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bAV-HB-Tagung (I) – BMAS in Action:

Unverfallbarkeit. Umsetzung. Sechzehn.

 

Viel zu tun hat das BMAS derzeit in Sachen bAV. Auf der Handelsblatt-Tagung in Berlin gaben die Beamten dem Parkett einen konkreten Statusbericht.

 

Berlin, gestern, kurz vor zehn Uhr morgens: BMAS-Staatssekretär Jörg Asmussen berichtet auf der „16. Handelsblatt Jahrestagung bAV“ in Berlin über Stand und Ausblick der gegenwärtigen Arbeiten des Ministeriums rund um die betriebliche Altersversorgung. Besonders an zwei Stellen seiner Rede horchen die Zuhörer auf:

 

Jörg Asmussen, BMAS Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust
Jörg Asmussen, BMAS
Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust

Erstens – so Asmussen – soll die mit der Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie verbundene Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen vollständig steuerlich begleitet werden. Das bedeutet also, dass eine Rückstellungsbildung künftig ab Alter 23 statt bisher 27 möglich sein wird (wegen der Fluktuationen wird nicht auf das Alter 21 abgestellt, obwohl künftig bereits Anwartschaften ab diesem Alter unverfallbar werden). Gegenüber Leiter-bAV.de hatte auch schon das BMF in der Vergangenheit bereits diese kommende steuerliche Begleitung faktisch bestätigt.

 

Zum zweiten kündigte Asmussen an, dass als Reaktion auf die entsprechenden Urteile des Bundesarbeitsgerichts der Paragraf 16 BetrAVG im Sinne einer Gültigkeit der Escape-Klausel auch für regulierte Pensionskassen angefasst werden soll – ebenfalls eine Maßnahme, die sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet hatte.

 

 

 

Der legendäre Halbsatz – Streichung mit rückwirkendem Effekt

 

Diese „ganz entscheidende Änderung“ präzisierte Peter Görgen, Referatsleiter „Zusätzliche Altersversorgung“ im BMAS, in seinem am Nachmittag gehaltenen Vortrag. Er wies in diesem Zusamenhang auf die jüngst veröffentlichen Urteile des Dritten Senats des BAG von letztem September hin. Laut Görgen will das BMAS im Paragrafen 16 (3) Nr. 2 den schon legendären (und in seiner Pathogenese offenbar recht unklaren) letzten Halbsatz, der da lautet:

 

…und zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Versicherungsaufsichtsgesetzes festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten wird…“

 

schlicht streichen. Im Gespräch mit Leiter-bAV.de bestätige Görgen, dass die Neuregelung damit auch für Altzusagen gelte. Dies werde auch die Gesetzesbegründung ausdrücklich klarstellen.

 

Die Maßnahme habe im BMAS eine gewisse Eilbedürftigkeit, zumal es die „regulierten Pensionskassen als klassische bAV“ beträfe, so Görgen in seinem Vortrag weiter. Hier wolle man für Klarheit sorgen, unter anderem, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen regulierten und unregulierten Kassen komme und damit die Beteiligten die notwendige Planungssicherheit erhalten.

 

 

Referentenentwurf ante portas

 

Peter Görgen, BMAS Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust
Peter Görgen, BMAS
Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust

Die Anpassungen werden im Zuge der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie in deutsches Recht erfolgen. Den Versand des Referentenentwurfs (mit einem Umfang von 14 Seiten „kurz und knackig“, so Görgen) an die einschlägigen Verbände kündigte der Referatsleiter – vorbehaltlich des Placets des Bundeskanzleramtes und der beteiligten Ressorts – für nächste, vielleicht übernächste Woche an. Der Kabinettsbeschluss soll dann im Mai gefasst werden. „Wir wollen rasche Planungssicherheit“, hatte zuvor schon Asmussen den straffen Zeitplan bekräftigt. Gesetzt, dass es dabei bleibt, ist dann wohl Ende Oktober mit zweiter und dritter Lesung im Bundestag zu rechnen. Übrigens: Die nationale Umsetzung der Richtlinie tritt erst 2018 in Kraft, der Teile des Gesetzes zur Anpassung des Paragrafen 16 allerdings unmittelbar nach Verkündung, wie Görgen gegenüber LbAV betonte.

 

 

Kommt Zeit, kommt Rat, kommt 17b?

 

Staatssekretär Asmussen machte erneut deutlich, dass erst im Anschluss an die Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie das Thema 17b aufgegriffen werde. Hier bekräftigte er, das Tor für die Sozialpartner öffnen zu wollen, damit auch KMU „ihren Schrecken vor der bAV verlieren“. Schließlich verfolgt das BMAS mit einer Verbreitung der bAV vor allem eine Verbreitung innerhalb von KMU und bei Niedrigverdienern. In KMU verfügen nur 30 Prozent der Arbeitnehmer über Anwartschaften, ungleich weniger als in Großunternehmen. Insgesamt verfügen 17 Millionen Arbeitnehmer über eine bAV (plus 15 Millionen Riesterverträge). Kommentar Asmussen: „Damit wollen wir uns nicht zufrieden geben“.

 

Interessant“ findet der Spitzenbeamte in diesem Zusammenhang die überlieferten Äußerungen von Arbeitgebern, die bAV-Angebote würden von den Beschäftigten nicht nachgefragt. Umgekehrt aber hieße es seitens der Arbeitnehmer, dass es in den Betrieben an Angeboten fehle.

