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Sozialpartner im Modellversuch (II):

Nicht auf die Schnelle

Dienstag vorvergangener Woche in Berlin, eine weitere Podiumsdiskussion auf der 18. Handelsblatt Tagung bAV: Der Moderator spricht mit Industrie, Arbeitgeberverband und Gewerkschaft. LbAV-Autor Detlef Pohl war dabei – und stellt fest, dass es offenbar niemand wirklich eilig hat.

 

Zugegeben: Moderator Heribert Karch, Vorstandschef der aba und zugleich Geschäftsführer der tariflich aufgesetzten Metallrente, hat es nicht leicht. Denn noch ist das Gesetz nicht fertig, und doch sollen die Diskutanten schon mit Ideen zur Umsetzung in ihren Branchen und Firmen glänzen. Karch fragt zum Einstieg, was passierte, wenn es im Gesetz noch zu einer „Lex Direktversicherung“ käme, also im Sozialpartnermodell doch noch freiwillige Garantien der Versicherer zugelassen würden? Die Antwort von Arbeitgeberseite ist unmissverständlich:

 

Freiwillige Garantien gehen gar nicht“, stellt Michael Dick, Hauptgeschäftsführer Südwestmetall, klar. Er könne sich auch „nicht vorstellen, dass die Politiker den Leuten das Geld wegnehmen wollen, das Garantien unweigerlich kosten würden“. Sollten solche Garantien dennoch kommen, stünde die Enthaftung für Arbeitgeber in Frage. „Mit Südwestmetall gäbe es unter diesen Umständen keinen Sozialpartner-Tarifvertrag, definitiv nicht“, so Dick glasklar. Dick hat diese Position zwischenzeitlich in einem Kommentar auf LEITERbAV ausführlich bekräftigt.

 

 

Mit Garantie wäre nichts Besseres

 

Die Chemieindustrie (die schon auf der Podiumsdiskussion des Vortages prominent vertreten war) hat bekanntlich schon seit längerem eine Art Sozialpartnermodell in Form eines Tarifvertrages, der über den Branchen-Pensionsfonds Beitragszusagen mit Mindestleistung bietet. Wäre nun ein neuer bAV-Tarifvertrag ohne Garantien eine Option, will der Moderator wissen. Antwort von Michael Mostert, Tarifjurist bei der IG BCE: „Man schafft das auch ohne Garantie. Arbeitnehmer bekämen mit Garantie als Ausgleich für die Enthaftung des Arbeitgebers nichts Besseres als im bestehenden System.“ Daher spreche alles dafür, bei der reinen Beitragszusage auf Garantien zu verzichten.

 

 

Nicht zum 1. Januar 2018…

 

Jedoch: Wenn der Deckungsgrad zwischendurch nicht ausreicht, könnte es zu abgesenkten Betriebsrenten kommen, hakt Karch nach, „denn der Arbeitgeber ist ja aus der Haftung raus“. Man habe auch schon bei der Einführung des Chemie-Pensionsfonds 2002 anfangs erhebliche Widerstände gespürt, entgegnet Mostert, die nun erst recht zu erwarten seien, da bei der reinen Beitragszusage kein Leistungsversprechen definiert werde.

 

Peer-Michael Dick (Südwestmetall), Evelyn Stoll (Volkswagen AG), Moderator Heribert Karch (aba), Michael Mostert (IGB CE) und Dirk Jargstorff (Robert Bosch GmbH) auf der Tagung am 27. März 2017, v.l.n.r..
Foto: Dietmar Gust / Euroforum.

Deswegen werden wir auch kaum schon zum 1. Januar 2018 mit einem entsprechenden bAV-Tarifvertrag an den Start gehen“, dämpft er vermeintliche Hoffnungen in diese Richtung. Das werde erheblich mehr Zeit in Anspruch nehmen, zumal die Steuerungs- und Beteiligungsmöglichkeit der Sozialpartner an einer Versorgungseinrichtung dauerhaft gewährleistet sein müsse. „Es fehlt im Gesetz an dieser Stelle noch die aufsichtsrechtliche Flankierung“, so der Gewerkschafter. Ohne diese sei das nur eine halbe Sache.

 

Das sehen die Südwestmetall-Arbeitgeber genau so. Es sei illusorisch zu glauben, bereits für Anfang 2018 mit einem bAV-Tarifvertrag nach BRSG zu rechnen. „Das dürfte frühestens Anfang 2019 der Fall sein“, prophezeit Dick, der jedoch offen lässt, welche Organisationsform dafür in Frage käme, auch wenn er persönlich eine Präferenz habe. „Wir sind ja sehr geübt im Formulieren von Leistungsbeschreibungen, da wird uns auch gemeinsam etwas einfallen für die Rentenphase, damit der Arbeitnehmer auch ohne Garantieversprechen eine vernünftige Leistungsperspektive erkennt“, so Dick weiter, und mit der Beteiligungsmöglichkeit bei bestehenden Versorgungseinrichtungen solle man es angesichts zahlreicher Tarifverträge nicht zu bürokratisch sehen, weil sonst jeder Arbeitgeber in irgendeiner Form beteiligt sein müsse.

