Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Köln: Entwicklung, Umsetzung und Steuerung des SPM (II):

Tiger, Tank und BVB

Vergangenen Mittwoch in Köln am Rhein. Euroforum-Tagung Die Zielrente – Entwicklung, Umsetzung und Steuerung des Sozialpartnermodells. Mit insgesamt vier Beiträgen wird LEITERbAV von der inhaltsreichen Tagung berichten. Heute Teil II; dieser wegen der Fülle der Informationen im bewährten Telegrammstil des Stakkato.

 

 

Im Folgenden Auszüge aus den Statements und Vorträgen einiger der Tagungsreferenten:

 

Joachim Schwind, Chef der Hoechster Pensionskasse: höheres Startrentenniveau

 

Joachim Schwind, Hoechster Pensionskasse.

+++ BRSG sieht insbesondere durch die Erweiterung des steuerlichen Dotierungsrahmens des § 3 Nr. 63 EStG, den Entfall der Doppelverbeitragung bei bAV-Riester und die Einführung des Freibetrages für bAV-Leistungen deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen für bAV in Deutschland vor +++ Als neue Zusageart steht rBZ künftig bei tarifvertraglich basierten Altersversorgungssystemen gleichberechtigt neben bestehenden bewährten Zusagearten +++ Sofern TV-Parteien Nutzung der rBZ zulassen, können künftig Leistungen anhand tatsächlich erwarteter Marktrenditen (keine Begrenzung durch Höchstrechnungszins) und angemessener Sicherheiten bei der Biometrie (Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung) kalkuliert werden, was zu einem deutlich höheren, jedoch ausdrücklich nicht garantierten Startrentenniveau führt +++ Transparente Kommunikation ist entscheidender Faktor zur Schaffung eines realistischen Erwartungshorizontes in Bezug auf die Zielrente +++

 

 

 

Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Repräsentantin des Konsortiums Das Rentenwerk: Change Management und Kommunikation

 

Henriette Meissner, Stuttgarter.

+++ rBZ ist als Paradigmenwechsel in der bAV zu verstehen +++ Bisher unverrückbare Koordinaten werden verändert: Einstandspflicht des Arbeitgebers, Rentenanpassung nach oben, Kapitalanlagerisiko größtenteils beim Arbeitgeber +++ Ein Paradigmenwechsel erfordert professionelles Change Management, Kommunikation ist hierzu erfolgskritisch +++ Lehren aus dem Change Management im Unternehmensbereich als Blaupause für die Kommunikation des SPM nutzen +++ Kommunikation muss die emotionale Ebene, v.a. Ängste und Sorgen, angemessen adressieren, sollte sehr früh beginnen und muss stetig die wichtigen Botschaften verankern +++ Sozialpartner sollten zu 300% hinter ihrem beschlossenen Modell stehen +++ Alle Stakeholder identifizieren und in die Kommunikation mit einbeziehen +++ Starke Bilder transportieren Visionen – z.B dass die rBZ mit ihrer chancenorientierten Kapitalanlage „den Tiger in den Tank“ packt +++

 

 

 

BVV Marco Herrmann, Prokurist und Leiter Strategie, Recht und Kommunikation des BVV: Anfang 2018 einsatzbereit

 

Marco Herrmann, BVV.

+++ Gesetzgeberische Regelung der rBZ ist ein Game Changer +++ Bei tarifvertraglicher Umsetzung der rBZ Spagat zu meistern, Regelungen möglichst schlank zu halten und dennoch die Mindestanforderungen des Gesetzgebers hinsichtlich des Regelungsgehaltes zu erfüllen +++ Obligatorisch in einem Tarifvertrag zu regeln sind nach dem Wortlaut des Gesetzgebers:

 

  • § 1 Abs. 2a – Verpflichtung des AG, Beiträge an eine Versorgungseinrichtung zu zahlen

  • § 23 Abs. 2 – Zusatzbeiträge des Arbeitgebers in Form der arbeitgeberseitigen Weiterleitung der Sozialversicherungsersparnis bei Entgeltumwandlung im Rahmen der reinen Beitragszusage

 

+++ Weiterhin geregelt werden könnten:

 

  • § 19 – allgemeine Tariföffnungsklausel mit Bestimmungen, von denen in Tarifverträgen abgewichen werden kann

  • § 20 Abs. 1 – TV und Entgeltumwandlung

  • § 20 Abs. 2 – In einem TV kann die Einführung eines Optionssystems geregelt werden

  • § 21 Abs. 1 – Beteiligung der TV-Parteien an Durchführung und Steuerung

  • § 21 Abs. 2 – Sollvorschrift, dass TV-Parteien bestehende Systeme berücksichtigen

  • § 21 Abs. 3 – Sollvorschrift, dass TV-Parteien nichttarifgebundenen AG und AN den Zugang nicht verwehren

  • § 23 Abs. 1 – Sollvorschrift hinsichtlich Sicherungsbeitrag des AG

 

