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Cross-Border – von Frankfurt nach Wien:

Nicht einfach so nach Österreich

 

Seit Jahren wird in Europa viel über Cross-Border in der bAV diskutiert. Nun hat im Sommer 2015 mit der Nestlé Pensionsfonds AG erstmalig ein deutscher Pensionsfonds den Schritt über die Staatsgrenze gewagt. Dass dies selbst bei gleicher Sprache und artverwandter Rechtsordnung nicht einfach ist, erläutern Bettina Nürk und Jens Macco.

 

 

This proves that the creation of a true internal market for occupational pension schemes is still a distant goal“.

 

Bettina Nürk. Vorstand der Nestlé Pensionsfonds AG.
Bettina Nürk.
Vorstand der Nestlé Pensionsfonds AG.

Dies ist das Fazit der EIOPA in ihrem aktuellen Marktbericht zur Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung in Europa. Danach waren am 1. Juni 2015 lediglich 76 von insgesamt 110.127 IORPs in den Mitglieds- und Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums grenzüberschreitend tätig. Sie repräsentieren einen Anteil am gesamten Deckungskapital von weniger als 1,5 Prozent.

 

 

 

 

Jens Macco. Teamleiter Versicherungsmathematik und Systembetreuung Nestlé Pensionsfonds AG.
Jens Macco.
Teamleiter Versicherungsmathematik und Systembetreuung Nestlé Pensionsfonds AG.

Innerhalb der letzten 12 Monate war nur eine Handvoll von IORPs zusätzlich grenzüberschreitend tätig geworden, davon eine aus Deutschland: die Nestlé Pensionsfonds AG (NPF), die am 13. März 2015 für die Nespresso Österreich GmbH & Co OHG und am 5. Juni 2015 für die Nestlé Österreich GmbH das Notifikationsverfahren nach § 117 VAG beendete und die Zulassung der BaFin zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit in Österreich erhielt.

 

 

Ohne Blaupause drei Jahre von der Planung bis zum Start

 

Seit Juli 2015 führen nun die Nespresso Österreich und die Nestlé Österreich ihre bAV über die Nestlé Pensionsfonds AG (NPF) mit Sitz in Deutschland durch. Insgesamt rund 800 Mitarbeiter mit einem geschätzten jährlichen Beitragsvolumen von 330.000 Euro nehmen teil. Weitere 2,7 Millionen Euro bereits bestehendes Deckungskapital für die Versicherten der Nestlé Österreich werden zum Jahresende von einer österreichischen Versorgungseinrichtung übertragen.

 

Von der ersten Ideenentwicklung bis zum tatsächlichen Start der monatlichen Beitragszahlungen vergingen mehr als drei Jahre. Ein wesentlicher Grund war, dass mit der NPF der erste Pensionsfonds überhaupt aus Deutschland heraus grenzüberschreitend tätig wurde. Dem Projekt fehlte damit eine Blaupause, auf der man hätte aufsetzen können. Die wesentlichen Eckpfeiler zur praktischen Umsetzung der Bestimmungen in § 117 VAG wurden daher in einer intensiven Zusammenarbeit vor allem mit der BaFin, aber auch mit der FMA, der österreichischen Finanzmarktaufsicht, entwickelt.

 

 

Prämienbegünstigte Pensionsvorsorge“

 

Eine große Erleichterung war, dass in ganz wesentlichen Punkten wie den zu verwendeten Rechnungsgrundlagen oder den zu beachtenden Kapitalanlageregelungen die in Deutschland geltenden Regelungen Anwendung finden können. Sehr positiv wirkt sich zudem aus, dass sich die NPF für das staatliche Förderprogramm in der österreichischen bAV qualifizierte. So können österreichische Arbeitnehmer, die freiwillig eigene Beiträge an die NPF leisten, bis zu einem Einzahlungsbetrag von jährlich 1.000 Euro die Förderung gemäß § 108a österreichischem EStG in Anspruch nehmen („Prämienbegünstigte Pensionsvorsorge“). Dies stellt einen wesentlichen Anreiz für die österreichischen Mitarbeiter(innen) dar, überhaupt Eigenbeiträge in die NPF zu entrichten.

 

 

Arbeits- und Sozialrecht als erste Herausforderung

 

Neben sämtlichen deutschen Regelungen müssen gemäß Art. 20 Abs. 5 der europäischen Pensionsfonds-Richtlinie von 2003 auch spezifische Anforderungen des Ziellandes eingehalten werden. Die „Information über zwingende Vorschriften in Österreich“, die der NPF von der FMA über die BaFin vermittelt wurde, gliederte sich in vier Abschnitte:

 

a. Allgemeine gesetzliche Grundlagen

b. Relevante arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften

c. Informationsvorschriften

d. Kapitalanlagevorschriften

 

Weitreichende Vorbereitungsarbeiten bzw. Umsetzungsarbeiten erforderten dabei insbesondere die Punkte b und c. Die arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften des Ziellandes sind nach unserer Erfahrung eine Anforderung, die im Vorfeld auf keinen Fall unterschätzt werden und möglichst frühzeitig geprüft werden sollte. Dies erscheint vor allem auch deswegen sinnvoll, als die Vermutung nahe liegt, dass die Unterschiede in diesen Bereichen zwischen Deutschland und Österreich möglicherweise geringer sein könnten als es zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern der Fall ist. Ebenso sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eventuelle steuerliche Besonderheiten erkannt und eingeschätzt werden. Für Österreich ergaben unsere Untersuchungen sowohl in lohn- wie auch in unternehmenssteuerlicher Hinsicht eine Gleichbehandlung mit der Durchführung über österreichische Pensionseinrichtungen.

