigt sich in den Umfrageergebnissen“, kommentiert Hoppstädter: „Es herrscht ein Patt: 41 Prozent würden diese Entwicklung befürworten, 40 Prozent lehnen sie ab.“

 

Die vollständige Umfrage steht auf den Seiten der Longial zur Verfügung.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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