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17. Handelsblatt Jahrestagung bAV (IV):

PSV sieht Absicherung des Sozialpartnermodells kritisch

 

Auf der Handelsblatt Jahrestagung zur bAV beschäftigte das Thema „Sozialpartnermodell“ wegen der beabsichtigten Enthaftung für Arbeitgeber auch den PSV. Dessen Vorstand Hans H. Melchiors hielt den unausgegorenen Vorstellungen der Politik mit spitzbübischem Lächeln den Spiegel vor. Manchem dürfte dabei das Lachen vergangen sein – hofft zumindest LbAV-Autor Detlef Pohl.

 

Die Bundesregierung sollte zügig ihre internen Diskussionen abschließen und den Tarifpartnern möglichst flexible neue Rahmenbedingungen vorgeben, forderten viele Teilnehmer der jüngsten bAV-Handelsblatt Jahrestagung Anfang letzter Woche. Vielen blieb jedoch unklar, wie das Sozialpartnerschaftsmodell Betriebsrente gerade in KMU einen Aufschwung schaffen soll (LEITERbAV berichtete).

 

Das BMAS unter Andrea Nahles (SPD) will KMU Zugang zu einer „Haftungsgemeinschaft“ ermöglichen. Wie das praktisch aussehen soll, dazu gab es auf der Tagung keine Antworten. Im schlimmsten Fall muss sich die Fachwelt also noch bis Ende Juni gedulden, wie die im Koalitionsvertrag von Union und SPD versprochene Stärkung der bAV aussehen könnte. Noch in dieser Jahreshälfte“ würden die beiden Gutachten von BMAS und BMF publik gemacht, so Nahles‘ Staatssekretärin Yasmin Fahimi auf der Tagung.

 

Gutachten sind das eine, doch noch in dieser Legislatur zu einer konkreten Reform zu kommen, scheint infolge der vielen ungelösten Probleme ohnehin ambitioniert – nicht zuletzt angesichts einer der offenen Kardinalfragen: nämlich ob und wie der Wegfall der Arbeitgeberhaftung in dem Sozialpartnermodell (vulgo: „Nahles-Rente“) durch eben eine solche des Pensions-Sicherungs-Vereins kompensiert werden könnte.

 

 

Nachdenken und Gedanken

 

Kern des Sozialpartnermodells ist bekanntlich, dass die übliche Haftung der Arbeitgeber entfallen und durch eine solche der Pensionseinrichtung kompensiert werden soll. Wie solche Garantien konkret aussehen können, soll nach Ansicht der Gutachter – wenn man Stimmen auf dem Parkett Glauben schenken kann – von den jeweiligen Tarifpartnern selbst gestaltbar sein (theoretisch wäre also auch weniger als eine volle, nominale Beitragsgarantie denkbar). „Über manche Ideen sollten Politiker nochmal nachdenken“, riet auf der Tagung derweil Allianz-Vorstand Andreas Wimmer mit Blick auf derartige Überlegungen, dass Garantien frei festlegbar seien und etwa die Aufsichtsbehörde BaFin dies dann kontrollieren solle. Die Erfahrung mit Kunden zeige, dass Beitragsgarantien zum Ende der Laufzeit den Arbeitnehmern sehr wichtig seien.

 

Zur Absicherung des Sozialpartnermodells schlägt BMAS-Gutachter Marco Arteaga von DLA Piper einen Pensionssicherungsfonds unter dem Dach des PSV vor, wie er in seinem Vortrag auf der Tagung erläuterte – also eine Art PSV II. Über die Frage der Sicherung müsse sich die Politik aber noch Gedanken machen, räumte Peter Görgen, ein. „Man könnte sich aber auch Pensionsfonds ohne Garantien vorstellen“, so der Referatsleiter im BMAS in einer Podiumsdiskussion auf der Tagung.