 

 

Gleiche Sprache, leichtes Spiel?

 

Auch die Informationsanforderungen, die gegenüber den in Österreich Versicherten gelten, sind nicht unerheblich. Hier war ein großer Vorteil, dass die sprachliche Verständigung zwischen beiden Ländern unproblematisch ist. Bei anderen europäischen Ländern ist diese Voraussetzung so nicht gegeben, und es macht Sinn, sich im Vorfeld gut zu überlegen, wie die Kommunikation mit den Versicherten später überhaupt erfolgen soll. Im Falle von Österreich war es letztlich erforderlich, sämtliche Unterlagen zur Dokumentation und Versichertenkommunikation komplett zu überarbeiten und an die österreichischen Vorschriften anzupassen.

 

 

Die Frage der Versicherungsförmigkeit

 

Ein wesentliches Hindernis, das den ursprünglichen Zeitplan der Grenzüberschreitung um fast ein Jahr verzögerte, war die Anforderung einer versicherungsförmigen Durchführung in der Rentenbezugsphase. Hintergrund ist das Zusammenwirken des § 3 Absatz 2 PFDeckRV, der Zusagen ohne versicherungsförmige Garantien regelt, mit den §§ 112 Abs. 1a VAG und 117 Abs. 1 VAG. Letzterer regelt, dass bei grenzüberschreitender Tätigkeit eines Pensionsfonds unter anderem § 112 Abs. 1a VAG keine Anwendung findet. Damit geht der Verweis von § 3 Abs. 2 PFDeckRV auf § 112 Abs 1a VAG ins Leere und findet in letzter Konsequenz für das grenzüberschreitende Geschäft keine Anwendung.

 

Es ist unseres Erachtens davon auszugehen ist, dass der Effekt der Streichung des § 112 Abs. 1a VAG im § 117 Abs. 1 VAG für das grenzüberschreitende Geschäft eher ein Versehen des Gesetzgebers als wirkliche Intention war – denn grundsätzlich sollte die Einschränkung des Regelungsumfangs sicherlich eher dazu dienen, grenzüberschreitende Tätigkeiten zu erleichtern anstatt sie zu erschweren. Gleichwohl war der gesetzliche Sachverhalt eindeutig: Die Nestlé Pensionsfonds AG kam – als reiner „nicht-versicherungsförmiger“ Pensionsfonds – für die Administration der Rentner in Österreich nicht in Frage, und es musste eine alternative Lösung gefunden werden. Diese bestand letztlich darin, eine unserer beiden deutschen Pensionskassen als Rückdeckungsversicherung für den Pensionsfonds einzubinden.

 

Ein gewisses Ärgernis bereitet übrigens, dass bei der zum Jahresende anstehenden Übertragung des bestehenden Deckungskapitals von 2,7 Millionen Euro die in Österreich geltende Versicherungssteuer fällig wird. Damit werden die zugrunde liegenden Beiträge letztlich doppelt besteuert. Die entsprechenden Mehrkosten werden vom Trägerunternehmen in Österreich übernommen.

 

Die strategische Asset Allocation des NPF. Quelle: Nestlé. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Die strategische Asset Allocation des NPF.
Quelle: Nestlé.
Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

 

Grenzüberschreitung in Europa möglich – sehr aufwändig – Scheitern ist nicht ausgeschlossen

 

Fazit: Zweifelsohne bot Österreich für den ersten Versuch einer Grenzüberschreitung der Nestlé Pensionsfonds AG eher günstige Voraussetzungen in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtlichen sowie die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Sprachliche Barrieren bestehen nicht, und mit 800 Mitarbeitern bzw. geschätzt 330.000 Euro Beitragseinnahmen p.a. sowie einem zu übertragenden Deckungskapital von 2,7 Millionen Euro waren auch die Größenordnungen und die damit verbundenen Risiken überschaubar. Trotzdem war die Umsetzung nicht einfach und sehr zeitintensiv. Der Weg ins Ausland ist damit nach unserer ersten Erfahrung für eine (deutsche) Pensionseinrichtung trotz der Absichtsbekundungen auf europäischer Ebene, die Grenzüberschreitung im bAV-Geschäft zu erleichtern, nach wie vor mit einem erheblichen Aufwand verbunden und birgt durchaus die Gefahr eines Scheiterns in sich.

 

 

Bettina Nürk ist Vorstand der Nestlé Pensionsfonds AG. Jens Macco ist Teamleiter Versicherungsmathematik und Systembetreuung Nestlé Pensionsfonds AG.

 

 

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