 

 

…und auch sonst keine Eile

 

Der Gesetzentwurf sieht bislang eine Tarifvertragsexklusivität für das Sozialpartnermodell vor. Ob die Industrie damit leben könne, will Karch von Vertretern von VW und Bosch wissen. „Der internationale Vergleich erlaubt einen gewissen Optimismus, dass wir das hinbekommen könnten“, antwortet Dirk Jargstorff, Abteilungsdirektor Betriebliche Versorgungsleistungen der Robert Bosch GmbH. Man müsse abwarten, was dann im Detail tatsächlich Gesetz werde.

 

Distanzierter gibt sich Evelyn Stoll, Leiterin bAV der Volkswagen AG und im aba-Vorstand Leiterin der Fachvereinigung Direktzusage. „Wir sind im Konzern im Rahmen des Haustarifvertrages in der bAV bereits seit längerem unterwegs, allerdings mit Direktzusagen – neben der arbeitgeberfinanzierten bAV im Übrigen auch für die Entgeltumwandlung. Da die reine Beitragszusage nach BRSG den Durchführungsweg Direktzusage nicht betrifft, stellt sich für uns bei VW das Thema im Moment nicht“, so Stoll weiter. In externen Durchführungswegen, die für die Portabilität wichtig sind, aber neben der Direktzusage eher „stiefmütterlich behandelt werden“, könne man sich eine Beteiligung am Sozialpartnermodell und dann gegebenenfalls auch eine reine Beitragszusage vorstellen. „Da beobachten wir als Direktzusage-Haus erst mal die Szene und müssen nicht die Vorreiter sein“, zeigt sich Stoll entspannt.

 

 

Sozialpartnermodell kontra Direktzusage?

 

In Unternehmen, die ihre Direktzusagen beibehalten möchten und dem Flächen-Tarifvertag unterliegen – im VW-Konzern sind dies unter anderem MAN, Audi und Porsche –, sieht Stoll grundsätzlich Zurückhaltung. Ein Tarifvertrag zum Sozialpartnermodell könne dabei bestehenden bAV-Lösungen zumindest psychologisch das Wasser abgraben, befürchtet sie. Wenn man künftig in nennenswertem Umfang Arbeitgeberbeiträge über Tarifverträge für die reine Beitragszusage abverlangen sollte, könnten sich Direktzusage-Häuser generell fragen, warum sie noch freiwillig etwas obendrauf geben sollten. Dann wäre die Direktzusage vielleicht wirklich nur noch für Besserverdienende oder heiß umworbene Fachkräfte relevant. Um dies zu vermeiden, seien entsprechende Öffnungsklauseln in Tarifverträgen notwendig.

 

 

Riester-bAV bleibt unattraktiv?

 

Chemiegewerkschafter Mostert erinnert daran, dass der laufende Chemie-Tarifvertrag stark auf Entgeltumwandlung abstelle und bereits 80 Prozent der Arbeitnehmer erfasse, flankiert von Arbeitgeberzuschüssen. „Wir haben keinen Handlungsdruck bei der Ausweitung der bAV“, so Mostert. Das betreffe wohl auch die künftig verbesserte Riester-Förderung, die bereits im Chemie-Tarifvertrag von 2001 ganz bewusst nicht begünstigt worden sei. „Wir werden abwarten, ob die Nachfrage nach Riester mit der neuen Förderung ab 2018 steigt“, erklärt Mostert. Eher dürfte der Arbeitgeber-Förderbeitrag von bis zu 144 Euro pro Jahr ein Anreiz sein, auch bei Geringverdienern auf tarifliche bAV-Leistungen aufzusetzen, schätzt er und will seinen Tarifsekretären diese Option zumindest bei kleinen Einkommensgruppen empfehlen, weil man dort neben einer hohen Förderquote als positive Nebenwirkung erreiche, dass sich die Gewerkschaft bei einer laufenden Tarifrunde dies sich nicht voll auf das Tarifergebnis anrechnen lassen müsste, soweit der Arbeitgeber das Geld von der Finanzverwaltung zurückbekommt.

 

Und die Geringverdienergrenze, solle man die auf von 2.000 auf 2.500 Euro aufstocken, fragt Karch. „Natürlich sind wir für eine Aufstockung“, antwortet Mostert, „aber nicht, weil wir dort zwingend die Geringverdienergrenze sehen, sondern weil dadurch die gesamt-Förderquote beim Arbeitgeber erhöht und damit der tarifpolitische Anreiz verstärkt wird.“

 

Die neue Riester-Förderung sei doch für Geringverdiener lukrativer, wenn die SV-Pflicht in der Rentenphase künftig entfällt, wird aus dem Publikum eingewandt, das könne man doch nicht wegdiskutieren. Mostert erwidert, dass man sich vor über 15 Jahren unter anderen Vorzeichen gegen die Riester-bAV entschieden habe. „Bei neuer Ausgangslage werden wir sicherlich neu darüber nachdenken, vorerst lassen wir das offen“, so Mostert.

 

Abschließend fasst Dick die Eckpunkte aus seiner Sicht zusammen: Unverzichtbar seien „eine komplette Enthaftung des Arbeitgebers, eine schlanke Struktur des Modells, gute Skaleneffekte, keine 'Tariflocken' und eine kostengünstige Kapitalanlage“. Wenn zudem vernünftige Angebote für die reine Beitragszusage auf betrieblicher Ebene und ein betriebliches Opting-out machbar wären, „ist für uns die Sache rund“, setzte Bosch-Mann Jargstorff den Schlusspunkt.

 

 

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