Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Rechnungszins nach 253 – nun also doch (II):

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

 

Gestern erfolgte der Kabinettsbeschluss, so dass sich die Ausdehnung des Durchschnittszeitraumes auf zehn Jahre nun konkretisiert. Jedoch: Ein wirklich großer Wurf ist das nicht.

 

Gestern berichtete LEITERbAV über die Absicht der Koalition, für Unternehmen mit Pensionsrückstellungen die bilanziellen Effekte der Zinsschmelze abzumildern, indem nunmehr statt der bis dato stets angedachten Verlängerung des Zeitraumes der Durchschnittsbildung nach § 253 HGB auf 12 Jahre eine Verlängerung des Zeitraumes der Durchschnittsbildung von 7 auf 10 Jahre erfolgt.

 

Gestern nun hat das Bundeskabinett den Änderungsvorschlag zum Regierungsentwurf zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie beschlossen, an die die Maßnahme angehängt werden soll. Die Regelung soll für Geschäftsjahre gelten, die nach dem 31. Dezember 2015 enden, darf aber rückwirkend angewendet werden. Sie steht damit wahlweise auch für Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2015 offen.

 

Wie das Institut der Wirtschaftsprüfer gestern mitteilte, lag der 253er-Zins, bis dato ermittelt per 7Jahres-Durchschnitt, zum 31. Dezember 2015 bei rund 3,9 Prozent. Dabei gilt nach HGB: Mit jedem Prozentpunkt, den die Zinsen fallen, erhöhen sich die Pensionsrückstellungen um etwa 15 bis 20 Prozent, ohne dass auf der Aktivseite Wertsteigerungen aus Zinsänderungen entsprechend gezeigt werden dürfen – anders als nach IFRS IAS 19.

 

 

Begeisterung hält sich in Grenzen

 

Professor Klaus-Peter Naumann. Sprecher des Vorstands des IDW.
Professor Klaus-Peter Naumann.
Sprecher des Vorstands des IDW.

Wirklich begeistert ist das IDW von der Maßnahme nicht. Zwar sei die Initiative eine wichtige Antwort auf das Niedrigzinsumfeld, doch „abweichend vom Kabinettsentwurf sind wir der Auffassung, dass eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums auf 15 Jahre besser geeignet wäre“, so Professor Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands des IDW, denn dies entlaste die Unternehmen nachhaltiger und sei theoretisch begründbar, denn es entspräche der durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter eines Unternehmens. „In dieser Zeit haben die Mitarbeiter die Pensionsansprüche erdient und die Auszahlung dem Unternehmen bis zur Rentenzahlung gestundet“, so Naumann weiter.

 

Auch eine Zinsfestschreibung – beispielsweise auf 4,5 Prozent – biete sich laut IDW an, zumindest wenn man nicht grundsätzlich am Modell eines variablen Zinssatzes festhalten wolle (was ja in der Steuerbilanz bekanntlich der Fall ist). Das IDW verweist in diesem Zusammenhang zurecht darauf, dass Bewertungsschwankungen, die lediglich auf Zinsbewegungen basieren, keinen wirtschaftlichen Aussagewert haben, soweit das Geschäftsmodell auf Halten und nicht auf einen Handel der zinsreagiblen Aktiva und Passiva angelegt ist. Dazu kann man ergänzen, dass kein Rechnungszins der Welt am Ende des Tages irgendeine Cashflow-Wirkung in Zusammenhang mit den tatsächlich auszuzahlenden Renten hat.

 

Bewertungsgewinne, die durch die Neuregelung entstehen, sollen nach dem Regierungsentwurf nicht für Ausschüttungen zur Verfügung stehen. Diese Überlegung hält das IDW im Sinne der angestrebten Stärkung der Unternehmen für nachvollziehbar. „Allerdings sieht der jetzige Vorschlag eine dauerhafte Parallelberechnung und damit kontinuierliche Neuermittlung eventuell ausschüttungsgesperrter Beträge vor“, bemängelt das Institut und befürchtet übermäßige Komplexität. „Eine einmalige Ermittlung des Differenzbetrags aus der Bewertungsanpassung und dessen pauschale ratierliche Auflösung würde die Bürokratiebelastung für die Unternehmen deutlich eingrenzen“, so Naumann.

 

 

Unionsinterne Kritik an der Ausschüttungssperre

 

Professor Heribert Hirte, CDU MdB. Foto: Tobias Koch.
Professor Heribert Hirte, CDU MdB.
Foto: Tobias Koch.

Die Verantwortlichen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßen das Vorhaben wenig überraschend, doch tun auch sie dies nicht uneingeschränkt. So wertet Professor Heribert Hirte, direkt gewählter Abgeordneter aus Köln und zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für das Handelsbilanzrecht im Rechtsausschuss, den Vorstoß „als Schritt in die richtige Richtung, wie ihn die Unionsfraktion als Reaktion auf die Niedrigzinsphase schon seit langem fordert.“ Ob der jetzt gewählte Zeitraum von zehn statt sieben Jahren tatsächlich ausreiche, um Unternehmen von künstlich hochgerechneten Verbindlichkeiten zu entlasten, werde jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch zu diskutieren sein. „Eine Ausweitung auf 15 Jahre hätten wir für optimal gehalten. Ebenfalls zu prüfen ist die Frage, ob die zum Teil als Wahlrecht ausgestaltete Anwendung der Neuregelung den Interessen aller Beteiligten gerecht wird“, so Hirte weiter.

