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BVV legt Jahresabschluss vor (II):

„Irgendeinen Tod muss man sterben“

Über eine höhere Nettoverzinsung und über die Rolle von Alternatives, über Volatilitäten, Risikokennzahlen und Währungsexposure – und wo man bereits Gewehr bei Fuß steht. Mit dem Vorstand Kapitalanlage des BVV sprach Pascal Bazzazi.

 

 

Herr Jakubowski, der BVV konnte vergangene Woche für 2016 eine um 0,9 Prozent höhere Nettoverzinsung vermelden. Worauf kann man das grundsätzlich zurückführen?

 

Wir haben unsere Strategische Asset Allocation an die Kapitalmarktverhältnisse angepasst und dabei im letzten Jahr in den Fondsmandaten, insbesondere Public Debt, zugunsten von Private Debt und Equity, deutlich zurückgefahren.

 

 

In der Meldung des BVV zum Jahresabschluss ist von „großen Anstrengungen“ in der Kapitalanlage die Rede. Was ist damit gemeint?

 

Rainer Jakubowksi, BVV.

Im ersten Quartal 2016 haben wir in Abstimmung mit unseren Gremien ein Projekt zur Überprüfung unserer Strategischen Asset Allocation abgeschlossen und daraus ein umfangreiches Maßnahmenpaket abgeleitet, um aufgrund des weiterhin extrem niedrigen Zinsniveaus ausbleibende Zinserträge zu substituieren. Daraus resultierten auch entsprechende Portfoliobewegungen. Insbesondere konzentrierten sich die Anpassungen auf extern mandatierte Asset-Klassen, weil es derzeit keine adäquaten Wiederanlagemöglichkeiten im Direktbestand gibt.

 

 

Wie sieht denn Ihre SAA derzeit, also zum Stichtag Ende 2016, damit insgesamt aus?

 

Wir haben knapp 64 Prozent Anleihen, knapp 4 Prozent Finanzierungen, gut 14 Prozent Aktien, immerhin über 13 Prozent Alternatives inklusive Real Estate, der Rest sind Absolute Return und andere Assets.

 

 

Sie müssen auch künftig einen kalkulatorischen Rechnungszins von bis zu 4 Prozent zu erwirtschaften Wie umschreiben Sie Ihre grundsätzliche Kapitalanlagestrategie hierzu?

 

Angesichts der Renditeerfordernisse haben wir den Ausbau der alternativen Zinsanlagen im letzten Jahr weiter forciert. Neben Infrastruktur- und Immobilienfinanzierungen wurden im vergangenen Jahr die Bausteine Unternehmens- und Flugzeugfinanzierung mit Hilfe externer Partner aufgesetzt. Diese Investments werden in den kommenden Jahren ein substanzielles Volumen von circa zehn Prozent des Portfolios erreichen und so zu einer Stabilisierung der Ertragskraft beitragen. Auch die Investments in Aktienstrategien haben wir weiter ausgebaut. In der illiquiden Asset-Klasse Alternatives – Immobilien, Infrastruktur und Private Equity – sind seit Jahren Investitionsprogramme etabliert, die im Saldo zu einer höheren Allokation in diesem Bereich führen werden.

 

 

Wie wollen Sie mit der damit einhergehenden höheren Vola umgehen? Hinnehmen oder steuern?

 

Irgendeinen Tod muss man sterben. Die Kapitalmärkte haben sich in den letzten Jahren strukturell verändert. Die erzielbaren Erträge sind gravierend gesunken, die Volatilität hat dagegen deutlich zugenommen. Wie bereits erwähnt, haben wir unsere Strategische Asset Allocation im letzten Jahr auf die Marktgegebenheiten angepasst. Dabei haben sich die Risikokennzahlen letztlich aber nicht verschlechtert. Vielmehr haben sich die Ertragschancen vergrößert. Wir bewegen uns aktuell bei rund 50 Prozent zinstragendem Direktbestand und 50 Prozent Fondsanlagen, die im HGB-Umfeld durch eine höhere Volatilität gekennzeichnet sind. Der Volatilität begegnen wir unter anderem durch geeignete Overlay-Strategien, Investments mit adäquaten Rendite-Risiko-Profilen, wie zum Beispiel Wandelanleihen und Absolute Return Mandaten in unterschiedlichen Asset-Klassen. Ebenso nutzen wir drei Währungsmanager, um die Volatilitäten in den Fremdwährungen zu steuern. Aufgrund unserer Größe und der mangelnden Alternativen an Anlagemöglichkeiten hat unser Währungsexposure in der Vergangenheit weiter zugenommen. Persönlich bin ich allerdings kein Freund von Währungen als Anlageklasse, da hier der politische Einfluss das Ergebnis dominieren kann.