+++ Bietet sich an, zu regeln: Festlegung Versorgungseinrichtung & Durchführungsweg sowie Definition Leistungsspektrum +++ Weitere Detailfragen zur Umsetzung der reinen Beitragszusage sind dagegen kein tauglicher Tarifinhalt und könnten in einer separaten Vereinbarung zwischen durchführender Einrichtung und Tarifvertragsparteien geregelt werden (u.a. Geltungsbereich hinsichtlich Verhältnis zu bestehenden Altregelungen, Produktdetails, Ausgestaltung der Anwartschaftsphase, Aspekte der Vermögensanlage, Kapitaldeckungsgrade und Puffermechanismen, Informationspflichten, Verwaltung) +++ Zur Risikominderung sollte TV über rBZ auf die weiteren zwischen den Tarifpartnern und der EbAV geschlossenen Vereinbarungen verweisen, um von AGB-Kontrolle ausgenommen zu sein +++ Fazit: Möglichkeiten der tarifvertraglichen Umsetzung der rBZ sehr vielschichtig – mit entsprechenden juristischen Fallstricken +++ Nach ersten Gesprächen zeigt sich, dass eine Altersversorgung dann als wertig eingeschätzt wird, wenn sie hohes Maß an Sicherheit und Stabilität gewährleistet; könnte dazu führen, dass sicherheitsorientierten Produkten Vorzug vor chancenorientierten Angeboten gegeben wird +++ Pensionsfonds ist für BVV Erfolgsmodell im Einmalbeitragsgeschäft wie bei Auslagerung, darüber hinaus auch das ideale, weil komplette Vehikel für die Umsetzung der rBZ +++ Gesetz tritt 2018 in Kraft, BVV wird zu diesem Zeitpunkt rBZ zur Verfügung stellen, sowohl sicherheits- und wie ertragsorientierte Varianten +++ Kurzfristig werden Gespräche mit BaFin aufgenommen +++

 

 

 

Stefan Oecking, Partner und Retirement Consulting Leader von Mercer in Deutschland: DAV-Sterbetafel i.A. keine Anwendung

 

Stefan Oecking, Mercer.

+++ Individuelle Kapitalanlage ist im SPM in der Anwartschaft zwar möglich, aber vom Ansatz her ineffizient und entspricht insoweit nicht Intentionen des Gesetzgebers +++ Gesetzgeber wollte verhindern, dass die Sicherheitsspanne während der Rentenzahlung durch zusätzliche Puffer höher ist als die 125%-Grenze, um eine vernünftige Rentenhöhe zu erreichen +++ Kurz vor Toresschluss dankenswerterweise zugelassen, wenigstens einen aus Sicherheitsbeiträgen aufgebauten Puffer erst im Rentenbezug zu verwenden +++ Verwendung von Sicherheitsbeiträgen erst im Rentenbezug, wenn Rentenkürzungen aufgrund von Ertragsschwankungen weh tun, erscheint sinnvoll; eine Verhinderung dieser Verwendung durch den Gesetzgeber wäre von den Betroffenen nicht verstanden worden +++ Im Rentenbezug ist Deckungsrückstellung ausschließlich kollektiv und entspricht der retrospektiven Fortschreibung des für Rentner gebildeten Vermögens; deshalb individuelle kongruente Rückdeckung mit garantierten Rentenprodukten im Rentenbezug nicht möglich +++ Falls Rentenabsenkung erforderlich, kann diese z.B. auf mehrere Jahre verteilt werden oder durch angesammelte Sicherungsbeiträge partiell und temporär ausgeglichen werden+++ Zu Rentenbeginn ist nur der Zins vorsichtig zu wählen, weitere Rechnungsgrundlagen müssen auf Basis bester Schätzwerte festgesetzt werden; DAV-Sterbetafel wird daher i.A. keine Anwendung finden können +++ Wenn Neurentner Kapitaldeckungsgrad des Kollektivs verbessern oder verschlechtern, wird dies möglicherweise entweder vom Neurentner oder vom Kollektiv kritisch gesehen. Verrentet die Einrichtung hingegen so, dass zu diesem Zeitpunkt der individuelle Verrentungsgrad dem des Kollektivs entspricht, erscheint dies nicht nur als gerecht, sondern verstetigt auch in Aussicht gestelltenRenten bereits vor Rentenbeginn +++ Kosten einer Invaliditätsabsicherung sollten nicht unterschätzt werden, selbst moderate Absicherung durch eine Leistung in Höhe von zwei Jahresbeiträgen plus Beitragsfortzahlung kostet je nach der Invalidisierungswahrscheinlichkeit im Kollektiv zwischen zehn und dreißig Prozent des Beitrags, mindert damit Altersabsicherung +++ Ich würde meinen Kindern eine zusätzliche Altersversorgung, auch und gerade im SPM, sehr empfehlen, wenn Kosten und Transparenz stimmen; ist fast so wichtig wie die Dauerkarte beim BVB +++

 

 

Teil I der Berichterstattung – betreffend den Vortrag von Dietmar Keller von der BaFin – findet sich hier.

 

Teil III der Berichterstattung von der Tagung über die Vorträge von Vertretern der beteiligten Bundesministerien findet sich hier.

 

Teil IV mit Aussagen weiterer Vortragender (im Telegrammstil) findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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