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79. aba-Jahrestagung (II):

Mikado-Spielchen

Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Dieser Mikado-Strategie wollten wohl auch die Vertreter der Tarifparteien in der Diskussionsrunde der aba-Jahrestagung folgen.Doch der Moderator agierte geschickt. Rita Lansch war für LEITERbAV dabei.

 

Zu Beginn ließen sie sich nur zögerlich in die Karten gucken, doch im Laufe der von aba-Chef Heribert Karch moderierten Podiumsdiskussion wurden die Tarifparteiler dann doch gesprächig. „Mikado“ nannte Karch die anfängliche Zurückhaltung seiner Gesprächspartner von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite – ganz nach dem Motto, wer sich zuerst bewegt hat verloren.

 

Anfangs blieben die Diskutanten also im Vagen. Auf einer Skala von 1 (bringt nix) bis 10 (erzeugt Aufbruchsstimmung) bewerteten sie das BRSG mit einer neutralen 5 – nur Lutz Mühl vom Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) traute dem Gesetz eine 6,5 zu, was allerdings noch weit entfernt von echter Aufbruchsstimmung ist. Es scheint, als liebe niemand so recht die Braut, die Vater Staat ihnen zuführen will. Doch scheinen alle zumindest überzeugt, dass es klüger ist, die Vernunftehe nicht auszuschlagen, denn was andernfalls droht, will erst recht niemand: Die Stärkung eines Nebenbuhlers in der ersten Säule – womöglich in Form einer Deutschlandrente. Eine derartige „Rolle rückwärts“ wollen auch die Gewerkschaften nicht erleben, was sie in der Frage des Tarifvorbehalts durchaus versöhnlicher stimmt.

 

 

Tarifvertrag nicht vor Mitte 2018

 

Immerhin schmeckt das Hochzeitsmahl: „Das ist das größte Stück Fleisch, das wir seit langer Zeit auf den Teller bekommen“, mahnte Oliver Zander, Gesamtmetall, die aba-Mitglieder zuzugreifen. „Das dürfen wir nicht vorbeigehen lassen.“ Die Tarifparteien kämen gar nicht umhin, etwas zu machen, meinte er. Nur, die Arbeitgeber seien in der komfortablen Position, erst mal abzuwarten, was die Gewerkschaften fordern.

 

Lutz Muehl, Michael Mostert, Heribert Karch, Oliver Zander und Kerstin Schminke (v.l.n.r.) auf der 79. aba-Jahrestagung. Foto aba / Sandra Wildemann.

 

Die so herausgeforderten Vertreter nahmen den Ball auf offener Bühne zunächst natürlich nur ungern an. Und Eile besteht ohnehin nicht. Kerstin Schminke vom Vorstand der IG Metall sagte auf Nachhaken Karchs: „es dauert noch etwas“; Michael Mostert von der IG BCE schätzt, dass sie konkret „nicht vor Mitte nächsten Jahres“ einen Tarifvertrag haben werden. Ihm dürfte das Thema ohnehin nicht unter den Nägeln brennen, weil die Chemiebranche bereits auf eine stolze Verbreitung von 80 Prozent bei der Entgeltumwandlung verweisen kann. Viel mehr dürfte auch mit Opting-Out kaum rauszuholen sein, belegten Studien aus Großbritannien.

 

 

Ohne Enthaftung chancenlos

 

Gesamtmetaller Zander resümierte die Erfolge der Tarifparteien folgendermaßen: „Die Nichtanrechnung auf die Grundsicherung ist der Riesenerfolg der Gewerkschaften, unserer ist die Enthaftung der Arbeitgeber.“ Letztere sind offenbar fest entschlossen, sich die Enthaftung nicht mehr nehmen zu lassen. Das Nachsehen hat – Stand heute – ausnahmsweise die starke Versicherungslobby, die dem Vernehmen nach gegen das vorgesehene Garantieverbot neuerdings aus Bayern heraus opponieren soll. Zwar schließen Enthaftung und Garantie sich nach Ansicht einiger Rechtsgutachter theoretisch nicht aus. Doch die Rechtsprechung folgt in der Praxis nicht selten eigenen Wegen, so dass das Risiko bestünde, dass „der denkbar am weitesten links stehende Arbeitsrichter“ (Zander) irgendwann in ferner Zukunft eine nur von der EbAV ausgesprochene Garantie doch dem eigentlich enthafteten Arbeitgeber zuordnen könnte.

 

Deshalb ist Vorsicht auf Arbeitgeberseite die Mutter der Porzellankiste: „Mit Garantie ist das ganze Modell kaputt“, argumentierte Zander. Er nehme „an vielen Stellen Nachschusspflichten von Arbeitgebern in zweistelliger Prozenthöhe“ wahr. Auch für Mühl wäre die Attraktivität verschwunden. „Wenn die Arbeitgeber nicht glasklar enthaftet werden, wenden sie sich ab. Dann machen viele nicht mit“, warnte er.

 

 

Basarhandel befürchtet

 

Ein anderes interessantes Argument entlockte Karch in diesem Zusammenhang Gesamtmetall-Mann Zander. Dessen Befürchtung: dass ohne ein gesetzliches Garantieverbot die Gewerkschaften sich die Garantie in den Tarifverhandlungen abkaufen lassen könnten; mit anderen Worten, dass eine Art Basarhandel entstünde. Auch deshalb seien die Arbeitgeber ganz klar gegen eine Aufweichung des Garantieverbots.

 

Die Versicherer sind ja ebenfalls große Arbeitgeber. Womöglich überdenken sie ihre Rolle vor diesem Hintergrund nochmal. Ohnehin versteht kaum einer der Referenten, warum die Versicherer so vehement gegen das Garantieverbot zu Felde ziehen und sich gleichzeitig im Neugeschäft immer stärker der klassischen Garantien entledigen.

 

Für die Gewerkschaften zählt indes ohnehin eher der im BRSG vorgesehene Arbeitgeber-Zusatzbeitrag als Sicherheitsausgleich für den Wegfall der Garantie. Das ist eine Sollbestimmung. Doch keinen Zweifel ließen die Gewerkschaftsvertreter daran, dass aus dem Soll ein Muss werden soll – oder muss.

 

 

Die Presseschau entfällt.

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