 

 

Sozialpartnermodell und PSV: mehr Fragen als Antworten

 

Zweifellos dürften Arbeitgeber es begrüßen, in der bAV von der Garantie einer Mindestleistung befreit zu werden. Doch eine Beitragszusage mit externer Mindestgarantie wirft neue Fragen auf. Wie soll die Garantie gesichert werden? Wie sieht die Sicherung dann konkret aus? Und: Ist angesichts siechender Zinsen ein Festhalten an der Mindestgarantie in Höhe der eingezahlten Beiträge mit dann zwangsläufig niedrigrentierlicher Asset Allocation überhaupt sinnvoll? Vor diesem Hintergrund versprach der Vortrag von Hans H. Melchiors auf der Tagung Spannung – die er in freundlicher und fachlich-professioneller Weise löste und zunächst einmal grundsätzlich festhielt: „Ein stabiles und verlässliches Insolvenzsicherungssystem bildet die Grundlage für den weiteren Ausbau der bAV in Deutschland.“ Das Insolvenzrisiko werde durch Risikoausgleich im Kollektiv der 94.000 Arbeitgeber-Mitglieder und Großschäden durch die Dämpfung von Beitragsspitzen durch einen Ausgleichsfonds und ein 2009 erstmals angewendetes Glättungsverfahren beherrscht.

 

 

Hans H. Melchiors auf der 17. Handelsblatt Jahrestagung bAV am 5. April in Berlin. Foto: Dietmar Gust / Euroforum.
Hans H. Melchiors auf der 17. Handelsblatt Jahrestagung bAV am 5. April in Berlin.
Foto: Dietmar Gust / Euroforum.

 

Die Stabilität des Insolvenzsicherungssystems begründet sich in gesetzlicher Verankerung, Langfristigkeit der bAV und kollektiver Risikotragung durch einen großen Teil der deutschen Wirtschaft“, betonte Melchiors das bewährte Rezept. Anhand dieses Maßstabes werfe das Sozialpartnermodell in Sachen Sicherungseinrichtung mehr Fragen auf als es beantworte, so der Experte. Das betreffe nicht nur die Beitragsbemessungsgrundlage für einen wir auch immer gearteten PSV II. Aus Sicht einer Sicherungseinrichtung stellen sich laut Melchiors mindestens drei grundlegende Fragen, die derzeit überhaupt nicht beantwortet sind:

 

1. Die Definition des Leistungsfalls: Leistungskürzung? Oder Zahlungsunfähigkeit? Oder Überschuldung? Oder Insolvenz?

 

2. Die Abwicklung eines Sicherungsfalls: Übernahme der gesamten Verpflichtung mitsamt Vermögen? Oder Übernahme des ungedeckten Teils der Verpflichtung? Oder Ausgleichszahlung an die Gemeinsame Einrichtung? Oder Übertragung der Verpflichtungen auf einen Dritten?

 

3. Die Regelungen, um Risiken zu senken: Aufsichtsrechtliche Regelungen? Risikoausgleich im Kollektiv und in der Zeit? Berücksichtigung von Verhaltensänderungen aufgrund eines versicherten Risikos (Moral Hazard)?

 

Zu klären sei vor allem, welches Kollektiv dann den gewünschten Risikoausgleich übernehme, erläuterte der Melchiors. Da es hier nicht um die Absicherung gegen die Insolvenz einzelner Unternehmen gehe wie im PSV, sondern um die Absicherung von Pensionseinrichtungen, könne nicht der PSV mit dem derzeitigen Kollektiv in die Pflicht genommen werden. „Die Sicherung für diesen hinzukommenden Teil muss also neu gedacht und geregelt werden“, so der PSV-Chef. Auf die Erfahrung des Vereins könne natürlich dabei zurückgegriffen werden.

 

Seinen Vortrag beendete Melchiors mit einer strukturellen Generalkritik an der Politik. „Wenn man die bAV stärken will, muss man zunächst die originären Ziele der bAV klären.“ Als zweiten Schritt müsse die Analyse folgen, welche grundsätzlichen und aktuellen Probleme dazu führen, dass die Ziele nicht erreicht werden. Drittens sei zu klären, welche Interessengruppe (Gesetzgeber, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Anbieter) welche Ziele hat.

 

Viertens müsse danach ein abgestimmter Maßnahmenkatalog („Balanced Scorecard bAV“) durch ergebnisoffenen Dialog entwickelt werden. Fünftens könne man dann schließlich die Rahmenbedingungen für die bAV anpassen, so Melchiors.

 

Legt man diesen Maßstab zugrunde, dürfte die Diskussion sich noch mitten im zweiten Schritt befinden. So glaubt das BMAS offenbar nach wie vor, dass die Haftung der Arbeitgeber das größte Hindernis für die Verbreitung der bAV unter KMU ist und schwört deswegen auf Enthaftung. Das BMF dagegen hält den schlechten Informationsstand bei allen Beteiligten für die Hauptursache mangelnder bAV-Nutzung in KMU.

 

 

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