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AVE im Baugewerbe unwirksam (II):

Von gravierend bis Ohrfeige

 

Wie berichtet, hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts Ende September mit zwei Beschlüssen die AVE für die SOKA-Bau von 2008, 2010 und 2014 für unwirksam erklärt. LEITERbAV hat erste Stimmen der beteiligten Akteure eingeholt. Und diese sind teils kräftig.

 

Zu den zwei Entscheidungen des Zehnten Senats wollte sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in dessen Sozialpartnermodell Allgemeinverbindlichkeitserklärungen eine zentrale Rolle spielen, vor Vorliegen der ausführlichen Entscheidungsgründe nicht dezidiert äußern. Doch räumte ein Sprecher gegenüber LEITERbAV ein, dass „die vom BAG gefällten Beschlüsse gravierend sind. Es ist deutlich geworden, dass die Reformen der letzten Jahre und die Abschaffung des Quorums richtig waren. Weitere Punkte bleiben zu prüfen. Das BMAS ist mit allen Beteiligten auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in dieser Sache im Gespräch.“

 

Auch der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), der unter den Antragstellern auf Unwirksamkeit der AVE war, wollte sich bis dato nur zurückhaltend äußern, nicht zuletzt weil zentrale Fragen wie beispielsweise die der Rückerstattung noch völlig unklar sind. Allerdings erklärte ZVEH-Vizepräsident Gerd Böhme, im Verband zuständig für das Ressort „Tarif und Sozialpolitik“, gegenüber LEITERbAV, dass der Verband die Entscheidung begrüße, weil diese die Rechtsauffassung des ZVEH in vollem Umfang bestätigte und im Sinne der Mitgliedsbetriebe ausgefallen sei. „Im Hinblick auf die anberaumten Gespräche mit den Tarifvertragsparteien des Baus erhoffen wir uns zusammen mit der IG Metall nachhaltige Fortschritte für eine künftig saubere fachliche Abgrenzung der tariflichen Zuständigkeiten zwischen Bauhauptgewerbe und Elektrohandwerken.“

 

Ein Sprecher des ZVEH betonte im Gespräch mit LEITERbAV ausdrücklich, dass sein Verband keinesfalls eine Konfrontation in dieser Frage suche, und legte Wert auf die Feststellung, dass man darauf hoffe, „in den außergerichtlichen Gesprächen eine vernünftige und tragfähige Lösung zu finden.“

 

 

Keine Daseinsberechtigung?

 

Hilke Böttcher, Fachanwältin für Verwaltungsrecht aus Hamburg, gehörte ebenfalls zu den Antragstellern, die die Entscheidungen erstritten haben. Böttcher zeigte sich im Gespräch mit LEITERbAV sichtlich weniger zurückhaltend als der ZVEH. So wurde die Juristin durchaus grundsätzlich: „Ich setze mich seit vielen Jahren für Mandanten ein, die mit Forderungen der SOKA-Bau konfrontiert werden. Ich vertrete die Rechtsauffassung, dass die SOKA-Bau keine Daseinsberechtigung mehr hat.“

 

Dass ihr nun vor dem BAG zumindest für die Jahre 2008 bis 2010 (und 2011) und 2014 Recht gegeben wurde, wertet Böttcher als „einen großen Erfolg und einen Meilenstein gegen diese Institution.“ Das BAG müsse jetzt noch über die Jahre 2012 und 2013 entscheiden.

 

 

Schlampereien“

 

Harsche Kritik übte Böttcher auch an den beteiligten Verbänden Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. ZDB und Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. HDB, an den Vorinstanzen sowie an dem Ministerium selbst:

 

Das BAG hat sich intensiv mit den Rechtsfragen beschäftigt und stellte in der mündlichen Verhandlung die Tariffähigkeit der Arbeitgeberverbände in Frage. Dies stellt eine Ohrfeige für den ZDB und den HDB dar. Aber auch die Tatsache, dass dem BMAS große Schlampereien bei der Feststellung des bis 2014 notwendigen Quorums von 50 Prozent vorgeworfen wurden, bedeutet eine schwere Niederlage für das BMAS. Diese Aussage des BAG ist auch eine Abstrafung der Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte in Berlin, Wiesbaden und Frankfurt, die nie die Tariffähigkeit oder das Quorum in Frage gestellt haben, obwohl ich in jedem Schriftsatz beides gerügt habe.“

 

Die SOKA-Bau wollte sich gegenüber LEITERbAV nicht äußern, solange die Entscheidungsgründe nicht schriftlich vorliegen.

 

Im Dezember wird das BAG vermutlich über die AVE 2012 und 2013 entscheiden. Zwischenzeitlich hat Böttcher auch Rechtsbeschwerde zur AVE 2015 eingelegt, die nun beim BAG anhängig ist und wohl im nächsten Jahr entschieden werden wird.

 

 

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