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Chemie-Tagung zur bAV (I):

Ohne Abstriche!

Nach dem Berliner bAV-Auftakt folgte gestern nach wenigen Tagen eine zweite gut besetzte Tagung zur bAV. Veranstalter waren diejenigen, die nach der Reform mehr Verantwortung übernehmen sollen. LEITERbAV war dabei.

 

Gestern in Berlin, gemeinsame Tagung von BAVC und IG BCE zur bAV: „Neue Wege der Alterssicherung – Chemie Sozialpartner im Gespräch zur bAV-Reform“. Eines der Ergebnisse ließ man anschließend per gemeinsamer Pressemitteilung verlauten:

 

Die Chemie-Sozialpartner rufen die Fraktionen im Deutschen Bundestag auf, die vom Bundeskabinett beschlossene Reform der Betriebsrenten zu unterstützen und ohne Abstriche zügig auf den Weg zu bringen.“

 

Ohne Abstriche“? Das bedeutet also offenbar, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung so wie vorliegend umgesetzt werden möge, ungeachtet dessen, dass sich nach den jüngsten Ausschussempfehlungen des Bundesrates eine abweichende Position der Kammer abzeichnet.

 

Im nächsten Satz der Mitteilung heißt es nahtlos weiter:

 

Aus Sicht von BAVC, IG BCE und R+V hat die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf wichtige Voraussetzungen geschaffen, um die notwendige Verbreitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge maßgeblich voranzubringen.“

 

Bei der in diesem zweiten Satz hinzutretenden R+V handelt es sich bekanntlich um den Versicherer, der die bAV-Strukturen in der Chemiebranche maßgeblich operativ umsetzt. Als Versicherer sollte das Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse an einer Aufweichung des Garantieausschlusses in dem Sozialpartnermodell haben. Doch angesichts der klaren Haltung der beiden auftraggebenden Stakeholder in dieser Frage hätte es wohl für Irritationen gesorgt, wenn man in einer solchen Mitteilung eine dezidiert andere Position eingenommen hätte. Die R+V ist hier offenbar in der Situation, die Lobbyarbeit in dieser Frage eher dem GDV zu überlassen.

 

 

Die Chemie-Arbeitgeber: können damit leben!

 

Margret Suckale auf der Sozialpartnertagung der Chemie-Tarifpartner am 1. Februar 2017 in Berlin. Foto: Reinhardt & Sommer.
Margret Suckale auf der Sozialpartnertagung der Chemie-Tarifpartner am 1. Februar 2017 in Berlin.
Foto: Reinhardt & Sommer.

Eine Pressemitteilung ist das eine, das gesprochene Wort auf der Tagung selbst das andere. Und dem hat LEITERbAV zugehört. Auf dem Podium zum Beispiel Margret Suckale, BAVC-Präsidentin (und im Zivilleben Arbeitsdirektorin im Vorstand der BASF). Angesichts der fortschrittlichen Lage der bAV in der Chemie dürfte ihr das Lob für die Reform nicht schwergefallen sein, das gerafft da lautete: Mehr Kapitaldeckung ist der richtige Weg zu einer zukunftsfesten Altersvorsorge, ebenso die neue Option der reinen Beitragszusage; der Abschied von Garantien bedeutet mehr Planbarkeit für die Unternehmen, damit mehr Mut, bAV anzubieten und darüber hinaus höhere Anlagechancen für die Berechtigten, aber Chancen und Risiken müssen klar kommuniziert und das Vertrauen der Beschäftigten gewonnen werden, denn die Zielrente ist kein Allheilmittel. Spielräume für die Tarifparteien besonders wichtig.

 

Wenig überraschend hat Suckale nur zurückhaltende Wünsche an das weitere Verfahren: Höherer 3.63er-Dotierungsrahmen wäre besser, aber insgesamt können die Chemie-Arbeitgeber mit der Reform gut leben, und die neuen Freiräume werde man nutzen.

 

Ausdrücklich bekannte sich Suckale zu dem harten Garantieausschluss, der insbesondere unter dem Gesichtspunkt der gleichen Wettbewerbsbedingungen unerlässlich sei (es sei hier an die abweichende Position nicht nur der BR-Ausschüsse, sondern auch der BDA in dieser Frage erinnert).

 

 

Die Gewerkschaft: keine Londoner Börse und kein Trouble bitte!

 

Michael Vassiliadis auf der Sozialpartnertagung der Chemie-Tarifpartner am 1. Februar 2017 in Berlin. Foto: Reinhardt & Sommer.
Michael Vassiliadis auf der Sozialpartnertagung der Chemie-Tarifpartner am 1. Februar 2017 in Berlin.
Foto: Reinhardt & Sommer.

Ebenfalls auf dem Podium Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IB BCE. Auch die Chemie-Gewerkschaft ist mit der Reform im Wesentlichen d'accord, dies ergibt sich schon deutlich aus der gemeinsamen, oben zitierten Pressemitteilung. Vassiliadis begrüßte auf der Tagung ebenso die größere Rolle der Sozialpartner, fordert ein Festhalten an der Tarifexklusivität und betonte die Bedeutung der guten Kommunikation: „Wenn wir das nicht aus Sicht der Beschäftigten betrachten, kommen wir in Touble.“

 

Der Gewerkschafts-Chef hatte weitere Warnungen parat: Man sehe zwar die hohen Kosten, welche die bAV in der Niedrigzinsphase für die Unternehmen verursache. Deshalb sei die Enthaftung auch eine Chance. „Aber es kommt nicht infrage, dass wir deshalb generell enthaften.“ Es dürfe nicht die Botschaft an die Beschäftigten gehen, dass die ganze Reform nur eine große Veranstaltung zur Enthaftung sei: „Mindestens muss gewährleistet sein, dass die Enthaftung mit Chancen verbunden ist und nicht nur am Newsticker der Londoner Börse hängt.“

 

Das Publikum auf der Sozialpartnertagung der Chemie-Tarifpartner am 1. Februar 2017 in Berlin. Foto: Reinhardt & Sommer.
Das Publikum auf der Sozialpartnertagung der Chemie-Tarifpartner am 1. Februar 2017 in Berlin.
Foto: Reinhardt & Sommer.

 

Die gestrige Tagung „Neue Wege der Alterssicherung – Chemie Sozialpartner im Gespräch zur bAV-Reform“ der BAVC und IG BCE hat wie erwähnt in zeitlicher Nähe zu dem erwähnten Berliner bAV-Auftakt vom 25. Januar stattgefunden.

 

LEITERbAV wird in den nächsten Tagen sukzessive über weitere Vorträge von beiden Tagungen berichten.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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