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German Pension Finance Watch Q IV 2016:

Rechnungszins entlastet Pensionswerke

 

Für IAS-19-Bilanzierer standen im letzten Viertel des vergangenen Jahres die Zeichen auf Entspannung – zumindest modellhaft. Das hat eine turnusgemäße Untersuchung ergeben.

 

 

Für diejenigen, die aus dem Augenwinkel die Zinsentwicklung verfolgen, kommt das nicht überraschend: Ein Wiederanstieg des im Jahresverlauf 2016 deutlich gesunkenen IAS-19-Rechnungszinses, gepaart mit einer leicht positiven Entwicklung der Pensionsvermögen, hat den Pensionswerken der DAX- und MDAX-Unternehmen im 4. Quartal Entlastung verschafft. Dies ist das Ergebnis der aktuellen Modellrechnung von Willis Towers Watson.

 

So stiegen im Zuge einer Art „Jahresendrallye“ die Pensionsvermögen im DAX auf 242,8 Mrd. Euro (+0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal) und im MDAX auf 28,6 Mrd. Euro (+0,6 Prozent). Der Rechnungszins betrug zum Quartalsende 1,80 Prozent (+28 Basispunkte).

 

Folglich sank der in den Bilanzen anzusetzende Umfang der Pensionsverpflichtungen auf 417,4 Mrd. Euro im DAX (-5,0 Prozent) und 65,2 Mrd. im MDAX (-5,1 Prozent).

 

Der Ausfinanzierungsgrad erholte sich entsprechend leicht und liegt nun bei 58,2 Prozent (DAX) bzw. 43,8 Prozent (MDAX). Damit wurde die Entwicklung, die das Gesamtjahr 2016 insbesondere durch einen deutlichen Zinsrückgang (-70 Basispunkte) geprägt hatte, allerdings nicht vollständig aufgefangen, so die turnusgemäße WTW-Modellberechnung „German Pension Finance Watch“.

 

 

Rechnungszins: Wiederanstieg nach Talfahrt

 

Im Jahresverlauf 2016 hatte der Rechnungszins zunächst stark nachgegeben. Betrug er Ende 2015 noch 2,50 Prozent, so sank er bis auf 1,52 Prozent zum Ende des 3. Quartals. Zum Ende des 4. Quartals ist er nun wieder auf 1,80 Prozent gestiegen. In der Folge schwankte auch der in den Bilanzen anzusetzende Umfang der Pensionsverpflichtungen. Zum Ende des 4. Quartals lag er im DAX nun bei besagten 417,4 Mrd. Euro (3. Quartal: 439,5 Mrd. Euro). Trotz der Erholung liegt er aber deutlich höher als Ende 2015 (362,4 Mrd. Euro).

 

Ähnlich die Entwicklung im MDAX: Von 56,8 Mrd. Euro Ende 2015 stieg der Verpflichtungsumfang auf den Höchstwert von 68,7 Mrd. Euro (Ende 3. Quartal), um nun anschließend dank der Zinserholung auf 65,2 Mrd. Euro zum Ende des 4. Quartals abzusinken.

 

Thomas Jasper. Willis Towers Watson.
Thomas Jasper.
Willis Towers Watson.

Der bilanzielle Umfang der Pensions-verpflichtungen hat 2016 entlang der Zinskurve geschwankt. Dies ist eine ganz typische Entwicklung, die sich unmittelbar aus den Rechnungslegungs-vorschriften ergibt. Ändert sich der Zins zum Rechnungslegungs-stichtag, ändert sich der Umfang der Pensions-verpflichtungen“, erklärt Thomas Jasper, Leader Retirement Western Europe von Willis Towers Watson. Angesichts der wieder gestiegenen Inflationsrate (für Europa 1,1% geschätzt für Dezember gegenüber 0,6% im November 2016; für Deutschland 1,7% geschätzt für Dezember und 0,8% im November 2016) führt er weiter aus: „Spannend ist nun, wie die EZB darauf reagieren wird – dies könnte neue Impulse für den Rechnungszins und damit die Entwicklung der Pensionswerke setzen.“

 

 

Planvermögen leicht im Plus – Ausfinanzierungsgrad mit Schwankungen

 

Die für die Pensionspläne reservierten Vermögenswerte entwickelten sich insbesondere dank der guten Aktienperformance im Jahresverlauf leicht positiv und erreichten nun im DAX 242,8 Mrd. Euro und im MDAX 28,6 Mrd. Euro (+2,9 bzw. +2,2 Prozent gegenüber Ende 2015). Den zinsbedingten Anstieg des Verpflichtungsumfangs im Jahresverlauf 2016 konnte dies jedoch nicht kompensieren.

 

Daher ging der Ausfinanzierungsgrad der Pensionswerke im 3. Quartal bis auf 54,9 Prozent im DAX bzw. 41,3 Prozent im MDAX zurück. Im 4. Quartal hat er sich nun etwas erholt und liegt aktuell wie erwähnt bei 58,2 Prozent im DAX bzw. 43,8 Prozent im MDAX.