 

Kritisch betrachten Hirte und sein Fraktionskollege, der Finanzpolitiker Fritz Güntzler, auch die Ausschüttungssperre, denn „diese Regelung schafft großen bürokratischen Aufwand für die Unternehmen.“ Künftig müssten zwei Rückstellungsbeträge nach altem und neuem Recht mit unterschiedlichen Zinssätzen berechnet werden. „Wenn eine Ausschüttungssperre politisch gewollt ist, sollte sie sich lediglich auf den Betrag aus der erstmaligen Umstellung beziehen. Dieser Betrag ist dann über die Jahre sukzessive aufzulösen“, so Güntzler.

 

 

Zu wenig – zu spät: Mercer mit klarer Kante gegen das BMF

 

Kein Blatt vor dem Mund nimmt man derweil bei Mercer, wo man sich mit dem Vorstoß sichtlich unzufrieden zeigt und das BMF als Bremser in dieser Sache identifiziert. So schreibt der Berater auf seiner Internetseite (Auszüge):

 

Ein fauler Kompromiss, der zudem erhebliche Hektik bei den Bilanzerstellern nach sich ziehen wird. […] Während die aba im Frühjahr 2015 eine Verlängerung des Durchschnittszeitraumes von 7 auf 15 Jahre ins Gespräch gebracht hat, wurden im BMJ lange Zeit 12 Jahre als die richtige Lösung gepriesen. Auf Betreiben des BMF hat man sich nun auf 10 Jahre geeinigt – eine deutlich schwächere Lösung als gewünscht.“

 

Geradezu kontraproduktiv und verschlimmbessernd sieht Mercer offenbar die Rolle des BMF:

 

Ebenfalls auf Wunsch des BMF soll die Differenz zwischen den Pensionsrückstellungen nach alter und nach neuer Regelung einer Ausschüttungssperre unterliegen. Für viele Unternehmen war allerdings gerade die ausschüttungsbegrenzende Wirkung der Niedrigzinsphase problematisch. Diese Unternehmen erhalten durch die Änderung keinen Vorteil. Im Gegenteil: Sie benötigen nun zwei parallele Berechnungen, weil der 10-Jahres-Durchschnitt für die Bilanz und der 7-Jahres-Durchschnitt für die Ausschüttungsbemessung maßgeblich sind.“

 

Unglücklich für die Praxis dabei auch das Timing des Gesetzgebers:

 

Die neuen Regeln sollen verbindlich für Stichtage ab dem 31.01.2016 sein. Angesichts dessen, dass die Jahresabschlussarbeiten für die frühen Bilanzstichtage des Jahres 2016 bereits auf vollen Touren laufen und das Gesetz frühestens Ende Februar verabschiedet sein wird, ergeben sich große Unsicherheiten für die bilanzierenden Unternehmen. Für Geschäftsjahre, die im Jahr 2015 beginnen und enden (also i.d.R. nur für den Bilanzstichtag 31.12.2015), sollen die neuen Regeln freiwillig anwendbar sein. Größere Unternehmen haben ihre Bücher aber ohnehin bereits geschlossen. Hier kommt der Gesetzentwurf ein halbes Jahr zu spät.“

 

Schließlich der finale Appell des Beraters an etwas, dass man derzeit nicht allzu häufig im politischen Berlin findet:

 

Der gesunde Menschenverstand gebietet es dem Gesetzgeber, hier noch eine Änderung vorzunehmen und die Anwendung der alten Regeln mindestens für Bilanzstichtage bis zum 31.05.2016 zu erlauben.“

 

 

Wie geht es nun weiter?

 

Für das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist die Anhörung für den 15. Februar und die zweite und dritte Lesung im Bundestag für den 18. und 19. Februar vorgesehen, die zugehörige Bundesratssitzung findet am 26. Februar statt. Die Angelegenheit wird – da das Gesetzgebungsverfahren über den Status des Regierungsentwurfes hinaus ist – nun zunächst über die Koalitionsfraktionen und den zuständigen Berichterstatter in den Finanzausschuss eingebracht. Der Änderungsantrag muss dann einen Tag nach der Anhörung am 15. Februar im Ausschuss beschlossen werden. Der Bundestag wird dann entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses das Gesetz mit der Änderung für den 253 HGB beschließen (Zweifel daran würden die heutige Rolle des Gremiums wohl überhöhen). Damit könnte die Regelung Ende Februar / Anfang März nach Veröffentlichung inkraft treten.

 

Kassandrisches Fazit von LEITERbAV: In diesen Tagen und Jahren ist man als Bürger der Bundesrepublik Deutschland in allen Lebensbereichen froh und dankbar um jede echte umgesetzte politisch-legislative Maßnahme, die über bloße politische Lippenbekenntnisse hinausreicht. Das betrifft die betriebliche Altersversorgung nicht minder. Insofern gilt: Mühsam ernährt sich das bundesdeutsche Eichhörnchen.

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.