 

 

Sie sprachen bereits über Ihre 13 Prozent Alternatives. Gibt es welche, die Sie bevorzugen und welche, die Sie meiden? Und was machen sie selbst?

 

Der BVV besetzt ein weites Spektrum alternativer Anlagen. Dazu gehören insbesondere Real Estate mit einem Anteil von aktuell rund 10 Prozent an der Kapitalanlage. Aber auch Infrastructure Debt und Equity, Private Equity oder Loans finden sich in unserem Portfolio wieder. 2013 haben wir uns allerdings aus taktischen und ethischen Gründen entschlossen, bis auf Weiteres keine Investments mehr in Commodities zu tätigen, um den Bestand komplett zurückzufahren. Solange es sich nicht um zinstragende Wertpapiere im Direktbestand handelt, bilden wir sämtliche Investments über externe Manager und unterschiedliche Vehikel ab.

 

 

Welche Rolle spielen Investment Consultants dabei?

 

Grundsätzlich nutzen wir Investment Consultants nur in Bereichen, in denen wir keine Expertise vorhalten und es sich auch nicht lohnt, diese aufzubauen, beispielsweise bei Flugzeugfinanzierungen. Daneben hat sich übrigens der Einsatz von „Fee-Beratern“ in der Praxis bewährt, und es gibt wiederkehrende Projekte unter Nutzung von externem Know-how. Wir stellen regelmäßig unsere Gebührenstrukturen auf den Prüfstand und nutzen die Expertise der Berater bei komplexen Neuanlagen.

 

 

Wenn Sie angesichts der Lage grundsätzlich bereit sind, höhere Vola zu nehmen, wie ist denn Ihre grundsätzliche Einschätzung zu der mittel- und langfristigen Zinsentwicklung?

 

Prognosen zu Zinsentwicklungen liegen in den meisten Fällen deutlich daneben. Deshalb vertrauen wir als BVV nicht darauf und geben auch keine Prognosen ab. Persönlich gehe ich aber von einer Fortschreibung der gegenwärtigen Zinslandschaft aus. Vielleicht wird es verhaltene Ausschläge nach oben geben, die aber zur Erfüllung unserer Zinsanforderungen bis auf Weiteres nicht ausreichen werden.

 

 

Apropos Zinsanforderungen: Können Sie schon absehen, ob Sie weitere Kürzungen im Future Service werden vornehmen wollen oder müssen?

 

Die von uns im letzten Jahr durchgeführte Maßnahme wurde von unseren Wirtschaftsprüfern als wirksam und nachhaltig eingeschätzt. Ein weiterer Eingriff in den Future Service darf bis auf Weiteres keine Option sein.

 

 

Gesetzt die bAV-Reform kommt, wird der BVV die reine Beitragszusage im Sozialpartnermodell als EbAV anbieten?

 

Bereits heute erfüllen wir sämtliche Anforderungen des Gesetzgebers zur Einführung der reinen Beitragszusage. Der BVV wird für die Tarifparteien der Banken- und Finanzdienstleistungsbranche eine Branchenversorgungslösung hinstellen. Wenn unsere Mitgliedsunternehmen das wollen, stehen wir Gewehr bei Fuß. Allerdings schätzen wir auch heute schon den Status der bAV als sehr attraktiv ein. Sollte es aber eine tarifvertragliche Lösung geben, sehen wir uns aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit den Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen als geeigneter Partner.

 

 

Zum Abschluss: Die BVV ist einer der größten Pensionsinvestoren Deutschlands. Was möchten Sie der Politik zurufen?

 

Eine Welt ohne Zinsen wird auf Sicht zu kumulierenden und dann – in einer Welt geschwächter Finanzmarktteilnehmer – schwer beherrschbaren Problemen führen.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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