 

In den vergangenen fünf Jahren ist der Ausfinanzierungsgrad in der Regel um die Marke von 61 Prozent im DAX und 46 Prozent im MDAX geschwankt. Derzeit liegt er auf dem Niveau von Ende 2014“, ordnet Jasper den aktuellen Stand ein, „und für Unternehmen, die ihre Pensionswerke noch nicht ‚wetterfest‘ aufgestellt haben, bietet diese Entwicklung Anlass für eine grundlegende Überprüfung oder Überarbeitung. Unternehmen, die ihre ‚Hausaufgaben‘ bereits erledigt haben, werden die Zinsentwicklung hingegen lediglich im Blick behalten.“ Jasper führt weiter aus: „Da es sich bei den Pensionen um langfristige Verpflichtungen handelt, hat der gegenwärtige Druck auf das Bilanzbild keinen unmittelbaren Einfluss auf den Cashflow.“

 

 

Abb.: Entwicklung des Ausfinanzierungsgrades von Pensionsverpflichtungen in den WTW-Musterplänen 2005-2016.

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Quelle: WTW. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

 

bAV ohne Garantien: Ein Schritt in die richtige Richtung

 

Laut WTW-Analyse der Entwicklung der Pensionsvermögen resultiert der leichte Zuwachs im Jahresverlauf 2016 im Wesentlichen aus starker Aktienperformance. Jedoch sind die Pensionsvermögen nur zu rund 25 Prozent in Aktien angelegt. Weitaus stärker – mit rund zwei Dritteln – setzen sie weiterhin auf Anleihen (DAX: 65,3 Prozent, MDAX: 59,6 Prozent).

 

Jasper ordnet dies in die gegenwärtige Reformdebatte ein: „Diese Vermögensanlage folgt logisch daraus, dass die bAV in Deutschland bislang immer mit einer garantierten Mindestleistung verbunden ist. Zur Bedeckung der Garantien werden in der Regel konservative Anlageinstrumente wie Anleihen eingesetzt. Damit bleibt wenig Spielraum für die Anlage in zwar riskantere, aber auch deutlich renditestärkere Instrumente wie zum Beispiel Aktien.“

 

An dieser Stelle gehe das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz mit der Möglichkeit, auf tariflicher Ebene Pensionspläne ohne Garantien einzuführen, in die richtige Richtung.

 

Gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ist diese neue Gestaltungsoption grundsätzlich sinnvoll und zielführend“, so Jasper. Allerdings – so gibt er zu bedenken – „müssen Unternehmen, um diese neue Option nutzen zu können, dem Gesetzesentwurf nach eine enge Abstimmung mit den Tarifpartnern suchen“. Ähnlich verhalte es sich auch mit der Möglichkeit der automatischen Entgeltumwandlung – auch sie sei dem Gesetzesentwurf nach nur in Abstimmung mit den Tarifpartnern und nicht auf betrieblicher Grundlage möglich.

 

Unabhängig von einer etwaigen Tarifbindung ihres Arbeitgebers stünden Mitarbeiter Pensionsplänen, in die sie automatisch aufgenommen werden und automatisch einen Teil ihres Entgelts als Vorsorgebeitrag abführen, sehr positiv gegenüber, führt WTW weiter aus. Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter, die in einen solchen Pensionsplan aufgenommen wurden (72 Prozent), begrüßten dies ausdrücklich, so der Global Benefits Attitudes Survey von Willis Towers Watson. Rund ein Viertel (26 Prozent) habe zumindest nichts dagegen. Mitarbeiter können der automatischen Aufnahme in einen solchen Pensionsplan widersprechen („opting out“). In der Befragung entschieden sich jedoch null Prozent dafür.

 

 

Global: Interest rate declines

 

Die parallele globale Untersuchung – der Global Pension Finance Watch — Year-End 2016: Interest rate declines lead to down year for global pensions von WTW findet sich hier.

 

 

Hintergrund: Der German Pension Finance Watch

 

Das „German Pension Finance Watch“ (GPFW) stellt die Auswirkungen der Kapitalmarktentwicklungen auf deutsche Benchmark-Pensionspläne dar. Verglichen wird ein Musterplan, der Ende 2003 vollständig ausfinanziert war (100-Prozent-Plan) und laufend in Höhe der neu erdienten Ansprüche dotiert wird, mit einem für ein DAX- beziehungsweise MDAX-Unternehmen typischen Pensionsplan.

 

Im einzelnen liegen der Modellrechnung Benchmark-Pensionspläne mit unterschiedlichen Ausfinanzierungsgraden zugrunde. Ein Musterplan (100-Prozent-Plan) stützt sich auf ein Szenario, bei dem die Pensionslasten von Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2003 voll mit extern angelegtem Vermögen unterlegt waren. Zwei weitere Musterpläne (DAX- bzw. MDAX-Plan) zeichnen die durchschnittliche Entwicklung bei Pensionsverpflichtungen und Kapitaldeckung der Unternehmen in dem jeweiligen Börsenindex nach. Analysiert werden die aktuellen Entwicklungen auf der Verpflichtungsseite sowie die Erträge der für Pensionsverpflichtungen reservierten Kapitalanlagen. Die Untersuchung ergänzt die von Willis Towers Watson herausgegebenen Studien zu US-amerikanischen und weltweiten Benchmark-Pensionsplänen sowie zu den Schweizer Pensionsplänen, die quartalsweise erscheinen.

 

 

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