Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Level Playing Field von links?

Im Kampf für den Konsumenten

 

Mit den Gewerkschaften ist es zuweilen zum Haare raufen, und das nicht nur, wenn es um Lokführer geht. Sondern auch um die bAV.

 

Frankfurt, 19. November, Podiums-Diskussion auf der diesjährigen EIOPA-Conference. Dabei unter anderen Ellen Nygren von der European Trade Union Confederation ETUC, also der europäischen Dachvereinigung der Gewerkschaften. Und was die Schwedin so von sich gab, mochte nicht immer so recht zum Einsatz für Arbeitnehmerinteressen passen:

 

Nygren auf der Eiopa Conference 11-14. Foto: EIOPA, Frankfurt a.M..
Nygren auf der Eiopa Conference 11-14.
Foto: EIOPA, Frankfurt a.M..

Ich spreche aus der Perspektive der Arbeiter, die auch die Berechtigten der Schemes sind, und insofern sind sie Konsumenten. […] Wenn der Arbeiter in das Versorgungswerk bei Annahme des Jobs aufgenommen wird, hat das nicht viel mit einer Konsumentenentscheidung zu tun. Aber da sind andere Situationen, wenn sie eindeutig Konsumenten sind. Denn einige Versorgungswerke offerieren Optionen, manchen tritt man freiwillig bei, und in vielen Fällen haben die Arbeiter Wahlmöglichkeiten beim Investment, bezüglich Elementen der Lebensversicherung oder der Auszahlung nahe bei oder bei dem Renteneintritt; und in diesen Fällen sind sie eindeutig Konsumenten. […] Arbeiter sind die Endkonsumenten von Pensionsprodukten und die wahren Eigentümer der Assets, die von Pensionsmanagern verwaltet werden. […] Die Interessen von Arbeiterkonsumenten sollten im Herz der Pensionsdebatte stehen. Deren Bedürfnisse sollten das Ziel von Pensionsreformen sein und im Fokus stehen der Entscheidungsträger und derjenigen, die Assets managen, sei es in Pensionsfonds oder in anderen Institutionen.“

 

Ist ja alles schön und gut, aber Arbeiter sind Konsumenten, und das muss im Mittelpunkt stehen der Debatte und damit mittelbar offenbar auch der Regulierung? Da wünscht man sich doch etwas mehr Differenzierung. Sicher gibt es in Europa und auch in Deutschland versicherungs- oder fondsbasierte DC-bAV, die manche Entscheidungsgewalt und manch ein Performancerisiko ganz oder teilweise auf den Arbeitnehmer verlagern, und die Interessen dieser Arbeitnehmer sollen in der Tat gegenüber den entsprechenden Finanzdienstleistern und Versicherern durch Politik und Aufsicht vertreten werden – wie auch Nygren korrekt betont.

 

Allerdings sollte man sich, wenn man an der Debatte teilnimmt, die Mühe einer klareren Trennung machen – das betrifft in erster Linie unternehmenseigene bAV versus versicherungsbasierter Pensionsprodukte und in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob Politik und Aufsicht die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgebern, gegenüber produktliefernden Finanzdienstleistern oder gegenüber beiden vertreten sollen.

 

Wer angesichts der europäischen Vielfalt im Pensionswesen in seiner Positionierung nicht mit der gebotenen Klarheit unterscheidet zwischen der bAV als freiwilliger Sozialleistung der Arbeitgeber (im besten Falle noch mit unternehmenseigenen EbAV) einerseits und versicherungsbasierten bAV-Produkten und ihren Anbietern andererseits, und wer nicht deutlich macht, wer Gegenstand einer entsprechenden Regulierung sein sollte, der vertritt in der Debatte nur eine Position: die des Level Playing Fields. Die anwesenden EIOPA-Vertreter dürften sich nach Nygrens Auftritt jedenfalls in ihrer Ansicht bestärkt gesehen haben, dass die bAV und das Versicherungswesen analog (per HBS) reguliert werden sollten.

 

 

Gewerkschaften mit Hang zu unklarer Positionierung

 

Dies ist nicht der erste Fall, in dem nicht ausreichend klare Positionierungen der Gewerkschaften überraschen. Erinnert sei an die kryptische Aussage der ver.di in der 17b-Diskussion um den Vorstoß des BMAS zu tariflichen EbAV:

 

Die Privilegierung von zwei Durchführungswegen im Rahmen einer gemeinsamen Einrichtung ist in keiner Weise begründbar…“

 

Wie seinerzeit berichtet: Die Sorge der ver.di um die Benachteiligung der Direktversicherung (nur die kann nach Lage der Dinge gemeint sein), erstaunt. Den Satz hätte man eher in einem GDV-Positionspapier erwartet, nicht aber in dem einer Gewerkschaft, die Arbeitnehmerinteressen verpflichtet ist. Die Ätiopathogenese für dieses bei den Gewerkschaften zu beobachtende ambivalente Verhaltensmuster ist unklar – sei es bei Nygren oder bei ver.di. Ist das Absicht? Oder doch eher Unverständnis?

 

Fazit: Solange die Gewerkschaften – ähnlich wie die Versicherer – die bAV mehr oder weniger über einen Kamm scheren und entsprechend reguliert sehen wollen (die Versicherer, weil sie die bAV als Geschäft verstehen, und die Gewerkschaften, weil sie zuweilen möglicherweise gar nichts verstehen), werden sie die europäische und möglicherweise auch die nationalen Regulierer in Richtung Level Playing Field treiben. Und damit die Arbeitgeber aus der bAV hinaus.

 

Sollte es also das Ziel der Gewerkschaften sein, dass ihre Schäfchen von den Arbeitgebern bald nur noch das an bAV bekommen, was diese gesetzlich zu leisten verpflichtet sind, nämlich teure, individualisierte pay-and-forget-Modelle der Finanzdienstleistung, dann sind sie auf einem guten Weg. Und wenn Frau Nygren in Frankfurt beklagt hat, dass viele Arbeitnehmer trotz Vollzeitbeschäftigung am Ende des Monats ihr Rechnungen nicht mehr bezahlen können: Nun, wenn die Arbeitgeber sich eines Tages erst weitestmöglich aus der bAV zurückgezogen haben, dann werden die Arbeitnehmer dies auch im Ruhestand nicht mehr können.

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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