Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

IAS 19 – nach einer Planänderung oder Plankürzung (I):

Unterjährige Neuberechnung von Dienstzeitaufwand und Nettozins?

 

Das IFRS IC wird bezüglich Dienstzeitaufwand und Nettozinsen nach einem Planereignis eine Anpassung des IAS 19 vorschlagen. Rüdiger Schmidt vom DRSC analysiert auch mit Blick auf die möglichen langfristigen Folgen.

 

 

Ruediger Schmidt, DRSC
Ruediger Schmidt, DRSC

Im Januar 2014 hat das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) eine Anfrage hinsichtlich der Bestimmung von Dienstzeitaufwand und Nettozinsen nach einer Änderung oder Kürzung eines leistungsorientierten Pensionsplans (im Folgenden: Planereignis) erhalten. Darin wurde das IFRS IC gefragt, ob für den Zeitraum nach dem Planereignis:

 

 

(i) die Nettozinsen (net interest) auf Basis der zum Zeitpunkt des Ereignisses neubewerteten Nettoschuld (net DBL) und

 

(ii) der Dienstzeitaufwand (service cost) und die Nettozinsen auf Basis von aktualisierten versicherungsmathematischen Annahmen

 

neu zu berechnen sind.

 

Die Anfrage resultiert insbesondere aus der Unsicherheit über das Verständnis der Aussagen in IAS 19.BC64 und IAS 34.IE.B9. Während IAS 19.BC64 eine unterjährige Anpassung von Dienstzeitaufwand und Nettozinsen nach Planänderungen oder -kürzungen ausschließt, wird in IAS 34.IE.B9 die Berücksichtigung von bedeutenden einmaligen Ereignissen, wie Planänderungen oder -kürzungen, gefordert.

 

Die gegenwärtigen Regelungen in IAS 19 erfordern keine Anpassung des Dienstzeitaufwands und des Zinsaufwands nach einem Planereignis. Vielmehr sind gemäß IAS 19.123 die Nettozinsen aus der Nettoschuld und dem Abzinsungssatz abzuleiten, die am Beginn des Geschäftsjahres ermittelt wurden. Gemäß IAS 19.67 ff. basieren die Annahmen für die Berechnung des Dienstzeitaufwands ebenfalls auf Werten vom Ende des vorherigen Geschäftsjahres.

 

Aufgrund dieser Regelungen kam das IFRS IC in der Diskussion in seiner Sitzung im Mai 2014 zu dem Ergebnis, dass eine Neuberechnung des Dienstzeitaufwands und der Nettozinsen für den Zeitraum nach dem Planereignis auf Basis aktualisierter versicherungsmathematischer Annahmen nicht notwendig ist. Gleichzeitig wurden Befürchtungen geäußert, dass durch die Nicht-Anpassung von Dienstzeitaufwand und Nettozinsen die Auswirkungen des Planereignisses nicht ausreichend bilanziell berücksichtigt werden. Allerdings entstand der Eindruck, dass die allgemein als unstrittig geltende Notwendigkeit einer Anpassung des Mengengerüsts für den Dienstzeitaufwand und den Nettozins nicht ausreichend berücksichtigt wurden (zum Beispiel, dass bei einer Plankürzung auch der Dienstzeitaufwand und der Nettozins an die geringere Anzahl an Planteilnehmern anzupassen ist).

 

Im Ergebnis seiner Diskussion hat das IFRS IC vorläufig entschieden, eine Änderung von IAS 19 vorzuschlagen. Mit der Änderung wird nach einem bedeutsamen Planereignis (significant event) eine Neuberechnung des Dienstzeitaufwands und der Nettozinsen auf Basis von den zu diesem Zeitpunkt gültigen versicherungsmathematischen Annahmen gefordert. Gleichfalls ist für die Neuberechnung der Nettozinsen die zum Zeitpunkt des Planereignisses neubewertete Nettoschuld heranzuziehen.