 

Ein Grund für das Auseinanderklaffen der Argumentation mag darin liegen, dass die bAV mit ihrer Vielfalt zu komplex ist und sie allein deshalb abschreckend auf beide Seiten wirkt. Wichtig ist dem BMAS jedenfalls, dass es bei aller Vielfalt in der bAV eine Gemeinsamkeit gibt: Die Anbindung an den Arbeitsvertrag. „Die bAV gehört in das Arbeitsrecht“, betonte Asmussen. Insofern ist es nur konsequent, dass er die Entwicklung gemeinsamer Einrichtungen der Tarifpartner ins Auge gefasst hat.

 

Gleichzeitig stellte er die grundsätzliche Frage, wie trotz favorisierter Freiwilligkeit die Verbreitung gesteigert werden könne. Ausführlich ging er erneut auf alle Handlungsoptionen eines Opting-out ein, das, wie er sagte, einen sanften Zwang erzeugt. Das Arbeitgeber-Opting-out erscheint ihm insofern fraglich, als es nicht eindeutig den KMU helfe. Außerdem wäre es ein Eingriff in das Arbeitsrecht und müsste dann entsprechend gut begründet werden. „Wenn man also bei mehr Freiwilligkeit bleiben will, was dann?“ Man könne theoretisch die staatlichen Anreize verbessern, doch würde „das beim Finanzminister nicht auf Gegenliebe stoßen“, so der SPD-Staatssekretär. Im BMF läuft derzeit ein Forschungsauftrag zu dieser Problematik, Ergebnisse sind nicht vor Oktober zu erwarten. Mit einem Gesetzgebungsverfahren zum 17b rechnet Asmussen daher nicht vor 2016.

 

Monika Queisser, OECD Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust
Monika Queisser, OECD
Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust

Auch vor dem Hintergrund dieser Überlegungen seien die Vorschläge zu gemeinsamen Einrichtungen gemacht worden, und daher die aktuelle Zuneigung zu reinen Beitragszusagen. Dazu passte, was Monika Queisser, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der OECD, auf der Tagung in ihrem Vortrag zu ergänzen wusste: dass Beitragszusagemodelle auch international im Trend liegen. In 16 von 20 OECD-Staaten sei der Beitragsbezug verstärkt worden. Auch das will Asmussen nun intensiv mit den Sozialpartnern erörtern. Wie so oft gebe es zunächst Bedenken, etwa die Sorge vor der Verdrängung der bestehenden Systeme in Richtung Minimal-bAV. Die Arbeitgeber sehen zudem keine Möglichkeit der Übertragung, und auch die komplexe Einbindung des PSV müsse noch geregelt werden.

 

Das BMAS will die gemeinsamen Einrichtungen zudem auch für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber öffnen. Dazu können die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Das werde zwar nicht überall geschätzt, weiß Asmussen, sei aber möglich. „Ich glaube die bAV kann so ein Stück an Komplexität für KMU verlieren“, hofft er.

 

 

Arbeitgeber mit Skepsis

 

Für die Arbeitgeber mahnte Ingo Kramer in seinem Vortrag ausdrücklich eine umfassende Verbesserung der Rahmenbedingungen der bAV an und erinnerte daran, dass die gegenwärtigen Baustellen, denen sich das BMAS derzeit widmet, nicht die einzig drängenden sind. Als weitere Knackpunkte nannte der BDA-Präsident die zu engen Grenzen des Paragrafen 3 Nr. 63 („ein höherer Finanzierungsaufwand darf nicht einen Wechsel des Durchführungsweges nach sich ziehen müssen“), das Auseinanderfallen von Steuer- und Handelsbilanz im HGB („die sechs Prozent der Steuerbilanz müssen an die Realität angepasst werden“) und die Einführung eines Zulagensystems, das bAV auch für Geringverdiener sinnvoll macht („Riester in der bAV ist unattraktiv, weil Beiträge und Renten der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegen“). Außerdem mahnte Kramer bessere Abfindungsmöglichkeiten von Kleinstanwartschaften an und begrüßte die nun bevorstehende Anpassung des Paragrafen 16 BetrAVG.

 

Kramer bekräftigte erneut die Skepsis der Arbeitgeber gegenüber dem geplanten Haftungsprivileg der neuen EbAV nach einem Paragrafen 17b. Auch allen Formen des Zwangs erteilte der BDA-Chef eine Absage. Schon Anfang des Monats hatte die BDA in einem Papier kritisch Stellung zu den BMAS-Plänen genommen.

 

Ingo Kramer, BDA Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust
Ingo Kramer, BDA
Foto: EUROFORUM / Dietmar Gust

Kramer lies es sich nicht nehmen, weitere schwebende Verfahren anzusprechen, die sich schädlich auf die bAV auswirken können, auch wenn sie derzeit nicht derartig im Fokus des öffentlichen Interesses stehen wie 17b und Mob-RL. Hier nannte er die Finanztransaktionssteuer ebenso wie die geplante Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien in Unternehmen, obwohl die daraus bezahlten Renten beim Betriebsrentner besteuert werden. Für eine solche Belastung von Aktieninvestments in den Zeiten des Niedrigszinses habe er wenig Verständnis, so Kramer.

 

Auch die EbAV-II-Richtlinie, um die es derzeit ruhig ist, sprach der Arbeitgeberpräsident an. Zwar sind Solvency-II-artige Eigenkapitalvorschriften derzeit ausgenommen, doch habe sich die Europäische Kommission eine Verschärfung zu einem späteren Zeitpunkt ausdrücklich vorbehalten. Kramer: „Die derzeitige Ruhe ist vielleicht die Ruhe vor dem Sturm.“

 

 

 

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