 

Nach Auffassung des IFRS IC entstehen mit dieser Änderung den Unternehmen keine zusätzlichen Kosten, da eine Neubewertung der Nettoschuld zum Zeitpunkt des Planereignisses für die Bestimmung des nachzuverrechnenden Dienstzeitaufwands gemäß IAS 19.99 ohnehin vorzunehmen ist. Weiterhin würden der Informationsgehalt, die Vergleichbarkeit und die Verständlichkeit erhöht sowie eine bessere Übereinstimmung mit IAS 34.IE.B9 erreicht werden.

 

Die vom IFRS IC erwartete Erhöhung der Vergleichbarkeit ist jedoch eher kritisch zu hinterfragen. Während Unternehmen nach einem Planereignis den Dienstzeitaufwand und den Nettozins auf Basis neuer aktueller Annahmen berechnen, behalten die Unternehmen ohne ein Planereignis die Werte bei, die auf Annahmen vom Geschäftsjahresbeginn basieren. Damit berücksichtigen nur einige Unternehmen Informationen, die eigentlich für alle Unternehmen relevant sind. Folglich wird die Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen eher reduziert als erhöht. In diesem Sinne äußert sich beispielsweise auch das DRSC in seinem Schreiben vom 17. September 2014 an das IFRS IC (Fußnote 1). Ebenso wird unter Aktuaren der Vorschlag des IFRS IC kritisch gesehen.

 

Eine weitere Unsicherheit und Unklarheit entsteht für die Unternehmen (und damit auch für die Adressaten) aus der Formulierung der Situation, die eine Neuberechnung auslöst: Wann liegt ein bedeutsames Ereignis vor? Gilt bereits das Ausscheiden von 5 Prozent der Planteilnehmer als bedeutsames Ereignis oder müssen 30 Prozent der Planteilnehmer ausscheiden? Ist bereits eine materielle Dotierung des Plans ein bedeutsames Ereignis? Gleichfalls stellt sich die Frage, für welche Pensionspläne eine Neuberechnung nach einem bedeutsamen Ereignis notwendig wird. Das IFRS IC stellt zwar klar, dass die Neuberechnung nur für den betroffenen Pensionsplan zu erfolgen hat und nicht für alle Pläne des Unternehmens oder für alle Pläne eines Landes, jedoch ist unklar, ob beispielsweise auch Änderungen bei einer signifikanten Gruppe von Planteilnehmern eine Neuberechnung für den gesamten Plan auslöst.

 

Ein weiteres Problem kann sich aus der langfristigen Wirkung dieser Änderung ergeben. Zwar ist nach IAS 19.BC63 (mit Verweis auf IAS 34.28 und 29) eine unterjährige vollständige Neuberechnung von Pensionsverpflichtungen und zugehörigen Aufwandspositionen ausgeschlossen, jedoch besteht die Gefahr, dass der IASB diese Regelung überdenkt und Unternehmen gegebenenfalls zur Neuberechnung der Pensionsverpflichtungen in der Zwischenberichterstattung verpflichtet.

 

Über den Autor:

Dr. Rüdiger Schmidt, CFA, ist Projektmanager beim DRSC e.V. Der Beitrag stellt die persönlichen Ansichten des Autors dar und gibt keine Stellungnahme oder offizielle Standpunkte des DRSC wieder.

Von Schmidt erschien bereits auf Leiter-bAV.de:

Was sind „qualitativ hochwertige Unternehmensanleihen“? Absolut mit Spielraum.“

 

 

Anmerkung der Redaktion:

Das IFRS IC wird dieses Thema in seiner Sitzung am 11. November 2014 diskutieren. Sobald Erkenntnisse über die Ergebnisse vorliegen, wird Leiter-bAV.de darüber berichten.

 

 

Fußnote 1:

S. Schreiben des DRSC an das IFRS IC vom 17.09.2014; zuletzt abgerufen am 30.09.2014 unter: http://www.drsc.de/docs/press_releases/2014/140917_CL_ASCG_IFRSIC_Interpret.pdf

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.